Die Wahrheit: Neues vom Bommelding
Eine neue Protestaktion der Letzten Generation. Wieder einmal am Flughafen. Was sollte es auch sonst sein, das da auf dem Handy gemeldet wird?
N eulich wurde ich von einer seltsamen Botschaft aus dem Schlaf gerissen. Mein Handy teilte mir mit, dass ein „Bommelding“ den Flughafen lahmgelegt hätte, von dem wir am selben Tag in die Ferien fliegen wollten. Spontan fiel mein Verdacht auf die Letzte Generation. Vielleicht wollten die Aktivisten endlich eine Agitationsform ausprobieren, die ihnen weniger Hass aus der Bevölkerung einbringt. Viele Deutsche sind ja noch immer Gelegenheitsflieger mit Resturlaub.
Nun konterten die Weltretter also mit kreativem Protest aus Wollresten und hatten ein Bommelding in fröhlichen Farben gehäkelt und auf eine Startbahn geschoben, wo es Umweltfeinde wie uns am Abheben hindern sollte – aber eben auf humorvolle und spielerische Art.
Das verstehe ich. Sowohl Anliegen als auch Änderung der Protestform. Ich hätte auch keine Lust, mich bei Lausekälte auf den nassen Asphalt zu tapezieren und mir die Gewaltfantasien von Urlaubern anzuhören, bis die Polizei mit dem Nagellackentferner kommt.
Der Winter ist hierzulande auch ohne Gewaltfantasien unerfreulich genug, deswegen hatten wir uns schließlich Flugscheine in den Süden gekauft. Dann kamen mir jedoch Zweifel. In der Grundschule habe ich im Werkunterricht oft Bommeldinger basteln müssen, denn es war die einzige Handarbeit, der ich mich gewachsen zeigte. Als Experte ahne ich, dass man für einen Pompom, mit dem man Passagiermaschinen aufhalten kann, zwei Pappringe von gut zwölf Metern Durchmesser und grob geschätzt 34 Überseecon-tainer an Wollfäden, aber eben auch eine Schere braucht.
Nun sind Pappe und Wolle nicht eben Gefahrengüter, aber eine Schere bekommt man nie und nimmer durch den Sicherheitscheck am Airport. Die muss man vorher am Schalter aufgeben, sodass man sie nicht zur Hand hat, wenn man auf dem Rollfeld die Schlaufen eines haushohen Bommels aufschneiden will, um den Flugverkehr lahmzulegen.
Womöglich steckten doch andere hinter dem monströsen Flughafen-Puschel. Ich zog in Erwägung, dass es sich um Außerirdische in ihren wollenen Untertassen handeln könnte, dann meldete sich mein Handy erneut: Die „onderzoek“ sei abgeschlossen, das „vliegveld“ wieder freigegeben.
Die Meldung war genau wie die erste in niederländischer Sprache verfasst, da wir von einem „luchthaven“ im Nachbarland abflogen. Die verwirrende Sprache unserer Nachbarn aber ist voll falscher Freunde, die uns durch den Zauberspiegel der verkehrten Bedeutung geradewegs in ein übergeschnapptes Paralleluniversum mit Bommeldingern führen. In der niederländischen Realität handelt es sich aber bloß um die Meldung („melding“) eines Explosivkörpers („bom“). Die sich zum Glück als falsch herausgestellt hatte. Wir konnten also wie geplant abfliegen. Ein bisschen enttäuscht war ich trotzdem.
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