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Vor dem EU-GipfelZitterpartie beim Streit in Brüssel

Bundesverkehrsminister Volker Wissing stellt sich quer beim Streit mit Brüssel. In Zukunft werden wohl auch E-Fuels weiter genutzt.

Radfahrer neben einem Mercedes mit Dieselantrieb Foto: Marijan Murat/dpa

Berlin taz | Nein, Volker Wissing scheint nicht nachzugeben beim Streit über das Verbrenner-Aus in der EU.

Der Bundesverkehrsminister und seine Partei, die FDP, hatten maßgeblich darauf gedrängt, dass in Zukunft auch die sogenannten E-Fuels weiter als Kraftstoffe für Autos genutzt werden können.

Vergangene Woche legte Wissing sogar noch nach.

Sein Ministerium schrieb der EU-Kommission einen Brief, diese antwortete prompt und schlug einen Kompromiss vor. Dieser scheint Wissing aber wohl nicht gänzlich zu gefallen.

Zumindest gibt es aus dem Bundesverkehrsministerium derzeit noch keine Zustimmung. Aber: auch keine offizielle Bestätigung dafür, dass der Minister den Vorschlag ablehnt, wie der Spiegel in Erfahrung gebracht haben will.

Die Gespräche seien weit fortgeschritten, „aber die Verfahren sind außerordentlich kompliziert und bedürfen einer sorgfältigen Prüfung von beiden Seiten“, hieß es von einem Sprecher aus dem Ministerium gegenüber der taz.

Für den zweitägigen EU-Gipfel, der am Donnerstag startet, dürfte das aber zu knapp sein, um den Streit noch vorher auszuräumen und zu einer verbindlichen Einigung kommen zu können.

E-Fuels durch die Hintertür

Wissing und sein Ministerium hatten in ihrem Brief gefordert, dass es künftig noch einen zusätzlichen Beschluss geben soll.

Die geplante finale Abstimmung zum Verbrenner-Aus solle unverändert abgesegnet werden. Aber am Ende würden Verbrenner mit ­E-Fuels nach 2035 trotzdem auf den Straßen zugelassen – quasi durch die Hintertür. Ein solcher sogenannter delegierter Rechtsakt gilt als juristisch umstritten.

Zudem wollte die EU-Kommission mit ihrem Beschluss – hin zur E-Wende – den Verkehr eigentlich klimafreundlicher gestalten. Als Teil ihres umfassenden EU-Klimaschutzprogramms – des Green Deals.

WissenschaftlerInnen sind sich nach wie vor durch die Bank weg einig, dass E-Fuels derzeit deutlich ineffizienter sind, als im Vergleich dazu mit der gleichen Strommenge in einem E-Auto auf der Straße zu fahren.

Ein Auto mit E-Fuels verbraucht in etwa fünf bis sechs mal so viel Strom wie ein E-Auto

Spricht man dieser Tage mit Ingenieuren, so hört man zwar, dass man zum derzeitigen Zeitpunkt nicht eindeutig sagen könne, welche Technologie nun in zehn oder zwanzig Jahren die Zukunft sei. „Im Prinzip sind beide Technologien erst mal gleichwertig“, meint Manfred Aigner gegenüber der taz, der Professor am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist.

Berechnungen von Klimainstituten, aber auch dem Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC) zeigen aber, dass der Wirkungsgrad von E-Fuels deutlich schlechter ist.

Ein Auto mit E-Fuels würde in etwa fünf bis sechs mal so viel Strom verbrauchen wie ein batterieelektrisches Fahrzeug für die gleiche Fahrleistung – so die Berechnungen etwa das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Aigner glaubt aber, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis der schlechtere Wirkungsgrad von E-Fuels ausgeräumt sei. Er geht davon aus, „dass spätestens bis zum Jahr 2050, die E-Fuels nahezu hundert Prozent klimaneutral seien.“

Wie viel Zeit aber bleibt für die auch von der FDP so oft angepriesene Technologieoffenheit?

Der Verkehrssektor hierzulande hat gerade zum wiederholten Male seine Klimaziele gerissen, wie die kürzlich vorgelegte Studie vom Bundesumweltamt (UBA) zeigt.

Wie viel Zeit bleibt für Technologieoffenheit?

Für viele Kenner der Auto­branche und auch Parteien wie die Grünen hätte das geplante Verbrenner-Aus in der EU zudem einen großen Schub nach vorne für die Elektromobilität bedeuten können.

Gerade in der Autoindustrie spielt die oft auch eigens lautstark eingeforderte Planungssicherheit eine große Rolle. Denn vom Zeitpunkt des ersten Entwurfs bis hin zu dem Moment, in dem ein neues Auto schließlich vom Band läuft, vergehen oft mehrere Jahre.

Laut Automobilexperten wie Stefan Bratzel zeigt sich eindrücklich bei den chinesischen E-Auto-Marktführern oder dem US-Autobauer Tesla, wie schnell die Industrie sein kann, wenn sie sich entscheidet, entweder Verbrenner oder E-Autos zu produzieren.

„Wenn man jetzt zu lange an anderen Technologien festhält, verliert man einfach den Anschluss an die E-Wende“, ist Bratzel überzeugt, wie er auf Anfrage der taz mitteilt.

Kompromiss bei Nutzung von E-Fuels scheint unausweichlich

Mittlerweile sind in der EU auch weitere Länder wie etwa Italien, Polen, Bulgarien oder Tschechien auf den Kurs von Wissing eingeschwenkt. Etliche der Verkehrsminister hatten sich bereits vergangene Woche in kleiner Runde in Straßburg miteinander getroffen und ihre Blockade-Haltung weiter verfestigt.

Das ursprüngliche Vorhaben, das bereits im Herbst von EU-Staaten und Europaparlament ausgehandelt wurde, ist deshalb derzeit nicht mehr mehrheitsfähig in Brüssel. Das macht den Kompromiss bei der Nutzung von E-Fuels unausweichlich.

Wenn beim EU-Gipfel keine Einigung in dem Streit zwischen Brüssel und Wissing gefunden werden kann, muss dieser wohl am Sonntag im Koalitionsausschuss weiter ausgetragen werden.

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11 Kommentare

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  • -Aigner glaubt aber, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis der schlechtere Wirkungsgrad von E-Fuels ausgeräumt sei. Er geht davon aus, „dass spätestens bis zum Jahr 2050, die E-Fuels nahezu hundert Prozent klimaneutral seien.“-



    Der zweite Satz scheint sich auf den ersten zu beziehe. Aber das die Klimaneutralität die Lösung für den extrem schlechten Wirkungsgrad sei ist doch völliger Unsinn. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

  • Importierte eFuels, klimaneutral erzeugt in Gegenden mit viel Wind und Sonne, sind besser fürs Klima als ein Elektroauto das mit lokal erzeugtem Kohlestrom geladen wird.



    Man sollte sich besser zuerst mit den haltlosen Versprechungen eines deutschen Kohleausstiegs beschäftigen.

    • @Descartes:

      Ja klar, insbesondere deshalb weil die Energieausbeute der Elektrizität ja nur knapp sieben mal größer ist als die des Wasserstoffs. Und Kohlekraftwerke weichen ja auch gar nicht den Erneuerbaren, i wo, davon redet in D kein Mensch...

  • Es ist und bleibt mir ein Rätsel wie irgendjemand diese Lobby-Interessengemeinschaft (aka FDP) überhaupt noch wählen kann. Außer den Interessen ihrer Lobby und -natürlich- ihren eigenen Pöstchen, Mandaten und ihrer Wichtigtuerei hat diese "Partei" nichts, gar nichts im Sinn. Staatstragend ist das nicht. Und Scholz? Der sagt nix, wie meist. Jedoch was soll er machen? Wissing feuern? Dann ist die Ampel am Ende. Aber die alte Tante SPD könnte sich doch mal bewegen? Der kesse Kevin scheint aber auch schon macht-korrumpiert zu sein und dem innerparteilichen Mainstream zu folgen: nix hören, nix sehen, nix sagen...

  • Ideologie-Streit



    Mit ist es völlig egal, wie ein Auto angetrieben wird, sofern die CO2 Bilanz die gleiche ist.



    Sollte es also in ein paar Jahren möglich sein, diese CO2-Bilanz mit e-fuel gleich gut hinzubekommen wie mit unserem jetzigen Strommix, so ist das gleichwertig.



    Wobei beim E-Auto immer so getan wird, also ob die alle mit Öko-Strom fahren. Fast alle fahren mit dem aktuellen Habeck-Frackinggas/Steinkohle/Öko- Strommix, sind also gar nicht sauberer.



    Technologieoffenheit statt Ideologiestreit ist angesagt.

    • @Rudi Hamm:

      So ein Quatsch. Efuels werden blos Nischen bedienen können, die für den Straßenverkehr völlig unbedeutend sind. Die angebliche Technologieoffenheit ist doch blos ein Täuschungsmanöver der FDP und hat nichts vortschrittliches im Sinn, sondern ist reine Profilierungsmasche. Und selbst im Text wird suggeriert, dass das Erreichen der CO2 Neutralität 2050 die Lösung für den extrem schlechten Wirkungsgrad wäre. Was aber nix miteinander zu tun hat. Die FDP täuscht hier alle und die TAZ spielt auch noch mit.

      • @Vollgut2000:

        Sie nennen meine Aussage Quatsch, ich die ihre eine bloße Unterstellung.



        In Brasilien fahren übrigens Millionen PKW mit Ethanol aus Zuckerrohr, zu 90% CO2-Neutral.

    • @Rudi Hamm:

      Es geht nicht um Ideologie sondern um Vernunft.



      Verbrenner brauchen viel mehr Teile als ein E-Autos.



      Von der CO2-Billanz sind sie immer schlechter, solange der Strom nicht 100% grün ist. Es wird viel mehr Strom benötigt um die E-Fuels (Fools) erstmal herzustellen.



      Bei 100% grünem Strom mag die CO2-Billanz dann zwar gleich sein. Der Verbrenner stößt aber auch noch Schadstoffe aus, auf die man gerne verzichten kann. Lärm produziert es auch noch.



      Und dann ist da noch die geringe Verfügbarkeit und der hohe Preis.



      Außerdem sind E-Fuels ja für größere Fahrzeuge zugelassen (Züge, Schiffe, Flugzeuge). Wo es noch Sinn macht, da die Akkus sonst zu schwer werden.



      Irgendwann ist eine Technologie am Ende. Dampfmaschinen und Pferdekutschen sind auch verschwunden.



      Daher sehe ich die Ideologie eher bei den Verbrennerbefürwortern.



      Technologietradition statt Technologieoffenheit.

      • @RonSlater:

        "Es geht um Vernunft" ?



        "Verbrenner brauchen viel mehr Teile als ein E-Autos."



        E-Autos brauchen viel mehr Kupfer und seltene Erden, welche meist fragwürdig abgebaut werden.



        Wenn E-Autos mit Strommix betrieben werden, sind sie auch nicht mehr umweltfreundlich.



        Mich stört die pauschale Anhimmelung des E-Autos (obwohl ich selbst eines fahre) als die Lösung aller Probleme. Wir haben nicht genug Öko-Strom für E-Autos, nicht genug Ladesäulen und reichlich unverschämte Preise pro kWh.



        Wer also e-fuels prinzipiell verteufelt muss auch erklären, woher PRAKTISCH der saubere Strom dafür herkommen soll, nicht nur theoretisch.

        • @Rudi Hamm:

          Die E-Fuels werden mit dem gleichen Strom hergestellt mit dem auch die E-Autos geladen werden. Nur ist der Stromverbrauch für die Herstellung noch viel höher.



          So ist der aktuelle Strommix eher ein Argument gegen E-Fuels.

    • @Rudi Hamm:

      "Fast alle fahren mit dem aktuellen Habeck-Frackinggas/Steinkohle/Öko- Strommix..."



      Wenn's nur so wäre. Es ist aber noch schlimmer: E-Autos verschlechtern den Strommix. Weil die Sonne keineswegs heller scheint und auch der Wind nicht stärker weht, wenn das E-Auto an der Wallbox hängt.



      Beispiel: Ein Stromnetz sei mit 100 kW belastet, davon seien 50 kW Ökostrom, der Rest "fossiler" Strom. Sie hängen Ihr E-Auto an die Wallbox und laden mit 7 kW; die Netzbelastung steigt auf 107 kW. Da die Ökostromleistung durch die Mehrbelastung nicht steigt, also immer noch 50 kW beträgt, geht die "fossile" Leistung auf 57 kW hoch, der Ökostromanteil fällt von 50 % auf 50/107 = 46,73 %... :-(