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Italiens MigrationspolitikRadikal gegen Flüchtlinge

Italiens rechte Regierung will Wahlkampfversprechen halten: Ret­te­r*in­nen im Mittelmeer werden behindert, die Anerkennung von Geflüchteten erschwert.

Regiert mit einer extrem rechten Koalition: Italiens Ministerpräsidentin Georgia Meloni Foto: Guglielmo Mangiapane/reuters

Rom taz | Goldene Zeiten hatte Giorgia Meloni den Ita­lie­ne­r*in­nen im letzten Wahlkampf versprochen: goldene Zeiten im Kampf gegen die „illegale Immigration“. Endlich sollte Schluss sein mit dem Schlendrian des angeblich ungehinderten Zustroms von Menschen, die dann – so die Sicht von Ministerpräsidentin Meloni – als Dealer oder Prostituierte auf italienischem Territorium ihr Unwesen treiben würden.

Und kaum hatte Meloni an der Spitze ihrer postfaschistischen Fratelli d’Italia, im Verein mit der fremdenfeindlichen Lega Nord unter Matteo Salvini und Silvio Berlusconis Forza Italia, am 25. September 2022 die Wahlen gewonnen, kaum hatte sie im Oktober dann die Regierung gebildet – da ging es auch schon zur Sache.

Umgehend wurde von Melonis Regierung ein Dekret aufgelegt, das den in der Seenotrettung tätigen NGOs die Arbeit deutlich erschwerte. Hinter dem Schritt stand die Behauptung des neuen Innenministers Matteo Piantedosi, die NGOs wirkten als unseliger „Pull factor“ – sprich, sie brächten die Mi­gran­t*in­nen überhaupt erst darauf, sich in Libyen oder Tunesien in die Boote zu setzen.

Meloni: „Eine europäische Aufgabe“

Dass es ganz so nicht ist, musste die radikal rechte Regierung dann in den ersten Monaten des Jahres 2023 erfahren, als trotz der weitgehenden Neutralisierung der NGOs weit mehr Menschen übers Meer kamen als noch im Vorjahr: Bis zum 18. April waren es mehr als 34.000 und damit viermal so viele wie im gleichen Vorjahreszeitraum. Nur ein minimaler Prozentsatz wurde von NGO-Schiffen gerettet.

Doch die Regierung Meloni macht unverdrossen weiter. Gegenwärtig berät das Parlament über ein Gesetzesdekret, das die Anerkennung von Flüchtlingen in Italien erschweren soll. Außerdem sollen Asyl­be­wer­be­r*in­nen für die Dauer ihrer Verfahren nicht mehr in kleinen Einrichtungen untergebracht werden, sondern in großen Camps, in denen außer ein bisschen Sprachunterricht keinerlei Integration­sarbeit erfolgt.

Und schließlich fordert Meloni an die Adresse von „Europa“, dort müsse man sich stärker engagieren. Sie behauptet, mit der Einigung auf dem letzten EU-Gipfel, dass Italiens Flüchtlingsproblem „eine europäische Aufgabe“ sei, habe sie einen entscheidenden Durchbruch erzielt. Davon jedoch kann keine Rede sein. Operative Zusagen durch die EU und ihre Mitgliedstaaten zu Hilfen an Italien sind bisher ausgeblieben.

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6 Kommentare

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  • @NILS STEDING

    Das ist ein ziemlich widerlicher rhetorischer Trick.

    Sie wissen ganz genau, wie diese "paar Tausend Euro" zusammenkommen: zum Teil legt das Dorf zusammen, um denen, die die besten Chancen haben loszuschicken (weil eben alle verzweifelt sind). Zum Teil wird das Geld den Familien abgepresst, wenn die Betroffenen in den (von der EU mitfinanzierten) entsetzlichen Lagern feststecken.

    [...]

    Humanismus ist eben nicht eine Deko.







    Die Moderation: Kommentar gekürzt, bitte sachlich bleiben.

    • @tomás zerolo:

      Ganz tolle Rhetorik Tomas, hier mit wilden Rassismus-Anschuldogungen um sich zu werfen. Ich beschreibe die Realität und die sieht nunmal so aus, dass nur Menschen, die das Kapital aufbringen können, eine Chance im europäischen Asylsysten haben. Was daran human sein soll erschließt sich mir nicht.

      Die Moderation: Kommentar gekürzt, bitte bleibt sachlich.

  • @RERO

    Ja, klar. Die EU-Freihandelsabkommen. Die Erpressung zur Austerität durch die Weltbank, die die letzten Reste des schützenden Staats mit der Abrissbirne zertrümmern.

    Wir vergessen, dass der Marschallplan nur zu etwa 10% aus Krediten bestand und lassen uns zähneknirschend zu Schuldenschnitten durch die Realitäten prügeln wenn fast alles schon zu spät ist.

    Einverstanden.

    Das rechtfertigt natürlich nicht, wie wir mit den wenigen umgehen, die es bis hierher schaffen (die nicht selbst wohlhabend sind, es nie waren, und schon gar nicht, wenn sie ankommen).

    Einverstanden.

    • @tomás zerolo:

      Der Begriff "wohlhabend" ist relativ. Im Vergleich zu den Menschen, die von 10€/Monat leben, oder noch weniger, sind die Leute, die es nach Deutschland schaffen, wohlhabend.



      Sie können zumindest ein paar Tausend Euro auftreiben, um sich die Schlepper zu leisten.

      Das derzeitige Asylsystem gewährt also praktisch nur Leuten aus Zentral- und Nordafrika, und Menschen aus dem Nahen Osten Asyl, weil für die Menschen Europa geographisch erreichbar ist. Außerdem brauchen die Menschen ein gewisses Kapital, um die Schlepper zahlen zu können.



      Außerdem gewährt das System, wie erwähnt, vorrangig jungen Männern Asyl, weil es ältere Menschen, Frauen und Kinder kaum schaffen.



      Survival of the fittest eben.

      Ich stimme mit den Forderungen von Ruud Koopmans überein. Menschen, die die EU illegal erreichen, sollten ihren Asylanspruch verlieren.



      Stattdessen werden humanitäre Kontinente ausgebaut.

      Das in Deutschland oft kritisierte Beispiel Australien ist aus meiner Sicht ein sehr positives Beispiel einer gelungen Asylpolitik.



      Sie haben es geschafft die Ankunft Bootsflüchtlinge gegen 0 zu reduzieren, gewähren aber gleichzeitig einer konstanten Menge an Menschen Asyl, weil sie die erwähnten humanitären Aufnahmeprogramme ausgebaut haben.

  • Im Gegenteil: das ist ja die ganze Absicht von Dublin. Der Druck soll an der Peripherie so wachsen, dass die möglichst brutal werden und "uns" die Drecksarbeit abnehmen. Die eine oder andere protofaschistische Regierung ist darin eher förderlich.

    Wenn die anfangen, auf die Flüchtlinge zu schiessen, dann mag Seehofers inniger Wunsch mit der "letzten Patrone" vielleicht doch in Erfüllung gehen.

    Wir sind schon ein verlogenes Pack.

    • @tomás zerolo:

      Ja, aber die Verlogenheit fängt schon vorher an.

      Die Toten in der Sahara interessieren hier niemanden.

      Überhaupt ist das derzeitige Asylsystem extrem ungerecht und diskriminierend.

      Asyl bekommen überwiegend nur wohlhabende junge Männer, die die Schlepper bezahlen können.

      Die Armen, die Alten und die Familien mit vielen Kindern oder Behinderten müssen in den Lagern der verschiedenen Grenzgebiete bleiben.

      Solidarität erfahren nur diejenigen, die es nach Deutschland - oder wenigstens fast - schaffen.

      Wie wäre es mal mit einem Kontingent Rohingya?