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Neuwahlen in den NiederlandenHolland steht an einer Weggabelung

Kommentar von Tobias Müller

Nicht noch eine Amtszeit von Regierungschef Mark Rutte ist eine schöne Aussicht. Ob es nach ihm besser werden würde, bleibt jedoch fraglich.

Nur schnell weg – Hollands Regierungschef Mark Rutte nach dem Sturz der Regierung am Wochenende Foto: Piroschka van de Wouw/reuters

W enn eine Regierung zurücktritt, ist damit in der Regel die Hoffnung auf einen Neuanfang verbunden. Reinen Tisch machen, lange aufgeschobene Probleme angehen. Die Niederlande, deren Mitte-rechts-Regierung am Wochenende zerbrach, bilden in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Gute Gründe zur Hoffnung gibt es allerdings nicht.

Das Gros der Bevölkerung hat das Kabinett Rutte IV., das nur antrat, weil es keine andere funktionierende Mehrheit gab, reichlich satt. Das Vertrauen in Politik, in Parteien und staatliche Instanzen ist fundamental angeschlagen: durch den beispiellosen Kindergeld-Skandal, nachlässigen Umgang mit den Menschen in Groningen, als dort wegen der Erdgasförderung die Erde bebte. Und durch Ruttes kreativen Umgang mit der Wahrheit. So ist die Erleichterung im Land spürbar.

Leider ist die Sache mit dem Neuanfang nicht so einfach. Zunächst könnte die Macht der Gewohnheit im Herbst dazu führen, dass Ruttes marktliberale VVD wie stets seit 2010 die Wahl erneut gewinnt. So regelmäßig die Nie­der­län­de­r*in­nen seine Regierungen verfluchen, so hartnäckig bleibt doch die Bereitschaft bestehen, sich trotz Eurokrise oder Inflationsgalopp von der VVD den Gürtel enger schnallen zu lassen. Dass diese zudem auf scharfem Rechtskurs ist, hat der jüngste Streit um die Asylpolitik gezeigt.

In welche Richtung das Land geht, ist freilich derzeit völlig unklar. Auszuschließen ist nämlich nicht, dass die Bauern-Bürger-Bewegung, eine konservative Protestpartei, die im März die Provinzwahlen klar für sich entschied, auch im Parlament die stärkste Kraft wird. Oder dass der absehbare Wahlkampf um eine Migrationsbegrenzung den Rechtspopulisten Auftrieb gibt.

Sicher ist im Augenblick nur: die Niederlande stehen an einer Weggabelung. Für die linken Parteien, zumal das Projekt einer Zusammenarbeit der Partij van de Arbeid und GroenLinks, kann dies eine Chance bedeuten. Sie kommt früher als erwartet. Doch auch in den Niederlanden gibt es Resonanzraum für einen Wahlkampf mit sozialem und ökologischem Schwerpunkt.

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3 Kommentare

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  • Finden wir uns damit ab. Die Menschen in Europa wollen mehrheitlich keine freiheitlichen und offene Gesellschaften mehr.



    Sie wollen Abschottung. Sie wollen weiß bleiben (kann überhaupt nicht gelingen). Sie wollen keine SozialkassenPlünderer (wir haben, Gott sei Dank, den Lindner, der das in deutscher Manier erledigt).



    Und wir haben ja unsere Monika Gruber (ich war bis dato ein Fan), die mit ihrer Demo, eigentlich ein Bierzelt ohne Zelt, die Leut' so richtig anheizen kann. Übrigens der VideoSchnitt auf YOUTUBE enthält nicht die allseits kritisierten Aussagen vom "Hubsi" oder seinem Chef Markus.



    youtu.be/ECT3r_LMNeU



    Die Bürger Europas wollen einfach so weiter machen wie bisher. Sie sind der Meinung, die Welt lasse sich nach wie vor zu unserem Wohlergehen ausplündern.



    Grob geschätzt sind von der hälftigen Mitte der Parteienlandschaft 80% der Bürger konservativ, extrem konservativ oder gleich ganz rechts eingestellt.



    Hälftige Mitte: ich mein das so: daß es z.B. in der CxU mindestens 50% der Mitglieder einen reaktionen Kurs befürworten. Aus diesem Grund ist Merz der Chef. Und in NL sieht es nicht anders aus.

  • Den Streit gab es um Familiennachzug von Flüchtlingen, die bislang nur subsidiären Schutz besitzen. Das ist nicht rechtsextrem.

    • @Fritz Brause:

      "... Das ist nicht rechtsextrem."



      Stimmt.



      Frage ist: Wer wollte den Familiennachzug erschweren. Genau ... eben jener Teflon-Mark.