Messerangriff durch Burschenschaftler: Schweigen über rechte Gewalt

Mitte Februar stach in Bingen ein Burschenschaftler auf einen anderen ein. Das Opfer hatte sich zuvor über Nazi-Musik beschwert.

Polizeiwappen aus Rheinland Pfalz

Die Behörden in Rheinland-Pfalz hielten eine Pressemitteilung zur Tat für nicht geboten Foto: Andreas Arnold/dpa/picture alliance

HAMBURG taz | In Bingen hat ein Burschenschafter einen anderen Burschen mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Das Opfer hatte sich zuvor über die rechtsextreme Musik des Angreifers beschwert. Die Auseinandersetzung in einem Vereinsheim einer Studentenverbindung fand schon in den frühen Morgenstunden am 15. Februar dieses Jahres statt. Die ermittelnden Behörden in Rheinland-Pfalz hielten eine Pressemitteilung zu dem gewalttätigen Angriff für nicht geboten.

Der Frankfurter Rundschau fiel in der Statistik der Bundesregierung zu rechtsextremen Straf- und Gewalttaten der Vermerk einer versuchten Tötung auf. Die Nachfragen der Zeitung ergaben, dass Polizei und Staatsanwaltschaft in Mainz ermitteln.

An dem Tag war der Täter zu Besuch bei der Studentenverbindung. Der 23-Jährige Burschenschafter aus Hessen soll demnach rechtsextreme Musik abgespielt haben. Ein Mitglied der Verbindung des Hauses gefiel die Musik nicht. Eine verbale Auseinandersetzung folgte. „Im weiteren Verlauf des Geschehens soll der Beschuldigte den Geschädigten mit einem Messer angriffen und ihm Stichverletzungen im Bereich des Oberkörpers zugefügt haben“, berichtete ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der taz. Der 20-Jährige wurde lebensgefährlich verletzt.

Weitere Informationen dürfe er wegen der laufenden Ermittlungen nicht geben, so der Sprecher. Dass die Staatsanwaltschaft keine Pressemitteilung veröffentlichte, erklärt der Sprecher damit, dass sich „die Tat zum einen in einem privaten Rahmen ereignete und zum Tatzeitpunkt keine Öffentlichkeitswirkung eingetreten war“ und „zum anderen musste Berücksichtigung finden, dass bei der Tat keine gravierenden Rechtsgutsverletzungen eingetreten sind, kein dringender Tatverdacht für ein versuchtes Tötungsdelikt bestand“.

Das Nichtöffentlichmachen von möglichen rechtsextremen Straf- und Gewalttaten durch Behörden ist allerdings keine Ausnahme. Nicht selten bleiben auch mögliche Tathintergründe bei einer Pressemitteilung unerwähnt.

„In diesem Bundesland besteht eine Kontinuität, rechtsextreme Straf- und Gewalttaten herunterzuspielen“, sagt Heike Kleffner der taz. Die Geschäftsführerin des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) erinnert an die Tötung des Obdachlosen Frank Bönisch 1992 in Koblenz durch einen Rechtsextremen. Bis heute führt die Bundesregierung Bönisch nicht als Opfer rechter Gewalt.

Kleffner weißt außerdem auf den Brand eines von geflüchteten Familien bewohnten Haus am 25. Januar in Berlin. Im Februar war eine 43-jährige Syrerin an den Folgen der Verletzungen gestorben. Sie hinterlässt ihren Mann und sechs Kinder. Ein rassistisches Motiv bei dem Brand im Stadtteil Pankow sahen die Ermittelnden anfänglich nicht.

Der VBGR warnt regelmäßig vor unkritischer Übernahme von Polizeimitteilungen in den Medien. Ihr Ausbleiben deutet Kleffner auch als Versuch, „das alltägliche Ausmaß rechter und rassistischer Gewalt“ zu verschleiern. Für die VBRG-Geschäftsführerin „ein Rückfall in die Verschleierungs- und Verharmlosungspolitik“ vor der Zeit der Selbstenttarnung der rechtsextremen Terrororganisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Auf Bundesebene fragt die Abgeordnete der Linken, Petra Pau, diese Taten regelmäßig ab.

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