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Altersgrenze für LehrendeBehörde pfeift Hamburger Uni zurück

Ein Professor durfte nicht an der Hafencity-Universität lehren, weil er über 75 ist. Die Wissenschaftsbehörde erklärt die Regelung für rechtswidrig.

Hübsche Fassade: die Hafencity-Universität in Hamburg Foto: Christian Ohde/Imago

Hamburg taz | Er sei zu alt, lautete die Begründung, mit der die Hamburger Hafencity-Universität (HCU) Kosta Mathéy im vergangenen Dezember kurzfristig seinen Lehrauftrag absagte. Denn eine hochschuleigene Satzung sah vor, dass an Personen über 75 Jahren keine Lehraufträge vergeben werden dürfen. Doch diese Regelung war rechtswidrig, das bestätigt ihm nun die Hamburger Wissenschaftsbehörde. Man habe die HCU gebeten, sie „ersatzlos zu streichen“.

Mathéy ist „Professor für Planung und Bauen in Entwicklungsländern“ und bot bis dato seit zehn Jahren im Wintersemester das Blockseminar „Project Management in international Cooperation“ an, für das er von Berlin nach Hamburg anreiste. Auch im vergangenen Sommer schrieb der zuständige Fachbereich den 77-Jährigen an, ob er wieder bereit sei, das Seminar anzubieten.

Mathéy sagte zu, es wurde ein Termin vereinbart, kurz vor Semesterbeginn erhielt er Zugang zum hochschuleigenen Mailsystem „Ahoi“ und nahm Kontakt zu den Studierenden auf, die sich für sein Seminar angemeldet hatten. Über vier Monate, in denen zwölf Mails ausgetauscht wurden, ließ man Mathéy im Glauben, dass der Lehrauftrag regulär stattfindet. Inklusive Vorbereitung und Austausch hatte der Hochschullehrer bis dahin schon etwa ein Viertel der Arbeit dieses Lehrauftrags geleistet, für den es üblicher Weise ein schmales Gesamthonorar von unter 1.200 Euro gibt.

Doch dann schrieb ihm am 5. Dezember die Mitarbeiterin des Fachbereichs: Nach Prüfung der Daten sei „leider“ aufgefallen, dass man Mathéy den Lehrauftrag „aufgrund der Altersgrenze laut § 2 (1) b Lehrauftragssatzung“ nicht mehr erteilen könne. Auch von anderen älteren Lehrbeauftragten hörte Mathéy, dass sie Schwierigkeiten bekamen. Er gewann den Eindruck, dass sich in der HCU-Verwaltung eine Art „Altersphobie“ einschlich.

Über vier Monate ließ man Mathéy im Glauben, dass der Lehrauftrag regulär stattfindet

Mathéy ließ sich besagte „Lehrauftrags-Satzung“ schicken, die im Jahr 2017 von der Hafen-City-Universität verabschiedet wurde. Dort heißt es tatsächlich, Lehraufträge könnten nicht an Personen gehen, die eine „Altersgrenze“ von 75 Jahren erreicht haben, entsprechend Paragraf 16 des Hamburgischen Hochschulgesetzes.

Nur bezieht sich dieser zitierte Passus des Hochschulgesetzes gar nicht auf Lehraufträge, sondern auf die Festanstellung von Professoren, die schon im Ruhestand sind und die „bei hervorragender Eignung“ von der Hochschule angestellt werden sollen. Der eigentliche Paragraf für Lehraufträge im Hamburger Hochschulgesetz sieht keine Altersbeschränkung vor. Theoretisch, so Mathéys Fazit, können Pro­fes­so­ren weiter Lehraufträge annehmen bis zu ihrem Tod. Die Altersgrenze sei de facto ein Berufsverbot.

Um für sich und auch für andere zu kämpfen, klagte der Wissenschaftler Ende Februar vor dem Verwaltungsgericht auf Streichung der Altersgrenze in der HCU-Lehrauftragssatzung. Ferner fordert er dort Schadensersatz wegen Altersdiskriminierung in Höhe des entgangenen Honorars. Das Verfahren läuft noch, der Richter versucht, den Konflikt gütlich beizulegen.

Zugleich schrieb Mathéy besagte Wissenschaftsbehörde an, die in Hamburg auch für Gleichstellung zuständig ist, und forderte, dass die altersdiskriminierende Regel entfällt. Der Leiter der dortigen Hochschulabteilung schrieb ihm nun im Namen der Staatsrätin Eva Gümbel, dass die Behörde eine „umfangreiche hochschulrechtliche Prüfung“ vornahm und zu dem Fazit kam, „dass diese Regelung rechtswidrig ist“. Der Präsident der HCU habe inzwischen schriftlich zugesichert, dass „die Anpassung rechtskonform vorgenommen“ werde.

Weniger Erfolg hatte der Architekt zuvor mit einer Beschwerde wegen Alterdiskriminierung bei der HCU-eigenen Anti-Diskriminierungsbeschwerdestelle. Dort antwortete ihm just die Justitiarin der HCU, die zugleich die Hochschule vor dem Verwaltungsgericht vertritt. Einer Beschwerde wegen Altersdiskriminierung könne man nach interner Prüfung „nicht abhelfen“, teilte sie mit. Es sei richtig, dass mit Mathéy über einen Lehrvertrag korrespondiert wurde. Der Abschluss sei jedoch nicht zustande gekommen, weil sich „parallel ergab, dass die Lehrveranstaltung durch hauptberuflich an der HCU beschäftigte Lehrpersonen abgedeckt werden kann“.

Die Hafencity-Universität schweigt

An dieser Erklärung hegt Mathéy angesichts der übrigen Mail-Korrespondenz Zweifel. „Mir tun auch die Studierenden leid, die sich auf das Seminar gefreut haben“, sagt er. Eine Studentin schrieb ihm gar zur Absage, dass die Nachricht ihr Herz gebrochen habe. Das geplante Blockseminar war ausgefallen und später durch eine rein digitale Veranstaltung mit anderen Schwerpunkten ersetzt worden. Sein Kurs wurde hauptsächlich von ausländischen Studierenden belegt. Aus seinen früheren Seminaren zu internationaler Kooperation gingen teils konkrete Projekte hervor, wie eine Siedlung für die vom Militär vertriebene indigene Bevölkerung neben einem erloschenen Vulkan in Venezuela.

Die Hafencity-Universität will zu diesem Einzelfall nichts sagen. „Wir können keine Auskunft geben, da dies ein laufendes Verfahren ist“, sagt ein Sprecher. Auch die Frage, ob die Altersgrenze für Lehrbeauftragte noch Bestand hat, beantwortet die Hochschule nicht.

Auch die Hamburger Wissenschaftsbehörde äußert sich nicht zu dem konkreten Fall. Sprecherin Larissa Robitzsch bestätigt aber, dass die im Hochschulgesetz genannte 75-Jahre-Altersgrenze „keine Anwendung auf Lehrbeauftragte“ findet.

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4 Kommentare

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  • Für Oberbürgermeister hingegen gibt's landesweitl altersbezogene "Berufsverbote". Das könnte mensch mal ändern. Die Abschaffung des Amtes des Stadtdirektors, da wo's das gab, war vielleicht ein Fehler, denn dadurch werden Ober-, Erste, Zweite Bürgermeister doch sehr mit Zuständigkeiten, Arbeit und täglichem Energieverbrauch überlastet. Und schon ham wir ein schönes Argument, die "Alten" "schonen" zu müssen. Ziemlich widerlich, sowas. Der Wirtschaft gehn die Arbeitswilligen aus, ein Viertel unsrer Grundschüler kann nicht lesen, und wird's wahrscheinlich nie lernen, und gut ausgebildete Träger/innen unsrer Wissensgesellschaft kommen allüberall aufs Abstellgleis. Abgespeist bestenfalls mit Progrämmchen für Senioren-Experten, unbezahlte Coaching-Jobs oder ähnliches. Und ihre (jüngeren) Auftraggeber könn' auch kein Deutsch mehr: Da firmiert sowas dann mittenindeutschland z.B. als "Senior Partner in School, SiS".Immerhin grad noch mitgeliefert die Übersetzung (die keine ist): Schulmediatorinnen.



    gsblutenburg.musin...partner-in-school/

  • Ich hatte auch so einen greisen Prof, den man wegen Personalmangels aus dem wohlverdienten Ruhestand reaktiviert hatte. Mitunter trug er Dinge vor deren Sinnhaftigkeit sich, wenn überhaupt, nur ihm selber erschloss und in der Prufung fragte er dann Themen ab die er in keiner der Vorlesungen behandelt hatte.



    Eine generelle Altersgrenze ist sicher zu pauschal, aber ab einem gewissen Alter sollte eine Uni schon auch darauf achten ob so jemand wirklich noch dazu in der Lage ist der Aufgabe und der damit verbundenen Verantwortung gerecht zu werden. Wer rausgeprüft wird weil der alternde Prof allmählich etwas tüddelig wird, kann u.U. seine komplette Lebensplanung in Tonne kloppen können.

  • Da hatte `mal wieder ein Bürokrat sein "Herz" auf dem richtigen Fleck? ;-))