Schauspielerin Gwyneth Paltrow: Schluss mit toxischer „Wellness“
Die Königin des vermeintlichen Detoxings ist zurück: Schauspielerin Gwyneth Paltrow listet auf, was sie täglich isst. Ein gefährliches Vorbild.
D as Schöne an Social Media ist ja, dass es ermöglicht, Celebritys zu widersprechen. Ob wir wollen oder nicht, Stars sind für viele Vorbilder, und auch diejenigen, die glauben, damit nichts zu tun zu haben, können sich dem Einfluss der Unterhaltungsbranche kaum entziehen.
Früher war das alles oneway: Wir haben vom Lifestyle der Promis gehört, ohne die nötigen Ressourcen zu haben, ihn zu hinterfragen (ich spreche hier primär von Kindern und Jugendlichen). Dank der sozialen Medien können jetzt Expert*innen und Betroffene direkt darauf reagieren und diesen Lifestyle in einen Kontext stellen.
Vor wenigen Tagen war Gwyneth Paltrow zu Gast im Podcast „The Art of Being Well“, und zwei Ausschnitte aus dem Interview zirkulierten sofort auf Tiktok (und später den anderen Plattformen). Sie listet auf, was sie täglich zu sich nimmt: Bis 12 Uhr mittags nichts, dann Kaffee, später Fleischbrühe, zum Abendessen Gemüse, dazwischen natürlich Sport. Sie spricht davon, dass sie Detox macht, aber wovon will sie denn detoxen, wenn sie nichts zu sich nimmt?!
In einem zweiten Clip erzählt sie, was für Ersatzmittel und Vitamine sie sich gerade intravenös verabreicht – der Großteil davon wäre komplett unnötig, wenn sie sich halbwegs anständig ernähren würde. Es scheint mir überflüssig, es explizit sagen zu müssen, aber: Das ist nicht gesund, es ist sogar sehr, sehr ungesund.
Magersein um jeden Preis?
Ich reihe mich ein bei denjenigen, die die Ferndiagnose wagen: Das, was Gwyneth Paltrow beschreibt, klingt nach einer Essstörung. Schlimm genug, dass sie dieses harte Regiment ihrem eigenen Körper antut. Viel schlimmer aber, dass sie gerade jetzt, da Size Zero wieder da ist und die Body-Positivity-Bewegung begraben scheint, mit diesem Ernährungsplan um die Ecke kommt und Millionen Menschen, vor allem junge Frauen, beeinflussen kann.
Das Schlimmste ist, wie sehr Paltrow diese toxische „Wellness“ kapitalisiert. Ihr 2008 gegründetes Unternehmen Goop ist 250 Millionen US-Dollar schwer. Goop wurde wegen Pseudowissenschaft, Falschaussagen und ungesunder Produkte übrigens mehrfach kritisiert und angeklagt. Mein „Lieblings“-Fun-Fact ist, dass Paltrow ihr Magazin einstellen ließ, weil sie nicht damit einverstanden war, dass die Aussagen in den Artikeln einer Faktenprüfung unterzogen wurden.
Zum Glück gab es gegen Paltrow jetzt einigen Backlash. Ich kann nicht glauben, dass wir zurück sind an dem Punkt, den wir langsam überwunden glaubten: dass Magersein um jeden Preis, dass Essstörungen unter dem Deckmantel vermeintlicher „Wellness“ erneut propagiert werden.
Diejenigen, die zu Y2K-Zeiten jung waren und sich an sich diese toxische Kultur erinnern, schaffen es dank Social Media hoffentlich, die aktuell Jungen und Beeinflussbaren zu erreichen, damit dieser Teufelskreis irgendwann gebrochen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin