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Klimaproteste in BerlinWegner will 5-Tage-Haft

Berlins CDU-Regierungschef möchte den Präventivgewahrsam von zwei auf fünf Tage ausweiten. Unterdessen halten die Blockaden der Letzten Generation an.

Nichts geht mehr auf der Stadtautobahn: Protest der Letzten Generation am Dienstag Foto: dpa

Berlin dpa | Der neue Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) will es Polizei und Justiz ermöglichen, mögliche Straftäter fünf Tage vorbeugend zu inhaftieren, um bestimmte Taten zu verhindern. „Wir werden als Koalition die rechtlichen Voraussetzungen für einen bis zu fünftägigen Präventivgewahrsam schaffen“, sagte Wegner dem Tagesspiegel. „Innen- und Justizsenatorin werden hier Hand in Hand arbeiten.“ Das Vorhaben ist bereits im Koalitionsvertrag von CDU und SPD enthalten.

Die Möglichkeit eines Präventivgewahrsams gibt es in Berlin bereits für bis zu 48 Stunden. In manchen anderen Bundesländern wie Bayern ist eine deutlich längere Dauer erlaubt. Die vorbeugende Inhaftierung von Klimaschutz-Aktivisten hatte im vergangenen Jahr bundesweit für viele Diskussionen gesorgt.

Unterdessen setzten in Berlin Klimaschutz-Demonstranten am Dienstag ihre Straßenblockaden fort. Auch eine Besetzung von Bäumen im Berliner Park Wuhlheide durch Umweltschützer ging weiter. Eine schnelle Räumung durch die Polizei ist laut Senat nicht geplant.

Die Klima-Demonstranten der Gruppe Letzte Generation blockierten am Dienstagmorgen im Berufsverkehr elf große Durchgangsstraßen und Kreuzungen im ganzen Stadtgebiet. Darunter war nach Polizeiangaben auch die Stadtautobahn A100 zwischen Spandauer Damm und Kaiserdamm.

Bei mindestens zwei Blockaden hätten sie ihre Hände auf der Straße mit einem speziellen Sand-Klebstoff-Gemisch befestigt. Zum Ablösen muss die Polizei Trennschleifer einsetzen, durch die die Straßen beschädigt und dann wieder repariert werden müssen.

Erneut war die Sprecherin der Gruppe, Carla Hinrichs, bei einer Blockade dabei. Sie hatte sich nach Angaben von Polizisten vor Ort so festgeklebt, dass die Straße an zwei Stellen vier Zentimeter tief abgetragen werden musste. Hinrichs wurde von der Polizei vorläufig festgenommen. Ob sie wieder freigelassen werden sollte, teilte die Polizei auf Anfrage zunächst nicht mit.

In der vergangenen Woche war Hinrichs in Frankfurt am Main wegen einer früheren Aktion zu zwei Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Hinrichs teilte mit: „Trotzdem saß ich gestern und auch heute wieder auf der Straße.“ Sie habe mehr Angst vor dem Klimawandel als vor dem Gefängnis. „Darum werde ich weitermachen, auch wenn ich dafür ins Gefängnis muss.“

Die Letzte Generation fordert verstärkte Maßnahmen der Politik gegen den Klimawandel. Ihre Unterstützer kleben sich seit Januar 2022 immer wieder auf Straßen fest, um den Verkehr zu blockieren. Im April hatte die Gruppe ihren Protest in Berlin verstärkt. Vom 16. April bis 7. Mai wurden 151 Straßenblockaden registriert, 8 davon auf Autobahnen.

Bei der Berliner Staatsanwaltschaft gibt es bislang knapp 2.000 Ermittlungsverfahren zu Aktionen der Letzten Generation und einer weiteren Gruppe. 86 Urteile wurden bislang gesprochen, 40 davon sind rechtskräftig. In der Regel wurden die Demonstranten zu Geldstrafen verurteilt, meist wegen Nötigung und Widerstands gegen die Polizei.

Baumbesetzung gilt als Demonstration

Nach der Besetzung von Bäumen im Park Wuhlheide in Köpenick durch Umweltschützer wollen Senat und Polizei zunächst die Situation beobachten. Die Berliner Forsten, die für die Wälder zuständig sind, hätten sich ein Bild der Lage gemacht und sollen sie auch in den kommenden Tagen weiter bewerten, teilte die Senatsumweltverwaltung mit. Die Polizei erklärte, man stufe die Aktion bisher als Demonstration ein.

Die Baumbesetzer, die sich als queerfeministische Aktivisten bezeichnen, wollen mit der Aktion verhindern, dass für den Bau der geplanten Straße „Tangentiale Verbindung Ost“ 15 Hektar Wald gerodet werden. Sie besetzten einige Bäume und bauten Baumhäuser. Am Montag schrieben die Besetzer: „Wir gehen davon aus, dass die Räumung der Besetzung in den nächsten Tagen stattfindet.“ Sie forderten Unterstützer auf, Widerstand zu leisten. Die „Tangentiale Verbindung Ost“ ist eine seit langem geplante Durchgangsstraße im Osten Berlins.

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16 Kommentare

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  • "BERLIN dpa | Der neue Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) will es Polizei und Justiz ermöglichen, mögliche Straftäter fünf Tage vorbeugend zu inhaftieren, um bestimmte Taten zu verhindern."

    Irgendetwas muss Mensch ja von Putin/Erdogan/JinPing ja lernen. Fussfesseln in Hessen verlangt, weitere Verschärfung der Polizeigesetze, welche mit der Gewaltenteilung brechen.

    Warum ist in den Köpfen der Menschen die AFD eigentlich das alleinge autokratische Problem im Parlament?

  • Wegner will 5-Tage-Haft



    Also so kurz nach dem Regierungswechsel? Warum? Hat Herr Wegner nichts zu tun? Er kann auch in ein Kloster gehen. Haft, nee.

  • Und wieviel Haft fordert er für den Gesetzesbrecher Volker Wissing?

    • @Perkele:

      Warum lässt man die Klebespezialisten nicht in Ruhe? Absperrband drum herum und 24 h abwarten.

    • @Perkele:

      Für Menschen vom anderen Stern zählen die hiesigen Strafen nicht!

    • @Perkele:

      Audi-Stadler bekommt Bewährung nach gaaaaaaannnnnz viiiiiieeeeell Bedenkzeit (für ihn)

      • @Tz-B:

        Sie reden vom Betrüger Stadler! Dessen Karriere ist beendet. Seine Millionenvilla steht. Vielleicht sollte man mal in seinem Pool baden gehen.

  • 5 Tage präventive Haft, mal sehen wie standhaft die Berliner SPD ist, wenn an den Grundlagen unserer Demokratie herumgeschraubt werden soll, weil der Staat nicht in der Lage ist, einen friedlichen gesellschaftlichen Konflikt in konstruktive Bahnen zu lenken.

    Dem ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizecker wäre sicher etwas eingefallen, um die Beteiligten an dem Konflikt an einen Runden Tisch zu bekommen.

    Bundespräsident Steinmeier schraubt sich bei dem Thema in unerreichbare rhetorische Höhen, anstatt Kraft seines Amtes vor die eigene Haustür zu treten und zu helfen, ein Forum zu schaffen, indem in Ruhe und mit den nötigen finanziellen Mitteln an der konstruktiven Auflösung dieses Konfliktes gearbeitet werden könnte.

    • @Lindenberg:

      Ach die SPD - die hat doch damals auch die Asylabschaffung - sorry "Asylkompromiss" auf drängen von Republikanern und CSU und CDU mit unterschrieben.



      Welche Hilfe ist denn da zu erwarten ?



      Steinmeier hat Kurnaz in Guantanamo fast verrecken lassen und Giffey (samt Gatte) klebt eher am Geld als an der Strasse.

    • @Lindenberg:

      @Lindenberg Bundespräsident Steimeier als Vermittler für Bürger*innen-Interessen?! Der hat sich schon zuzeiten der Unperson Schröder als Büttel der Großkonzerne erwiesen, man denke nur an die Hartz-IV- Gesetze, die er maßgeblich koordinierte in der damaligen Bundesregierung - Fazit: Verarmung breiter Teile der finanzarmen Bevölkerung, Steuerentlastung für Großkonzerne!

      Und zur Präventivhaft: Ein Leser schrieb bei ZON, "CDU macht CDU-Sachen", und wir ergänzen: Die SPD ertüchtigt sie dazu, das jetzt auch in Berlin zu tun! Macht euch auf noch mehr "CDU-Sachen" gefasst, Berliner*innen!

  • Bin gespannt, wann man sich mal die Sympathisantenszene im akademischen Milieu vornimmt.

    Die naturwissenschaftlichen Disziplinen sind ja durchseucht mit radikalisierte Intellektuellen, die mit ihren Publikationen den ideologischen Nährboden für solche Straftaten geschaffen haben.

    Aber Sarkasmus beiseite: Irgendwo gibt es ja noch ein verbindliches Urteil des Bundeverfassungsgerichts und eine Bundesregierung, die sich weigert, es umzusetzen. In einem Staat mit Gewaltenteilung der klassische Fall einer Verfassungskrise, in der ziviler Ungehorsam angezeigt ist.

  • § 315b



    Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr



    (1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

    1. Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,



    2. Hindernisse bereitet oder



    3. einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,



    und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.



    (2) Der Versuch ist strafbar.

    Noch Fragen?



    Die Blockadeaktionen in Berlin waren sehr gefährlich , wie man hier sieht: www.focus.de/panor..._id_193939306.html

    • @Rudi Hamm:

      Soso, im Focus stand das - bestimmt auch bei Springer....



      Was genau wurde denn gefährdet ?



      Leib und Leben eines anderen Menschen



      Sachen von bedeutendem Wert ?



      Unter was fällt Freiefahrtfürfreiebürger ?



      Oder geht es um 1 Stunde Wartezeit ? Und kommt der Vollidiot, der mit 120 durch die Baustelle prescht und einen Unfall (ohne Körperverletzung) verursacht auf per se Haft ?



      Können dann bitte alle Egomanen mit ohne Auspuff jedes Wochenende in Vorbeugehaft kommen ?

    • @Rudi Hamm:

      Sehr geehrter Herr Richter,



      (oder Rechtsanwalt? Staatsanwalt? wenigstens Jurist???

      "[...] und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet"

      Wo ist das gegeben?



      In dem Video, das sie verlinken, sehe ich das nicht. Dort ist der einzige, der eine Gefahrensituation in Kauf nimmt indem er sich mit hohem Tempo auf der Seitenspur durchquetscht, NICHT eine der Aktivist*innen, sondern ein anderer, nichtaktivistischer Autofahrer.

      Genauso wie die fehlenden Rettungsgassen, und manchmal auch körperliche Gewalt durch "normale" Autofahrer verübt werden.

      Sie dürfen gerne die gewählten Protestmethoden in Frage stellen/diskutieren (v.a. wenn Sie finden, da wurde etwas Wichtiges noch nicht gesagt).

      Aber BITTE hören Sie auf mit dieser Hetze gegen Menschen, die sich zu Recht Sorgen machen!!!!

      Reden Sie doch mal vom Klimawandel und was wir dagegen tun können!!!



      Welche gesetzlichen Grundlagen kennen Sie denn für den Schutz unserer Lebensgrundlage?

    • @Rudi Hamm:

      Lächerlich. Nicht gefährlicher als die täglichen Staus.

      • @Andreas J:

        So dürfen Sie denken, die Richter sehen das ganz bestimmt anders.