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Kli­ma­aktivist:innen besetzen HörsäleVermummt und unaufgeregt

An der Bremer Uni besetzen Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen seit Sonntag einen Hörsaal. Es ist eine von rund 20 Aktionen an Hochschulen in Deutschland.

Der besetzte Hörsaal kann von hier aus nicht weit sein: Campus der Universität Bremen Foto: dpa | Sina Schuldt

Bremen taz | Am Dienstag in den frühen Morgenstunden begann die Besetzung: An der Uni Bremen halten Ak­ti­vis­t:in­nen der Umweltgruppe „EndFossil: Occupy“ einen Hörsaal seither besetzt. Ein Kicker, Sofas und Sessel und zwei Lautsprecher stehen darin herum. Mit einigem Abstand sitzen Studierende am Donnerstag hier beisammen. Die Be­set­ze­r*in­nen wollen nun ihre Forderungen verkünden. Einer der Besetzer schlägt auf eine große Trommel. „Wir beginnen nun!“, ruft er der Menge zu.

Nicht nur in Bremen, auch in Hamburg und nach eigenen Angaben weltweit sind derzeit Schulen und Universitäten durch „EndFossil: Occupy“-Gruppen besetzt. Allein in Deutschland sind derzeit rund 20 Campusse betroffen.

Während der Besetzung in Bremen haben die Ak­ti­vis­t*in­nen Vorträge, Gesprächsrunden und Aktionstrainings organisiert. „Wir machen das so lange, bis wir zufrieden sind“, sagt eine Sprecherin der Gruppe, Malin Zimmer, die nicht wirklich so heißt. Ihren echten Namen will sie nicht in der Zeitung lesen, da die Gruppe Repressionen gegen Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen befürchtet. „Klimaaktivist*innen werden vermehrt kriminalisiert und wir schützen uns entsprechend“, sagt sie auch mit Blick auf den Umgang mit Ak­ti­vis­t*in­nen der Letzten Generation.

Nacheinander treten die Ak­ti­vis­t*in­nen ans Mikrofon und verkünden ihre Forderungen. Sie sind alle vermummt, tragen Mützen, Coronamasken und Halstücher. Nach jeder Rede applaudieren die rund 70 Studierenden, die den Forderungen zuhören.

Das Rektorat der Uni Bremen hält den Protest für legitim, sieht sich aber außerstande, die Forderungen umzusetzen

Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit will die Gruppe zusammen denken, deswegen fordert sie beispielsweise auch einen kostenfreien Nahverkehr für Bremen, die Abschaffung der Studiengebühren und mehr Mitspracherechte für Studierende in den Entscheidungsgremien der Universität. Außerdem tritt die Gruppe für mehr Freiräume für Studierende ein. Erst im Winter wurde das von Studierenden selbst errichtete und verwaltete GW3 von der Uni abgerissen. „Da, wo studentischer Freiraum abgebaggert wird, entsteht neuer studentischer Freiraum“, sagt Zimmer.

Das Rektorat der Uni Bremen bezeichnet die Proteste der Studierenden als legitim. Räumungsmaßnahmen seien derzeit nicht geplant. Die Be­set­ze­r*in­nen selbst stehen dem Rektorat aber eher ablehnend gegenüber. So kritisiert eine der Ak­ti­vis­t*in­nen in ihrer Rede, dass die Uni sich die Klimaproteste lediglich für ihr Image zu eigen machen wolle. „Wir machen diese Aktion nicht für Verhandlungen mit dem Rektorat, sondern für die Politisierung der Studierendenschaft und um Bündnisse zu schmieden“, sagt Zimmer.

Die Kanzlerin der Uni Bremen, Frauke Meyer, ist auch zur Besetzung gekommen. Dass die Be­set­ze­r*in­nen nicht verhandeln wollen, hat sie zur Kenntnis genommen: „In dem gewünschten Ausmaß können wir die Forderungen der Be­set­ze­r*in­nen nicht umsetzen, viele Forderungen gehen weit über das hinaus, wofür wir als Universität Bremen zuständig sind“, sagt sie. Die Besetzung erfahre in ihrer Wahrnehmung nur bedingt Zuspruch unter der Studierendenschaft.

Das scheint auf Hamburg auch ein Stück weit zuzutreffen. Ohnehin zeigt sich hier ein ähnliches Bild: „Klimagerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit, Demokratisierung“ steht auf einem Transparent, das im Hörsaal hängt. Rund 35 Ak­ti­vis­t*in­nen halten den Raum seit Mittwochmittag besetzt. Die Tischtennisplatte bleibt am Donnerstagvormittag zusammengeklappt in der Ecke stehen, während die Be­set­ze­r*in­nen gemütlich in einem Sitzkreis sitzen.

Zu lesen ist vom Eingang aus auch, dass Menschen, die das „linke Vokabular“ nicht beherrschen, willkommen sind. Die Resonanz bleibt trotzdem überschaubar, die Stimmung ist unaufgeregt.

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4 Kommentare

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  • Sinnvolle Forderungen an Universitäten wären: mehr Forschung zum Thema Nachhaltigkeit znd Klimaschutz, Entwicklung von Technologien, die das Klima schützen oder der Menschheit helfen mit den Folgen des Klimawandels umzugehen.

    Dass solche Forderungen gar nicht vorkommen, deutet darauf hin, dass es mehr um Aktivismus als ums Klima geht.

    Junge Leute, die Naturwissenschaften oder Ingenieurfächer studieren, können letztlich viel mehr fürs Klima tun, als solche, die sich als Aktivisten hervortun.

  • Da Amazonfahrer kaum eine Lobby haben ist es schon ok wenn studierenden in die Disussion geholt werden.



    Der Muff muss wieder raus aus den Unis,



    Au fStaatskosten werden Spitzenwissenschaftlerinnen ausgebildet, die dann in die "freie" Wirtschaft abwandern, und die Klimakatastrophe für ihre Unternehmen weitertreiben, Der "Staat" zahlt dann die Folgekosten. oder b esser gesgagt der Steuerzahler.



    Da sollte schon mal diskuttiert weerden,, Gern auch elitär, wenn es erstmal nicht anders geht.

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Soziale Gerechtigkeit beginnt an der Hochschule bei der Abbildung der Gesellschaft. Nicht hauptsächlich weiße aus der Oberschicht sollten studieren dürfen. Mehr Migranten, mehr arme Mitbürger!

  • Die Proteste stehen in einer guten und langen Geschichte.

    Berkeley, Sorbonne, Nanterre, Italien, Polen, Prag...

    Leider sind sie alles andere als massenhaft.

    Und das hier klingt sehr herablassend und elitär:

    "Zu lesen ist vom Eingang aus auch, dass Menschen, die das „linke Vokabular“ nicht beherrschen, willkommen sind.“

    Mal ganz davon abgesehen, dass sich Amazon-Lieferfahrer oder Kassiererinnen wohl kaum in diese heiligen Hallen verirren werden.