Körper-Performance bei DJ-Streams: Das Recht auf Hässlichkeit

Immer mehr DJ-Sets werden gestreamt. Die Sets vieler FLINTA-DJs sind oft mode- und körperfixiert. Das ist ok, sollte aber kein Allgemeinanspruch sein.

Diskolicht

Der Weg in die Transzendenz sollte sich gut anfühlen Foto: Hots Viktoriia/imago

Wer erinnert sich an das Unwort „DJane“? I know, voll Y2K. Die weibliche Genderung des neu­tra­len Akronyms für „Disc Jockey“ war keine feministische Sprachpolitik, um in einer männlich dominierten Branche für weibliche Sichtbarkeit zu sorgen, sondern ein sexistischer Move, der weibliche DJs als abweichend markiert.

Die Bildersuche nach dem Begriff führt zu angeblitzten Fotos von schlanken Frauen mit langen Haaren in knappen Outfits und sexy Posen, die an Plattentellern herumspielen. Ihre Mixing-Skills lassen sich auf Bildern nicht einschätzen, es scheint jedoch egal.

In erster Linie sollen sie gut aussehen, sich zur Musik bewegen, für gute Stimmung sorgen. Bei der Suche nach „DJ“ erscheinen vorwiegend hochkonzentrierte Typen, die so busy mit der Technik sind, dass ihr Äußeres egal ist.

Mittlerweile sprechen wir einheitlich von „DJ“. Auch der „DJane“-Look war eine Zeit lang passé, manche weibliche oder nichtbinäre DJs traten in schlabberigen Shirts und Jogginghosen auf, andere in Stripper-Outfits – je nach Gusto. Der Fokus lag auf den Fähigkeiten. Diese Errungenschaft steht wieder auf der Kippe.

Ein High folgt dem anderen

Spätestens seit Pandemiebeginn sind gefilmte und gestreamte DJ-Sets die neue Norm geworden. Dabei sind es eher Visitenkarten als Alltag: Wie die britische DJ Jyoty auf Instagram schrieb, sind gefilmte DJ-Sets wie Pornos vs. Real-Life-Sex. Sie sind kürzer als ein durchschnittliches Set und kondensierter. Ein High folgt dem anderen.

Ich beobachte eine ästhetische Gemeinsamkeit zwischen diesen beiden Videogenres: die Körperlichkeit. In den gefilmten Sets von FLINTA*-DJs, die mir der Algorithmus auf den Feed spült, legen vorrangig schlanke, körperbetont gekleidete und tanzende Personen auf, die nicht nur fire Musik spielen, sondern auch eine fire Performance hinlegen.

Dicke oder trans DJs sollen sich dabei noch mehr ins Zeug legen, um ihre Abweichungen von der Norm mit noch mehr Sexappeal und Hyperfemininität zu kompensieren. Das Servieren von Eye Candy ist part of the package.

Dass einige DJs Bock darauf haben, ist nicht antiemanzipatorisch – die Erwartungshaltung, es sei Standard, schon. Wer fühlt sich wohl mit dieser Körperfixierung? Wer kann und wer will beim Auflegen den Male Gaze bedienen? Und nebenbei das Y2K-Comeback der Skinny-Obsession befeuern?

Weg in die Transzendenz

Mode und Tanz können Teil künstlerischen Ausdrucks von DJs sein, doch sie dürfen niemals als Anspruch an jene gestellt werden, die ohnehin auf ihr Aussehen reduziert und danach bewertet werden. Für manche besteht die Freiheit an den Decks darin, in eine neue Rolle zu schlüpfen und anders zu performen als im Alltag, für andere darin, unsichtbar und nur auditiv wahrnehmbar zu sein.

FLINTA*-DJs haben genauso das Recht auf Hässlichkeit wie cis männliche. Der Weg in die Transzendenz verläuft nicht immer gleich, doch er sollte sich immer gut anfühlen.

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Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.

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