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Berlins Bausenator passt Ziele anWeniger bauen, mehr fördern

Bis zu 20.000 Wohnungen will der schwarz-rote Senat bauen. Der neue Bausenator Christian Gaebler (SPD) wäre auch mit 16.500 zufrieden.

Berlins Regierender Kai Wegner (CDU) übergibt Christian Gaebler (SPD, rechts) die Ernennungsurkunde Foto: picture alliance/dpa | Annette Riedl

Berlin taz | Zeit zum Einarbeiten wie manch anderer im schwarz-roten Senat braucht Christian Gaebler nicht. Schon als Staatssekretär hat der SPD-Politiker versucht, den Neubau in Berlin voranzutreiben. Weil sich die ehemalige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) vor dem aufreibenden Job drückte und Wirtschaftssenatorin wurde, ist Gaebler nun Bausenator. Und hängt gleich einmal die Latte tief.

Bis zu 20.000 Wohnungen im Jahr will die neue Koalition bauen. Gaebler nun definiert dieses „bis zu“ eher verhalten. „Wenn ich nur 16.500 Wohnungen schaffe, dann habe ich immerhin 50.000 Menschen untergebracht“, sagte er am Wochenende der dpa. „Wenn 16.500 Wohnungen mehr da sind, dann hilft das der Stadt und den Menschen in der Stadt.“ 16.500 ist auch die Zahl, die der aus dem Amt geschiedene Bausenator Andreas Geisel für 2022 verkünden konnte.

Das Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen will Christian Gaebler fortsetzen. „Was uns bislang bekannt ist, haben sich die Beteiligten aus der Wohnungswirtschaft an die Vereinbarungen gehalten, die wir getroffen haben, was Mieterhöhungsbegrenzungen und Härtefallregeln angeht“, so Gaebler. Das Land Berlin hingegen habe sich nicht an alles gehalten. „Wir haben zum Beispiel noch nicht besonders viel beschleunigt“, räumte Gaebler ein.

Den Wohnungsbau beschleunigen steht deshalb ganz oben auf der Agenda des Bausenators. Gleichzeitig kündigte Gaebler im RBB an, die Neubauförderung von 740 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro jährlich verdoppeln zu wollen. Nicht nur Sozialwohnungen für 6,50 Euro pro Quadratmeter sollen so entstehen, sondern auch Wohnungen für die Mittelschicht. Gaebler rechnet damit, dass die Kaltmieten in dem neuen Fördermodell zwischen 9 und 11 Euro pro Quadratmeter liegen: „Wir gehen davon aus, dass das in der aktuellen Lage bezahlbar ist.“ Die Förderung von Sozialwohnungen für die unteren Einkommensgruppen soll wie bisher beibehalten werden.

Neue Richtlinie geplant

Noch aber sind die zusätzlichen Mittel im Haushalt nicht bewilligt. Weil aber 2022 und wohl auch 2023 weniger Fördermittel abgeflossen sind als die 740 Millionen, steht gerade mehr Geld zur Verfügung. Wie viele Wohnungen künftig auf welchem Förderweg gefördert werden wollen, soll eine neue Richtlinie festlegen, die ab dem kommenden Jahr gelten soll.

„Wohnungen für die Mittelschicht zu fördern, ist richtig“, sagte die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Schmidberger, der taz. Dies dürfe aber nicht auf Kosten der Ärmeren gehen. „Mittelschicht und Unterschicht dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden“, betonte Schmidberger.

Die Grünen fordern deshalb, die Förderrichtlinie so zu gestalten, dass Investoren nicht nur die für sie lukrativere Mittelschichtförderung in Anspruch nehmen dürfen. Außerdem solle der Senat darüber nachdenken, auch das Eigenkapital der landeseigenen Wohnungsunternehmen zu erhöhen.

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11 Kommentare

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  • Kaltmieten zwischen 9 und 11 Euro zuzüglich Betriebskosten ergeben die "unbezahlbaren Warmmieten".

    In der Nähe befindliche ältere Wohnungsbestände werden an das neue höhere Mietniveau angepaßt.

    • @Lichtenberg:

      Märchenstunde statt die Wahrheit?

      Neubau in Berlin ist unter 18-20€/m² Warmmiete gar nicht mehr machbar, wie selbst die Wohnbaugenossenschaften sagen. Und Förderung heißt immer auch, dass alle anderen Mieter mit ihren Steuern die Mieten anderer mitfinanzieren.



      Letztlich wird jede Förderung somit zu "linker Tasche, rechte Tasche" und belastet wieder alle.



      Berlin hat das Problem aller europäischen Metropolen, rapide steigende Mieten, und kein Land konnte es bisher lösen. Einzige Ausnahme ist Wien, aber da wurden die Weichen schon vor vielen Jahrzehnten umgestellt.

      • @Rudi Hamm:

        Ja, die steigenden Mieten hat Gott persönlich verordnet.

        Man kann was dagegen unternehmen, z.B. die Wohnungsspekulanten wie Vonovia und DW enteignen.



        Außerdem redet überhaupt niemand mehr über Zuzugssperren in dieser überquellenden Stadt.



        Es gibt noch andere Orte in Deutschland.

      • @Rudi Hamm:

        Was ist denn in Wien gelöst?

        Die Mieten dort sind höher als in Berlin. Quelle:



        www.immopreise.at/Wien/Wohnung/Miete

        Vergleicht man die Mieten, die der Staat besitzt, fällt auf, dass diese in Wien auch höher sind und man noch schwerer an eine solche Wohnung kommt.

        • @eicke81:

          O.K., also doch alle - auch Wien.



          Habe das mal anders gelesen.



          Danke für den Hinweis.

          • @Rudi Hamm:

            Auch ich habe gehört, dass man nach einer bestimmten Zeit Anspruch auf eine Wohnung in Wien hat.



            Außerdem haben die Wiener ja DEUTLICH mehr Kohle in der Tasche - siehe Rentenniveau.

  • Wenn man das Verkehrschaos in Berlin bekämpfen will, dann sollte man an allen S-und U-Bahn-Endpunkten große P+R-Parkplätze bauen. Plätze, die wie in Wessiland um 9:00 völlig dicht sind bringt nichts.



    MACHT WAS!



    Ein zusätzliches Bonussystem für Arbeitnehmer, die die Öffis nutzen wäre zudem vorteilhaft. Warum nicht die Firmen auch mal in die Verantwortung nehmen?

  • Seit Jahrzehnten wird in der Immobilienbranche fast ausschließlich teurer Luxuswohnraum gebaut, mit dem Argument, dass dieser für die Unternehmen lukrativer und auf Dauer ertragreicher sei. Dies wurde Langezeit auch öffentlich immer bemängelt, politisch wurde hingegen nicht gegengesteuert.



    Ich halte es für zweifelhaft gerade dieses Überangebot von zu teuren Wohnungen nun mit staatlichen Mitteln zu finanzieren, sodass die Fördergelder indirekt gerade diesen Investoren zugute kommen, die all die Jahre am Bedarf vorbei gebaut haben, aber nicht, auf Grund der Mangelsituation im günstigen Segment, von diesen teuren Mietpreisen runter gehen.



    Wenn die Politik über diesen langen Zeitraum ein Konglomerat an Fehlern gemacht hat (Privatisierung und Verkauf von Sozialwohnungen, Bodenpolitik, kein Neubau, Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen, Spekulation, Schwarzgeldanlage, Umnutzungen, Nutzungsänderungen, etc.) , und auch Fehlentwicklungen laufen lassen hat, so sehe ich die Politik nun geradezu verpflichtet, für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, gemäß ihrer grundgesetzlich verankerten Verpflichtungen, OHNE wie immer, auch hier wiederum für eine Umverteilung von Staatsgeldern an die finanzstarken und problemverursachenden Sektoren zu sorgen.



    M.E. ist es auf diesem Sachstand mal Zeit dafür zu sorgen, dass solche ausbeuterischen Aktionen sich nicht wie immer auszahlen. Ich bin dafür die Forderung bestimmter Quoten an günstigem aber auch mittelteurem Wohnraum (für die Mittelschicht) gesetzlich einzufordern, auch die Drohung mit Enteignung gerade der ausbeuterischen Firmen, halte ich auf dieser Basis für das Mittel der Wahl.

    • @Privatkundig:

      In Berlin ist es halt so, dass sie Verlust machen, wenn sie sozialen Wohnraum schaffen. Warum sollte dies jemand tun? Wen wollen sie denn enteignen? Den, der keine Lust hat zu bauen, weil er damit Verlust macht?

      • @eicke81:

        Warum wurden die Sozialwohnungen, die ehemals verkauft wurden, wie warme Semmeln von der Wohnungswirtschaft dann aufgekauft, wenn sich Wohnungsbau nicht mehr lohnen würde?



        Nein, hier sollten wieder die Wohnungsmieten steigen, aber selbst das war ja meist auch zu wenig. Es wurden bevorzugt Umwandlungen in Eigentumswohnungen durchgeführt, womit noch mehr Reibach gemacht werden könnte.



        Wenn der Einkommensquerschnitt der Menschen, die als Mieter nicht die Mieten zahlen können, zu gering ist, um der Wohnungswirtschaft einkömmliche Renditen zu bescheren, so ist deutlich, dass hier die soziale Schere derart auseinanderklafft, und dieses Ausschlachten über jahrzehnte von Politikern laufen gelassen wurde. So ist dies nun leider zu beheben. Dass die Mittel dem angemessen sein werden, muss klar sein. Ob dies für Sie nun ertragreich ist oder nicht. Dies ist momentan leider nicht mehr der Richtwert. Ggf. muss dann Bauen eben von staatlicher Seite bewerkstelligt werden, aber dann bitte nicht wieder so, dass die ertragreichen Gebäudesektoren privatisiert werden und die verlustreichen sozialisiert werden.

    • @Privatkundig:

      Wenn das Geld für die Miete nicht gereicht hat?

      "Mehr als die Hälfte aller Kündigungen im vergangenen Jahr, exakt 2160, wurden von den landeseigenen Vermietern wieder zurückgenommen."

      "In 641 Fällen erwirkten die landeseigenen Vermieter im vergangenen Jahr Räumungsurteile gegen Mieter. In 561 Fällen ließen die landeseigenen Vermieter Wohnungen räumen. Die meisten Wohnungen waren aber offenkundig schon vorher verlassen worden."







      08. 05. 2023



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