Provinzwahlen in den Niederlanden: „Erdrutsch wie seit Jahren nicht“

Die neue Protestpartei BauerBürgerBewegung gewinnt die Provinzwahlen noch klarer als erwartet. Sie wird auch im Senat zur stärksten Kraft.

Die BBB-Vorsitzende Caroline van der Plas wirft ihren Wahlzettel in eine Wahlurne.

Wahlsiegerin: BBB-Vorsitzende Caroline van der Plas bei der Stimmabgabe am Mittwoch Foto: Peter Dejong/dpa/ap

AMSTERDAM taz | Abstrafung für die niederländische Mitte-Rechts-Regierung: Bei den Provinzwahlen am Mittwoch landete die Protestpartei BoerBurgerBeweging (BBB) einen Erdrutschsieg. In zahlreichen Kommunen springt die 2019 gegründete BBB aus dem Stand an die Spitze, während die Den Haager Koalitionsparteien teils drastische Verluste erlitten. „Die Wähler haben ihre Stimme hören lassen, und wie!“, sagte die triumphierende BBB-Chefin Caroline van der Plas.

Nachdem bislang 85 Prozent der Stimmen gezählt sind, zeichnet sich im Senat, der Ende Mai von den Mitgliedern der neuen Provinzparlamente gewählt wird, eine beachtliche Kräfteverschiebung ab: mit 15 von 75 Sitzen wird die BBB dort mit Abstand die stärkste Partei.

Von den Fraktionen her kann es nur die künftige Verbindung von GroenLinks, das bei acht Sitzen stagniert, und Sozialdemokraten (PvdA), die einen Sitz gewannen und künftig sieben haben, mit ihr aufnehmen. Für die seit Jahren gebeutelte Linke ist dies einerseits ein Erfolg, der erhoffte zusätzliche Effekt der progressiven Zusammenarbeit blieb jedoch aus.

Ganz andere Probleme haben nun die Regierungsparteien – auch wenn Premier Mark Rutte, dessen liberale Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) von zwölf auf zehn Sitze zurückgeht, sich in der Wahlnacht weigerte, anzuerkennen, dass das Ergebnis „unmittelbare“ Auswirkungen auf die Stabilität seiner Koalition habe.

Verluste auch bei Geert Wilders Rechtspopulisten

Realistischer war da schon die Einschätzung seines Vertreters Wopke Hoekstra. Der Chef des christdemokratischen Christen-Democratisch Appèl (CDA), der vielerorts die Hälfte seiner Stimmen verlor und im Senat wohl nur noch fünf statt neun Abgeordnete stellt, sprach von einem „Erdrutsch, wie wir ihn seit Jahren nicht erlebt haben“.

Rechnerisch speist sich der Zuwachs der konservativen BBB aus den Verlusten beider Regierungsparteien, aber auch der Rechtspopulisten der Partij voor de Vrijheid (PVV) von Geert Wilders. Die PVV verlor zwar nur leicht, aber durchgehend und hat künftig nach aktuellem Stand nur noch vier statt fünf Senatssitze.

Drastischer ist der Absturz des rechtsextremen Forum voor Democratie (FvD), das vor vier Jahren aus dem Nichts gemeinsam mit der VVD die Provinzwahlen gewann. Von seinen zwölf Sitzen bleiben gerade noch zwei übrig.

Der BBB, die in ländlichen Provinzen wie Drenthe oder Gelderland zwei- bis viermal mehr Sitze als die VVD holte, gelingt es damit, sowohl unzufriedene Wäh­le­r*in­nen der Regierungs- als auch aus dem Elektorat rechter Protestparteien anzuziehen – ein entscheidendes, aussagekräftiges Detail. Entsprechend ihres Namens versteht sie sich als Scharnier zwischen Bäue­r*in­nen und Bürger*innen.

BBB will nicht allein Sprachrohr der Bäue­r*in­nen sein

Groß geworden ist die BBB durch die wochenlangen Agrarproteste des vergangenen Sommers, als Unzufriedene verschiedenster Hintergründe bei ihr andockten.

Van der Plas wurde in der Wahlnacht nicht müde zu betonen, nicht allein das Sprachrohr der Bäue­r*in­nen zu sein. „Die Menschen, denen seit Jahren nicht zugehört wurde, haben ihre Stimme hören lassen“, sagte sie immer wieder.

Zugleich erhöhte sie den Druck auf Den Haag: Die Regierung müsse nun mit der BBB verhandeln. Sollte sie im Senat künftig Mehrheiten mit Unterstützung der linken Parteien anstreben, sei das eine weitere Missachtung der Wünsche der Wähler*innen.

Während am heutigen Donnerstag die restlichen Stimmen gezählt werden, ist eine Prognose bereits überdeutlich: Die abgestrafte Koalition sitzt im Senat künftig zwischen den Stühlen. Einerseits ist da die BBB, die die Regierungspläne zur Stickstoff-Reduzierung drastisch zurückweist und sich dagegen wendet, dass stark emittierende Agrarbetriebe verkaufen müssen oder enteignet werden. Auf der anderen Seite wollen PvdA und GroenLinks keine Beschlüsse mittragen, die das Klima zusätzlich belasten.

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