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Macron besucht Xi JinpingKeine klare Ansage

Es ist irritierend, wie Emmanuel Macron Chinas Staatschef hofiert. Dort wird fröhlich mit Kohle geheizt, hier predigt man den Einbau von Wärmepumpen.

Die Präsidenten Xi Jinping und Emmanuel Macron im April 2023 in Guangzhou Foto: Huang Jingwen/Xinhua/imago

I n welcher aller Welten leben wir gerade? Ich weiß es nicht mehr, und dabei bin ich beruflich ständig mit dem Einordnen von politischen Ereignissen beschäftigt. Wie ist das alles wohl für Leute, deren Beruf nichts mit Politik und Medien zu tun hat, nichts mit Demokratie oder Verwaltung, die einfach mitkommen müssen.

Allein die Debatte über die Wärmepumpen: Noch bevor die Bevölkerung inhaltlich über Vor- und Nachteile aufgeklärt werden konnte, spielt die Ampelkoalition ihre Billigseifenoper, sticht Informationen durch, es kommt zur Panikmache und zu Falschinformationen. Weite Teile der Beobachter des politischen Berlins stürzten sich auf die Rivalität zwischen Christian Lindner und Robert Habeck.

Man hobbypsychologisierte darüber, wer beim Kanzler höher in der Gunst stünde. Die meisten Bürger werden nach Wochen der Debatte den Unterschied zwischen Wärmepumpe und Klimaanlage noch immer nicht kennen. Was sie interessiert, ist, wie sie das alles bezahlen sollen. Aber diese Angst ist vielen, die über das Thema berichten, zu profan. Das überlässt man der Bild, und die dreht den Angstregler ordentlich auf.

Doch auch die politischen Beobachter, die wirksame Klimapolitik fordern und Maßnahmen wie den Einbau von Wärmepumpen als richtigen Weg in die Zukunft bejubeln, verstehe ich nur bedingt. Ihre Zustimmung ist mir einfach zu national. Ja, wir müssen handeln. Doch angesichts der Herausforderung der Klimakrise dienen solche nationalen Debatten doch nur dem eigenen guten Gewissen.

Alleingang löst das globale Problem nicht

Rechte instrumentalisieren die teuren Maßnahmen und mobilisieren, indem sie behaupten, Deutschland wolle nun im Alleingang den Planeten retten und der Steuerzahler solle das alles bezahlen. Populismus, ja, doch er greift. Natürlich hat jedes Land seine eigene Klimapolitik umzusetzen, aber das globale Problem wird der Einbau von Wärmepumpen eben nicht lösen.

Dorothee Piroelle
Jagoda Marinić

ist Schriftstellerin, Dramatikerin und Kolumnistin. Sie lebt in Heidelberg und ist Mitglied des PEN-Zentrums. Ihr letztes Buch, „Sheroes. Neue Hel­d*in­nen braucht das Land“, erschien 2019.

Je länger wir auf diese Art debattieren, je mehr sich Bürgerinnen und Bürger in die Opferrollen retten aus finanzieller und intellektueller Überforderung oder einfach nur Erschöpfung, desto instabiler wird unsere Demokratie. Teile der geplanten Maßnahmen sind in Zeiten von Inflation zu teuer, die Wut der Deutschen entlädt sich durch den Zulauf zu rechten Parteien, die weder die Klimakrise noch die Demokratie ernst nehmen.

Zugegeben, alle, die etwas von der Dimension der Klimakatastrophe verstehen, sagen an dieser Stelle: Wenn der Planet für den Menschen nicht mehr bewohnbar ist, wird auch keine Demokratie helfen. Mag sein. Doch den Planeten ernsthaft zu retten, würde internationale Bündnisse erfordern, auch das wissen die Bürger. Wo bleibt die ernst zu nehmende internationale Agenda, das funktionierende globale Bündnis?

In den Armen eines Autokraten

Die Autokraten sind leider wieder auf dem Vormarsch und Klimabündnisse werden immer schwieriger, selbst wenn sich Länder wie China gerne ein Klimaschutzprofil verpassen würden, sprechen die Fakten eine andere Sprache. In welcher aller Welten wacht man auf, wenn En-Marche-Macron plötzlich ein James-Bond-artiges Video von seinem Besuch in China auf seinem offiziellen Twitter-Account verbreitet?

Er marschiert darin geradewegs in die Arme eines autoritären Herrschers, spricht von einer Faszination zwischen China und Frankreich und nennt arschkriecherisch – oh, pardon, höflich natürlich – China zuerst. Es ist eine der großen Perversionen der PR-Möglichkeiten unseres Social-Media-Zeitalters, dass man zwielichtige politische Vorhaben mit weichgespülter Bildsprache vermitteln kann, die auf emotionaler Ebene funktioniert.

Wir sollten an dieser Stelle daran erinnern, dass Macron zuletzt seine Rentenreform auf einem weniger demokratischen Weg durchgesetzt hat – und trotzdem im Amt geblieben ist. In weiten Teilen der deutschen Berichterstattung zeigte man weniger Verständnis für die Wut der Franzosen als für Macrons autoritären Führungsstil. Die Sicherheit Europas hängt nun also davon ab, wie fest unsere Umarmung mit Xi Jinping ist.

Letzterer wird in Macrons Video gleich heroisierend mitinszeniert, als hätte eines der mächtigsten Länder Europas nichts in der Hand, um einem nach Corona angeschlagenen China auf Augenhöhe zu begegnen. Wie sollen Bürger, die nach einem Achtstundentag in der Gebäudereinigung, der Pflege oder nach sonstiger harter Arbeit nach Haus kommen, noch entschlüsseln, was derzeit richtig ist?

Aushöhlung einer politischen Haltung

Das ist schlicht eine Frage nach Ressourcen, die es braucht, um die Widersprüchlichkeiten sichtbar zu machen und daraus sinnvolle Schlüsse zu ziehen, Schlüsse, um sich als Bürger nicht ohnmächtig zu fühlen. Wie sollen Leute die Dringlichkeit verstehen, eine Wärmepumpe einzubauen, während ein europäischer Staatschef wie Macron vor China buckelt, wo man weiterhin massiv auf Kohlekraftwerke setzt?

Es scheinen alle Botschaften relativ zu sein, gleichzeitig werden sie mit einer Absolutheit vorgetragen, als seien sie alternativlos: Der Kohleausstieg ist zwingend vs. wir hofieren einen Diktator und machen nichts von dem, was daheim zwingend zu sein scheint, zur Bedingung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Diese Aushöhlung der politischen Haltung zugunsten der wirtschaftlichen Beziehungen – wie Deutschland es schon glorreich mit Russland betrieben hat – führt bei vielen Bürgerinnen und Bürgern zu einer Art Nihilismus.

Was will Demokratie? Weshalb soll man in seiner eigenen kleinen Welt noch an etwas glauben, etwas fürs Gemeinwesen aufbauen? Wenn man es mit der Rettung des Klimas ernst meinte, würde man auch auf dem internationalen Parkett andere Bedingungen stellen, oder nicht? Weshalb Macron einem angeschlagenen China den roten Teppich auslegt und Europa sowie den USA in den Rücken fällt, wird er noch zu erklären haben. Doch auch andere mächtige Länder dieses Europas müssen sich fragen lassen, ob sie nur Steigbügelhalter von Autokraten sein wollen.

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10 Kommentare

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  • Das sind vielfältige Ansichten.



    Das Thema Wärmepumpe ist ja eher ein deutsches, weniger ein französisches, wo das Thema Atomkraft eher als Zukunft der Energie betrachtet wird.



    "Forderungen" an andere Länder, sich für das Klima einzusetzen, ist nicht möglich.



    Möglich ist allerdings, zu zeigen, dass auch alternative Technik möglich ist.



    Neben eher moralischen Ansprüchen, wie die Rettung der ( bewohnten) Welt, funktioniert das systemübergreifend über Geld.



    Es ist möglich, mit Brasilien zusammen zu arbeiten, den Regenwald zu schützen, wenn man/ frau in Brasilien andere Arbeitsplätze schafft. Dazu setzt die Regierung Geld ein, das kann allerdings nur ein Anfang sein.



    Um derartige Projekt voranzutreiben muss der Staat auch weiterhin genügend Steuergelder einnehmen.



    Noch sind wir Industriestandort.



    Wenn wir die Wärmewende vorantreiben, werden die Kosten, aufgrund der gestiegenen Nachfrage, längerfristig sinken.



    Da, gerade im Handwerk, eine hohe Nachfrage nach Personal besteht, orientieren sich junge Erwachsene vielleicht auch neu. Denn auch hier liegt, im Gegensatz zu vergangenen trends , die Zielsetzung schwerpunktmäßig beim Geld.



    Wir haben gesehen, dass durch die Maßnahmen, die rot grün um 2000 ergriffen hatte, die deutsche Solartechnik und Windenergietechnik weltführend wurde.



    Leider ließ sich auch beobachten, wie CDU und FDP beide Branchen in Deutschland, durch die Umkehrung der vorherigen Maßnahmen, zerstörten.



    Wenn nun deutsche Firmen, durch staatliche Förderung unterstützt, die Wärmepumpentechnik weiterentwickeln und günstiger anbieten können, kann dies zu einem neuen Exportschlager werden.



    Somit stärken wir nicht nur direkt unseren Wirtschaftsstandort durch höhere Binnennachfrage, sondern auch indirekt durch international steigende Nachfrage auf diesem Gebiet.



    Dass China der global Player des Jahrhunderts ist, läßt sich kaum übersehen, doch wir können wirtschaftlich und klimabezogen eine Alternative anbieten.



    Das sind zwei Chancen auf Einmal.

    • @Philippo1000:

      Die Wärmepumpentechnologie ist zum Großteil schon chinesisch, da ist nicht mehr viel zu holen, aber wer wer weiß..?



      Das Hauptproblem ist aber nach wie vor der hohe Strompreis, eine Wärmepumpenheizung die zwar aus 1 kWh Strom, 3 kWh Wärme erzeugt( wenn`s gut läuft evtl auch 4 kWh) mag aus klimatischer Sicht sinnvoll sein, aus wirtschaftlicher Sicht ist sie es aber nicht, liegt der Strompreis um den selben Faktor über dem Gaspreis, ist es bei den Energiekosten ein Nullsummenspiel, bei den hohen Investitionskosten immer ein Minusgeschäft.



      Um einen Selbstläufereffekt zu erzeugen müsste der Strompreis niedriger liegen. Wärmepumpen können außerdem nur relativ niedrige Temperaturen erzeugen, das funktioniert im Heizungsbereich ganz gut, in allen anderen Bereichen kann Gas damit nicht ersetzt werden. Dort schnellen die Preise, um den Faktor, den Strom teurer ist als Gas in die Höhe. Das könnte ein ordentlicher Bremsfaktor in der Wirtschaft werden.



      Insgesamt ist ein wirtschaftsbelebendes Szenario bis jetzt nicht zu erwarten.

  • Liebe Jagoda Marinic, im Alleingang lösen wir das globale Klimadesaster nicht, das ist korrekt. Wenn wir uns China und Deutschland anschauen, so sind wir beide etwas gleich schlecht im COs Ausstoss por Kopf mit ca 8 tonnen pro Jahr ( de.statista.com/st...ern-je-einwohner/) und wir müssen uns gewaltig anstrengen, den China ist weltweit spitzenreiter beim Ausbau erneuerbarer Energie (www.capital.de/wir...en-energien-91939) . So muss jeder seinen Teil dazu beitragen und wir dringend mit der Transformation bei Mobilität, Heizen und Produktion. Ich denke in China kennt man die Risiken der auf uns zu rollenden Klimakatastrophe, das das Land sicher sehr schwer davon betroffen sein wird. Und ich denke zu warten, bis es ein internationales Bündnis geben wird, das über das pariser Klimaschutzabkommen hinsaugeht, können wir und nicht erlauben.Deshalb mit Mut voran und Beispiel geben.

    • @ThomLa:

      Sorry, es ist neben der Sache, CO2-Ausstoß pro Kopf zu vergleichen, wenn Deutschland seit vielen Jahren CO2-intensive Produktion nach China ausgelagert hat. Und trotzdem stößt Deutschland im Vergleich zu Frankreich regelmäßig 10mal so viel CO2 aus pro kWH Strom: app.electricitymaps.com/map?lang=de

  • 6G
    676595 (Profil gelöscht)

    Hinsichtlich der beschleunigt eintretenden Klimakatastrophe und der zu erwartenden Regierungsformen aufgrund der zunehmenden Gewalttätigkeit an Mensch und Natur denke ich, der Zug ist abgefahren. Wenige Tage nach Beginn des Ukrainekrieges und der sich verfestigenden „Blockstrukturen“ und mit den in der Folgezeit drohenden Kriegen hat sich das Thema Klima erledigt. Ich denke, dass der Februar 2022 als der Termin in die Geschichte eingehen wird, an dem die letzte Chance für eine global einsetzende Vernunft vergeben wurde. Mangelnde Weitsicht, eine heuchlerische Moral und die Unfähigkeit des Führungspersonals in den verantwortlichen Regierungen werden eine Umkehr hin zum Besseren in Klima- und Umweltpolitik unmöglich machen. Die Haushalte vieler Staaten werden auch in Zukunft von „ihren“ Rohstoffen abhängig sein, Staaten, die sich zunehmend hochrüsten, Staaten die ihre Gas- und Ölvorkommen verteidigen, verbrennen und verkaufen werden; sie werden ihren Handel schützen mit idiotisch hochgerüsteten Kriegsmaschinen. Wenn unzählige Menschen schon heute mit den Katastrophen leben und sterben, wenn gleichzeitig jedoch weiter aufgerüstet wird, wenn die sich im Recht fühlenden Verantwortlichen aber unfähig sind „über ihren Schatten zu springen“, dann war es das mit der Erde.

    (Dieser Text wurde 2022 abgelehnt.)

  • Der ‚Westen’ hat mit seinem Ausbeutersystem (gelenkt von durch und durch autokratischen Wirtschaftsmagnaten) den Planeten auf den Weg in die Katastrophe gebracht und jetzt sollen die alten Kolonien, die uns selbstverständlich die wichtigen Teile zum Nachhaltigen Wirtschaften möglichst günstig liefern sollen, ganz schnell Klimaneutral werden. Billige E-Autos, Sonnenkollektoren, Wärmepumpen usw.usf. werden eben nicht mit grünender Energie klimaneutral vor Ort produziert, sondern auf unser Verlangen billig und dreckig in den weiter abhängen alten Kolonien. Da jetzt mit den Fingern drauf zu zeigen ist wohlfeil.

  • Wenn sich nur mal die Erkenntnis durchsetzen würde, dass wir es immer waren und sind, die Autokraten stark machen. Immer und ausnahmslos. Weil wir denen für unsere Bequemlichkeit Öl und Rohstoffe, später betreffend China Halbwaren oder günstig produzierte Produkte abkaufen. Wir, die Gewinne machen wollen auf ander Leute Unglück.



    Jetzt weil es etwas offensichtlicher vorgetragen wird, und eben nicht a la Merkel..."aber bitte Menschenrechte beachten" soll sich der Sachverhalt anders darstellen? Nein, so war es immer, von Russland bis Zentralafrika, von Libyen bis Arabien. Wir sind es die Autokraten stark machen. Und da muss man auch nix groß 'einordnen', Ehrlichkeit reicht. Die Arschgesichter dieser Welt, das sind wir selbst, da letztlich prinzipienlos, chrakterlos, skrupellos. Und Maulhelden und Besserwisser, das sind wir auch! ... wenn ich mal frustriert auf Artikel und Kommentare verweisen darf wenn es um Macrons 'Einordnung' geht.

    • @Tom Farmer:

      Sie haben mir aus der Seele geschrieben.Danke

  • Macron ist Europäer, durch und durch!



    Er muss sich als Franzose nicht verhalten wie ein deutscher Grüner - mir ist das alles hier viel zu viel Meinung, viel zu wenig analytische Tiefenschärfe!

    • @Toni Zweig:

      Der Artikel ist doch sehr genau analysiert und bringt es auf den Punkt!



      Wenn wir nicht die Bevölkerung mitnehmen, reißen wir die Klimaziele in jedem Fall, egal welche Anstrengungen vorher gemacht werden. Und die Verachtung für den Plebs, besonders aus der bürgerlichen und grünen Ecke, kann sich sehr schnell als Sargnagel der Demokratie herausstellen.



      Meistens schafft sich eine Demokratie selbst ab, durch Akzeptanzprobleme und dem Zulauf zu antidemokratischen Parteien.



      Da kann man vorher noch so sehr maximale Klimaprogramme aufstellen, wenn keiner mitmacht, ist es ein Phyrrussieg.