Gewalt in der Filmbranche: Und wieder schweigen die Mitwisser
Wenn übergriffiges Verhalten von Promis ans Tageslicht kommt, heißt es fast immer: Das war ein offenes Geheimnis. Warum sagt niemand etwas?
J onathan Majors, David Choe, F. Murray Abraham, zuletzt Til Schweiger: In den vergangenen Wochen überschlugen sich die Meldungen über prominente Männer, die sich gewalttätig verhalten haben sollen. Diese Art von Meldung wird oft mit dem Hinweis begleitet, dass es sich dabei um ein „offenes Geheimnis“ handele.
Über Jonathan Majors (Marvel) etwa hieß es auf Twitter, sein brutales Verhalten gegenüber Frauen sei bekannt gewesen. Und David Choe (aus dem Netflix-Hit „Beef“) hatte im Jahr 2014 in einem Podcast sogar detailliert beschrieben, wie er eine Masseurin vergewaltigt haben soll (später bezeichnete er das als Witz). Wenn das Verhalten dieser Männer seit Jahren bekannt ist – warum sagt dann niemand was?
Ich meine damit übrigens nicht die Opfer. Dass sie schweigen, wundert mich seitdem Amber Heard im vergangenen Jahr durch den Dreck gezogen wurde, noch viel weniger. Aber dass gewalttätige Männer jahrelang mit ihrem Verhalten durchkommen, bedeutet nun mal, dass viele Menschen weggucken oder sie sogar decken. Durch ihr Schweigen tragen sie eine Mitschuld. Sie stützen dadurch unsere Rape Culture, die sexualisierte Gewalt nicht sanktioniert, was wir spätestens seit dem System Harvey Weinstein wissen. Und make no mistake: Auch wenn ich über die Filmindustrie schreibe, kommt das in jeder Branche vor.
Auch Rassismus spielt eine Rolle
Schauen wir uns den Fall David Choe an. „Beef“ ist eine unglaublich erfolgreiche und wirklich gute Serie, die angenehm klischeefrei von Asian Americans erzählt. Entsprechend haben gerade (aber nicht nur!) Asian Americans „Beef“ direkt nach Veröffentlichung hart abgefeiert. Dann kam heraus, dass David Choe diesen, nun, „Witz“ gemacht hatte. Und dass die Hauptdarsteller*innen Ali Wong und Steven Yeun mutmaßlich davon wussten aber trotz der massiven Kritik hartnäckig schweigen. Viele sind enttäuscht und kritisieren den Nepotismus, der hinter dem Casting stand. Denn seien wir ehrlich: Choes Rolle hätte locker jemand anderes spielen können.
Die Geschichte ist aber komplexer, denn dass der Aufschrei beim Schwarzen Jonathan Majors und dem Asian American David Choe so groß war, während Weiße trotz bekannt gewordenem gewalttätigen Verhalten (Ezra Miller oder Brad Pitt) ohne Konsequenzen durch Hollywood spazieren, fügt dem eine rassistische Komponente hinzu. Das bedeutet nicht, dass man mit Majors oder Choe Mitleid haben sollte. Aber dass unsere Rape Culture auch rassifiziert ist, ist nicht von der Hand zu weisen.
Was also sind die Konsequenzen? Majors wurde aus mehreren Projekten geschmissen. Doch solange immer wieder herauskommt, dass Täter jahrelang gedeckt werden, glaube ich nicht an ernsthafte gesellschaftliche Veränderungen, sondern nur an einen punktuellen Aufschrei, wenn zufällig mal Fehlverhalten publik wird. MeToo hat frustrierend wenig verbessert.
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