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Straßennamen mit antisemitischem BezugUmbenennen, aber schön langsam

Ein Jahr nach dem Dossier zu Straßennamen mit Antisemitismus-Bezug ist erst wenig passiert. Immerhin Heinrich von Treitschke geht es an den Kragen.

Höchst umstritten, aber nicht akut gefährdet: Martin Luther auf einem Straßenschild in Schöneberg Foto: Christoph Soeder

Ein gutes Jahr ist es nun her, dass Samuel Salzborn, Ansprechpartner des Landes zu Antisemitismus, ein Dossier über antisemitische Bezüge von Berliner Straßennamen veröffentlichte. Das von ihm beauftragte Papier war das erste seiner Art, es zählt 290 Berliner Straßen, Wege und Plätze auf. Am Mittwoch lud Salzborn erneut in die Senatsjustizverwaltung ein, um eine vorläufige Bilanz der Effekte zu ziehen.

Das Dossier hatte verschiedene Stufen im Umgang mit Namen angeregt: von weiterer Forschung in unklaren Fällen über „digitale Kontextualisierung“ – durch Informationen im Netz – und „Kontextualisierung vor Ort“, etwa durch Zusatzschilder, bis zur Umbenennung in klaren Fällen. Im Anschluss an die Veröffentlichung habe er eine „intensive Debatte“ erlebt, die „natürlich auch kontrovers“ geführt worden sei, sagte Salzborn. Das sei aber in einer pluralen Stadtgesellschaft gar nicht anders zu erwarten.

Gemessen an der Fülle des Dossiers nimmt sich die bisherige Bilanz freilich recht bescheiden aus. Genau zwei Straßen – besser: Sträßchen – wurden umbenannt. Seit dem 17. Februar heißt der Maerckerweg in Lankwitz Maria-Rimkus-Weg. Rimkus hatte einer jüdischen Famile zur Flucht verholfen und wird in der Gedenkstätte Yad Vaschem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Ihr Name ersetzt den eines antisemitischen Freikorps-Chefs.

In Spandau gibt es den Elkartweg nicht mehr, benannt nach einem einstigen Stadtrat, der später die Zwangsumsiedelung von Juden in Hannover verantwortete. Die neue Namensgeberin Erna Koschwitz war in der Jugendwohlfahrt tätig, wie es heißt, die Umbenennung hatte eine jahrelange Vorgeschichte.

Aus für Treitschke

Dass zwei weitere Namen ihren Platz auf dem Straßenschild verlieren, ist zumindest beschlossene Sache: Neben der Robert-Rössle-Straße in Pankow – benannt nach einem Pathologen, der in den 40ern an Menschenversuchen beteiligt war – betrifft das mit der Steglitzer Treischkestraße einen prominenten Fall.

Der 1896 gestorbene Historiker, der als Mitbegründer des modernen politischen Antisemitismus gilt, sollte schon längst vom Stadtplan verschwinden. Vor der Wahl 2021 hatte das eine schwarz-grüne Zählgemeinschaft in der BVV verhindert, die sich auf eine AnwohnerInnen-Befragung berief. Ende 2022 forderte eine Ampel-Zählgemeinschaft das Bezirksamt auf, den Beteiligungsprozess für einen neuen Namen zu organisieren. Pikanterweise sind die Mehrheitsverhältnisse seit Februar wieder die alten.

Geprüft wird in Steglitz-Zehlendorf die Umbenennung des Rosenmeyerwegs und in Pankow die der Wackenbergstraße und der Beuthstraße. In Marzahn-Hellersdorf wurde ein BVV-Antrag von Linken, SPD und FDP zur Umbenennung von Arndt- und Roedernstraße zuletzt wegen der Wahlwiederholung vertagt.

Deutlich wurde am Mittwoch noch einmal, dass es nicht nur um „knallharte Antisemiten“ (Salzborn) geht, bei denen sich die Diskussion erübrigt, sondern oft um vielschichtige Personen, auch viele Künstler. Allerdings, so Salzborn, halte er es für eine „schwierige Position“, solche Figuren schonend zu behandeln, weil sie aufgrund ihrer Lebensdaten in keiner Verbindung zum NS-Regime standen. Viele von ihnen hätten die kulturellen Codes geschaffen, auf den die Nazis aufsattelten. „Sie sollten darum die gleiche Aufmerksamkeit erhalten.“

Keine Geschichtsvergessenheit

Schnell wird es jedenfalls auch jetzt nicht vorangehen, aber hoffentlich gründlich: Die Bezirke, in Berlin für Straßennamen zuständig, haben ihre Gedenktafel-Kommissionen mit der Prüfung beauftragt, und die 12 bezirklichen Museen haben ein Projekt gestartet, um die Debatte historisch aufzuarbeiten, wie Urte Evert vom Museum Zitadelle Spandau berichtete. Dort kuratiert sie die Ausstellung „Enthüllt“, die gestürzte und aus dem öffentlichen Raum verschwundene Denkmäler zeigt – ein Beispiel dafür, so Evert, dass das Verschwinden aus dem Stadtbild keinesfalls Geschichtsvergessenheit bedeute.

Im konkreten Fall der Schöneberger Martin-Luther-Straße, die im Übrigen fast direkt an der Justizverwaltung vorbeiführt, wo Salzborn sein Büro hat, verwies der Ansprechpartner des Senats auf Gespräche mit dem evangelischen Bischof Christian Stäblein. Der habe durchaus erkannt, dass Luthers zahlreiche Äußerungen gegen Juden „frappant“ seien, und sich für eine Kontextualisierung ausgeprochen.

Obwohl Salzborn nach eigener Aussage und auch aufgrund seiner eigenen Forschungstätigkeit den deutschen Reformator als klar antijüdisch und antisemitisch, ja „hochproblematisch“ einstuft, hielt er sich am Mittwoch mit Forderungen nach einer Umbenennung zurück. Er sehe, dass die Figur Luther für evangelische Christen eine andere Bedeutung habe. Am Ende entscheide der Bezirk. „Ich selbst würde mich in einem konkreten Fall nicht zu wichtig machen wollen“, sagte Salzborn.

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7 Kommentare

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  • ähnliches dürfte auch für die kolonialen straßennamen in B gelten - ist zumindest so in HH. die diversen schimmelmann-bezüge (dazu gehört auch kattunbleiche) sind immer noch nicht aufgearbeitet, geschweige denn die straßennamen geändert, trotz vieler aktionen (jokkinen z.b.)



    anti-semitismus, kolonialismus - gedeihen immer noch sehr gut in D-land.

    • @Brot&Rosen:

      Ja?

      Ich behaupte, dass 99 Prozent der Leute überhaupt keine Ahnung haben, wer Schimmelmann war.

      • @Suryo:

        wenn sie gewettet hätte, hätten sie wohl gewonnen. schimmelmann war zu seiner zeit durch sog. dreieckshandel der reichste mann der welt. seine porzellansammlung residiert im extra dafür gekauften ahrensburger wasserschloss. kein wort dazu auf der seite "Schlösser und herrenhäuser", stattdessen die kühne behautptung: "Noch heute zeugt die wertvolle Porzellan- und Gemäldesammlung im Renaissanceschloss Ahrensburg von der schleswig-holsteinischen Adelskultur um 1800."www.herrenhaeuser....ss-ahrensburg.html

        googeln hilft:



        www.startpage.com/...h&extVersion=1.3.0

        die wandsbeker cdu tat sich keinen gefallen, als sie eine schimmelmannbüste vor dem rathaus aufstellen ließ.



        die proteste der black community, aktionen von der künstlerin jokkinen und gisela walks wochenlange aktion "1-stunde-in-ketten-gegen-das -schimmelmann-denkmal" waren wirksam - es mußte entfernt werden

        • @Brot&Rosen:

          Fraglos hat Schimmelmann keine Ehrung verdient. Aber die Existenz einer nach ihm benannten Straße heißt - angesichts des Unwissens der meisten Menschen - eben noch nicht, dass im heutigen Deutschland Sklavenhandel in der Bevölkerung Rückhalt genießt.

          • @Suryo:

            natürlich genießt der sklavenhadel in der bevölkerung keinen rückhalt.



            es gibt einen arbeitskreis hamburg postkolonial.



            "Ein zentrales Anliegen des Arbeitskreises ist die umfassende Dekolonisierung des Hamburger Stadtraums und der Institutionen im Sinne der vom Deutschen Städtetag empfohlenen bundesweiten Resolutionen postkolonialer Initiaven von 2010 und 2018.



            (...)



            Nach unserem jahrelangen Engagement in Kooperation mit Communities der Schwarzen Menschen und People of Color ist es erstmals gelungen, den Hamburger Senat und die Bürgerschaft dazu zu bewegen, ein stadtweites, dekolonisierendes Konzept zu entwickeln. Hierfür wurde zu einem Runden Tisch zur Beteiligung der Zivilgesellschaft eingeladen. Der Beirat zur Dekolonisierung Hamburgs wird das städtische Erinnerungskonzept erarbeiten."



            www.hamburg-postko...de/willkommen.html

        • @Brot&Rosen:

          Vielleicht ermöglicht Ihnen der Dreiecks-Handel den Erwerb einer Umstelltaste.

          Es wäre zu wünschen.

          • @perebor:

            umstelltaste - es liegt nicht am willen sondern an den sehr arthritischen fingern und händen, sehr schmerhaft.



            wümsche ich ihnen nicht ...