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Entscheidungspraxis im FamilienrechtMutter-Kind-Bindung wird zerstört

Obwohl das „PAS-Sydrom“ lange als widerlegt gilt, hält sich die Idee, dass Mütter ihr Kind manipulieren. Das richte Schaden an, warnen ForscherInnen.

Objekte „professioneller Intervention“, wenn der Kontakt zum Vater nicht klappt: Mutter und Kind Foto: Angelika Warmuth/dpa

Hamburg taz | Annette W. ist verzweifelt. Gerade erfuhr sie, dass sie ihre jüngere Tochter für zwei Jahre nicht sehen darf. Ihr selber drohen 30 Tage Haft, weil ihre ältere Tochter bei ihr lebt, obwohl sie das Sorgerecht verlor. Geht es nach dem Oberlandesgericht (OLG) Celle, soll die Elfjährige wie die jüngere Tochter zum Vater oder in ein Heim.

Was treibt Richter zu solchen Entscheidungen? Die Soziologin Christina Mundlos sagt, dies sei kein Einzelfall. Ihr liegen 16 ähnliche Fälle des OLG Celle vor. Oftmals sei Gewalt ignoriert worden. Mundlos vermutet die Gesinnung der Richter könnte Ursache sein und fordert in einer Petition vom Niedersächsichen Landtag eine Untersuchungskommission.

Doch dass Mütter von ihren Kindern ohne wichtigen Grund getrennt werden, passiert laut einer Studie des Soziologen Wolfgang Hammer aus dem April 2022 bundesweit. An ihn wandten sich seit 2013 hunderte Alleinerziehende, die von ihren Kindern getrennt wurden.

Bei 90 Prozent wurde deren „mangelnde Erziehungsfähigkeit“ mit einer „zu engen Mutter-Kind-Bindung“ begründet. Das sei aber kein Grund für eine Kindeswegnahme, sagt Hammer, der früher selber leitend in der Jugendhilfe tätig war.

Eine neue Doktrin der Jugendämter

Im Fall von Annette W. war das Problem, dass die Eltern ein „Wechselmodell“ versuchen sollten. Nachdem die Übergabe der Töchter nicht klappte, eskalierte der Fall. Der Vater erhielt das Sorgerecht. Die Kinder wurden sogar mit der Polizei geholt.

Dass der Staat in solchen Fällen interveniert, dahinter steckt laut Hammer das Narrativ, dass nur eine 50:50-Aufteilung der Betreuungszeit Kinder gesund aufwachsen lasse. Die gute und wichtige Gleichberechtigung von Mann und Frau werde im Familienrecht „zu Lasten der Kinder missbräuchlich angewandt“, so Hammer. Und wollten die Kinder nicht wechseln, bekäme die Mutter die Schuld.

Dahinter steckt die PAS-Theorie. 1985 beschrieb der amerikanische Kinderpsychiater Richard A. Gardner unter dem Begriff „Parental Alienation Syndrom“ das Verhalten von Kindern, die ihre Väter nicht mehr sehen wollten. Er führte es auf manipulierende Mütter zurück. Doch obwohl die Theorie als widerlegt gilt und „PAS“ keine offizielle Diagnose ist, hat sie sich nach Hammers Analyse zu einer „Doktrin“ in Aus- und Fortbildung bei Jugendamt und Gericht entwickelt.

Hammer erntet Gegenwind: Der „Väteraufbruch für Kinder“ wirft ihm vor, er mache Stimmung gegen Väter und verweist darauf, dass bei Trennungen immer noch meistens die Mutter das Sorgerecht erhält. Der Verein widmete der Hammer-Studie eine eigne „Analyse“. Dort führt er aus, dass es sich bei „Parental Alienation“ zwar nicht um ein Syndrom, also eine Krankheit, handle, wohl aber um „elterliche Verhaltensweisen“, die „schädigende Auswirkungen auf Kinder“ hätten.

„Väteraufbruch“ reagiert mit eigener Analyse

Statt „PAS“ nennt er dies nun „Eltern-Kind-Entfremdung“. Charakterisch sei, dass sich die Ablehnung eines Elternteils nicht auf „objektivierbare Umstände“ zurückführen ließe, sondern letztlich nur „zielstrebige Manipulation“ oder „unbewusste Beeinflussung“.

Bestätigung findet der Väteraufbruch in einem im Juli 2022 erschienenen Artikel in der „Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe“ (ZJK). Darin äußern sich der Sozialwissenschaftler Menno Baumann und vier weitere Autoren „Zur Notwendigkeit professioneller Intervention“, bei eben jener „Eltern-Kind-Entfremdung“.

Der Artikel nennt es eine „spezifische Form von psychischer Kindesmisshandlung“, wenn durch die Hauptbetreuungsperson die Entfremdung zum anderen Elternteil durch „Suggestion, Instrumentalisierung und Aufrechterhaltung der Konfliktspannung“ vorangetrieben werde. Der Staat wäre verpflichtet, zu intervenieren. Jugendamt, Familienberatung und -gericht müssten hier eng kooperieren und könnten sich nicht auf Freiwilligkeit beschränken. Und schließlich komme bei „schwerer Entfremdung“ auch ein „Obhuts- wie auch Sorgerechtswechsel“ zum anderen Elternteil in Betracht.

Die Autoren schreiben, dass entfremdete Kinder ihr Leben lang eine „Hochrisikogruppe“ für psychische Erkrankungen bildeten. Bloßes Abwarten, dass sich eine gestörte Beziehung von allein wieder verbessere, sei meist keine Option.

Gesundheit durch Heimaufenthalt verschlechtert

Ist es also so gravierend, wenn Kinder ihren Vater nicht sehen möchten, dass es rechtfertigt, Kinder von ihren Müttern zu trennen? Die Autoren erwähnen zumindest, dass so eine Trennung von der Mutter die Gefahr einer „sekundären Kindeswohlgefährdung“ in sich berge.

Die Celler OLG-Richter bremst das nicht. Sie stellen sich in ihrem jüngsten Beschluss vor, dass Annette W.’s Tochter in eine stationäre Einrichtung kommt, wo sie von ihrer Mutter-Beeinflussung kuriert wird, sollte sie nicht zum Vater wollen.

Wolfgang Hammer kennt davon betroffene Kinder. Er hatte bereits 2019 für eine erste Fallstudie Akten von 42 Kindern analysiert, die wegen enger Mutter-Bindung ins Heim kamen. Bei den meisten hatten sich Gesundheit und Schulleistungen verschlechtert, allein 17 entwickelten eine Adipositas, andere nahmen Drogen oder wurden aggressiv. Für Hammer war unverständlich, warum diese Kinder im Heim waren, da weder Gewalt noch Vernachlässigung vorlag.

Doch das Konzept, sogenannte PAS-Kinder zunächst in eine Einrichtung zu geben, hatten zwei deutsche Psychologen schon im Jahr 2002 unter dem Titel „Intervention beim Kind: ‚Modell Norderney‘“ entwickelt. Dabei ginge es darum, den Betreuenden „vorübergehend aus der kindlichen Lebenswelt auszugrenzen“.

Die Mutter-Kind-Bindung zerstört

Der Hamburger Anwalt Peter Hoffmann fand Hinweise darauf, dass es das Konzept, ein Kind, das den Vater ablehnt, der Mutter zu entziehen und an einem „neutralen“ Ort unterzubringen, schon in der Zeit des Nationalsozialismus gab. So wurde es 1939 beschrieben in der „Zeitschrift für angewandte Psychologie und Charakterkunde“ von der Psychologie-Professorin Hildegard Hetzer. Ein Mädchen wurde dort von der Mutter getrennt und nach zwei Jahren in einer Pflegestelle dem Vater zugeführt.

„Der Text beinhaltet einen aggressiven, sadistischen Unterton“, sagt Hoffmann. „Als 'Erfolg’ wird verbucht, wenn das Kind aufgibt.“ Die Mutter-Kind-Bindung werde so zerstört. „In einigen heutigen Fällen lesen sich die Abläufe, als wäre das Muster von 1939 übernommen worden.“

In einigen heutigen Fällen lesen sich die Abläufe, als wäre das Muster von 1939 übernommen worden

Peter Hoffmann, Hamburger Rechtsanwalt

Hoffmann ist Fachanwalt für Familienrecht, ist spezialisiert auf Kindschaftsrecht und hat seit einigen Jahren deutlich zunehmend Fälle, in denen Müttern angelastet wird, dass das Kind den Kontakt zum Vater verweigert. „Die Kinder leben nun mal meistens bei den Müttern. Ihnen wird dann unterstellt, sie wären ‚nicht bindungstolerant‘ und sie verlieren das Sorgerecht“, berichtet er.

Dabei seien oft nicht Loyalitätskonflikte das Problem, sondern zum Teil Gewalt und Missbrauch. Er verweist auf einen Artikel „Mütter als Anzeigenerstatterinnen bei Verdacht auf Kindesmissbrauch“, dem zufolge in den USA bei häuslicher Gewalt Mütter in 63 Prozent das Sorgerecht an den Vater verloren, wenn ihnen vorgeworfen wurde, das Kind vom Vater entfremdet zu haben.

Entfremdung als Begriff nicht passend

Der Streit um PAS ist über 20 Jahre alt. Dass die Theorie jetzt unter dem Titel „Eltern-Kind-Entfremdung“ weiter wirkt, stößt auf Widerspruch bei dem bedeutenden Teil der Fachwelt. „Verdorbener Wein in neuen Schläuchen“, nennen die fünf Psychologen Janin Zimmermann, Jörg Fichtner, Sabine Walper, Ulrike Lux und Heinz Kindler ihre Replik auf Baumann & Co in der aktuellen Ausgabe der ZKJ.

Schon der Begriff der „Entfremdung“ sei aus den Sozialwissenschaften weitgehend verschwunden. Aus dem Naturrecht stammende gesetzliche Vermutungen, etwa dass es dem Kindeswohl dient, zu beiden Eltern Kontakt zu haben, könnten von den Sozialwissenschaften „nicht einfach übernommen werden“. Passender wäre von „Kontaktproblemen“ zu reden.

Tatsächlich beschäftige sich die Sozialwissenschaft schon lange damit, „ob und wie“ sich die Abwesenheit eines Elternteils auswirkt. Diese Einbettung fehle in dem anderen Text. Dadurch entstünde ein verzerrter, manchmal auch „falscher Eindruck des Diskussionsstands“.

So versäumten es die Autoren zum Beispiel, auf die Gründe eines Kontaktabbruchs einzugehen. Auch sei wechselseitige Ablehnung und einvernehmlicher Kontaktabbruch zwischen Elternteil und Kind noch kein Grund für Gerichte oder Beratungsstellen zu handeln, solange nicht Weiteres hinzu käme, wie etwa „erhebliches Leid auf zumindest einer Seite“.

Auch Kinder haben Gründe für Kontakt-Abbruch

Gründe für einen Kontaktabbruch könne es viele geben, etwa einen „Ermüdungsbruch“ in der Beziehung zwischen Kind und getrennt lebendem Elternteil oder Umgangsweigerung aus „kindlichem Protest“ gegen dessen Verhalten. Aus den Befunden ergebe sich, dass es nicht sinnvoll sei, nur einen Faktor – wie die Beeinflussung durch ein Elternteil – in den Mittelpunkt zu rücken, nötig sei ein „multifaktorieller Ansatz“.

Ein Problem der Veröffentlichungen von PAS-Vertretern seien „Überdrehungen der Befundlagen“ zu den negativen Folgen für die Kinder. Etwa zu behaupten, sie seien ihr Leben lang „Hochrisikogruppe“ für psychische Erkrankungen. Das sei bei psychisch gesunden Kindern „fachlich nicht haltbar“. Tatsächlich zeigten Meta-Analysen beim Vergleich von Trennungskindern nur „schwache negative statistische Effekte“ bei fehlenden oder seltenen Kontakt.

Die Autorengruppe um Walper und Kindler hinterfragt ferner die „Umplatzierung eines Kindes“ als Intervention, so wie es das OLG-Celle plante. Zu sagen, dass dies eine wirksame Methode sei, wäre angesichts der Studienlage sehr irreführend. Insgesamt dürfte die Zahl der Fälle, wo die Trennung von der Hauptbezugsperson im Zusammenhang mit Entfremdung mehr Nutzen als Schaden bringt, „sehr niedrig sein“, sagt Co-Autor Jörg Fichtner. Für eine Kindeswohlgefährdung gälten „strengere Kriterien“ als eine vermutete oder erkennbare Entfremdung.

Nötig wäre mehr Forschung. Schon jetzt ließen sich allerdings viele Unsicherheiten durch verbesserte diagnostische Instrumente reduzieren. In jedem Fall aber schere das PAS-Konzept sehr unterschiedliche Konstellationen „über einen Kamm“ und lege vielfach „fehlgeleitete juristische Entscheidungen“ nahe. So müsse gefragt werden, in welchen Fällen Jugendämter, Beratungsstellen und Familiengerichte verpflichtet sind, „bindungserhaltend“ einzugreifen, und in welchen Fällen der Kontaktverlust das „geringere Übel“ sei. Das Konzept der „Eltern-Kind-Entfremdung“ stelle die Frage gar nicht erst, und sei deshalb „endgültig ad acta zu legen“.

Für Wolfgang Hammer ist nun klar, „dass die Politik an dem Thema nicht mehr vorbei kann“. Anette W. hilft das noch nicht. Wie berichtet, soll sie für 30 Tage in Haft, als Sanktion, weil sie nicht aktiv dafür sorgte, dass ihre Tochter in den Haushalt des Vaters zurückkehrt. Diese Sanktion ist erst seit einer Reform von 2009 möglich, vor der Frauenverbände seinerzeit warnten, da es unsinnig sei, die Hauptbezugsperson des Kindes einzusperren.

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13 Kommentare

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  • „Obwohl das „PAS-Sydrom“ lange als widerlegt gilt“

    Ich bin weder Arzt noch Jurist, lese aus den zitierten Quellen aber nicht dass das Phänomen in einem breiten wissenschaftlichen Konsens widerlegt ist. So wie ich es verstehe ist lediglich die Einordnung als Krankheit widerlegt. Dass es dem Kindeswohl wenig zuträglich ist wenn z.B. ich als Vater unserer Tochter beim Umgang jedes Mal erzähle: „deine Mutter ist ein Unmensch und will dir eigentlich nur Böses“. Ich finde es sehr einfach dem ehemaligen Partner auf diese Weise eins auszuwischen und verstehe nicht warum derartiges verhalten nicht mit der gebotenen Härte vom familiengericht sanktioniert werden sollte.

  • Im Artikel mit dem Titel "Mutter-Kind-Bindung wird zerstört" schreiben Sie: "Aus dem Naturrecht stammende gesetzliche Vermutungen, etwa dass es dem Kindeswohl dient, zu beiden Eltern Kontakt zu haben, könnten von den Sozialwissenschaften „nicht einfach übernommen werden“. Passender wäre von „Kontaktproblemen“ zu reden." Bindung zerstört klingt im Kontext der Argumente im Artikel ironischerweise nach einem solchen aus dem Naturrecht stammenden Konzept. Es sei denn, es geht um den "langen Schatten der deutschen Mutter" als Axiom (s. dazu die Arbeit sowie die feministisch inspierierte Kritik von Prof. Barbara Vinken)

  • Mir fehlt hier immer, die Sicht des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen. Von Gewaltanwendung durch den sorgeberechtigten Elternteil einmal abgesehen, traumatisiert es Kinder bis zu einem gewissen Alter bereits nachhaltig, wenn sie erleben müssen, dass mehrfach Fremde in den engsten Bereich der Familie eindringen, den sorgeberechtigten Elternteil bewerten, monate- bis jahrelang Unruhe und Unsicherheit herrschen, die Eltern sich vor (offenkundig mächtigen) Fremden streiten etc. Ein solches Sorgerechtsverfahren wegen eines bloßen Umgangsrechts ohne Anhaltspunkte für Missbrauch zu führen, ist verantwortungslos von den klagenden Eltern, es so häufig zuzulassen, ein Versagen des Justizsystems.

  • Bei der eigen PASenden Mutter, ob es das nun gibt oder nicht, ist ein Kind immer noch besser aufgehoben, als im Kinderknast.

    Zum Hamburger Rechtsanwalt Peter Hoffmann, „In einigen heutigen Fällen lesen sich die Abläufe, als wäre das Muster von 1939 übernommen worden“, das finden wohl auch die meisten Betroffen, in dem Glauben, nur ein Einzelfall zu sein.

  • Endlich wird diese Handhabe, die unendlich viel Leid verursacht, mit Nachdruck kritisiert. Die gerichte müssen sich dieser Kritik endlich stellen.

  • Natürlich wird einem Elternteil nicht das Kind weggenommen, weil dieses keine Lust hat den anderen Elternteil zu besuchen. Der Artikel gibt leider den Sachverhalt nicht richtig wieder. In Streitfällen entscheiden die Gerichte über den Umgang und hier werden das Jugendamt, der Verfahrensbeistand, Psychologen und insbesondere das Kind angehört. Wenn das Gericht dann das Umgangsrecht regelt, gibt es bei Verstößen ein Zwangsgeld und im Falle der Nichtzahlung Zwangshaft. Die bloße Behauptung, das Kind wolle nicht zum anderen Elternteil reicht verständlicherweise nicht aus, um das gerichtlich festgelegte Umgangsrecht zu vereiteln. Wer den Umgang des anderen Elternteils wiederholt verhindert, riskiert den Entzug des Sorgerechts. Das alles hat mit Ideologie nichts zu tun, sondern mit der Durchsetzung von gerichtlichen Entscheidungen. Schade dass dies hier anders dargestellt wird. Guter Journalismus geht anders ...

    • @Christoph Ebert:

      Ihre Annahme ist leider falsch, ich kenne persönlich derartige Fälle. Es wurde exakt nach dem Prinzipien gearbeitet, die im Artikel dargestellt werden.

    • @Christoph Ebert:

      Das kann ich als langjähriger Mitarbeiter im ASD und nebenberuflicher Verfahrensbeistand so bestätigen.



      Hier wird sehr einseitig ein Fall vorgestellt, in welchem die Mutter als Opfer dient.



      Nach meiner Erfahrung haben wir es mit immer mehr psychisch kranken Eltern zu tun. Also auch immer öfter mit Müttern, die ihre Kinder aufgrund hoher eigener psychischer Belastung dem anderen Elternteil vorenthalten. Der ehemalige Partner wird dabei regelmäßig verteufelt und die Kinder dienen als Mittel, den anderen unter Druck zu setzen.



      Der beschriebene Fall ist kein Einzelfall, aus meiner Sicht ist das Problem für die Kinder, die sind hier immer Opfer, wesentlich differenzierter zu betrachten.

  • Mir ist es als getrennt von der Mutter lebender Vater gelungen mein Kind 14 Jahre lang alle 3 Wochen regelmässig am Wochenende zu sehen bei einer Distanz von fast 600 km. Allein diesen Rhythmus familiengerichtlich herbeizuführen hat viel Zeit gekostet.



    Nach 14 Jahren war es dann soweit, dass es zu einem PAS gekommen ist, aufgrund von konstanten Verleumdungen durch die Mutter. Irgendwann hat die negative Saat etwas im Kind bewirkt, dass zu einem Bruch geführt hat.



    So mag mein Fall invertiert erscheinen zum vorliegenden Artikel, die Konsequenzen sind die gleichen.



    Dass es zu einem derart abrupten Kontaktabbruch überhaupt kommen kann, hätte ich nicht für möglich gehalten - gerade bei langjährigem engen Kontakt.



    Eine Sanktion wie im Artikel berichtet - Fehlanzeige. Ich weiss bis heute nicht was über mich erzählt wurde in der Absicht einen Keil zwischen mich und mein Kind zu treiben.



    Mir hat in dem Bericht eine Quantifizierung oder Schätzung gefehlt, wieviele Fälle von PAS jährlich auftreten. Mir scheint das ein grosses schweigendes Thema zu sein.

  • Das Problem eskaliert, wenn das Gericht seine Regelungen nicht durchgesetzt bekommt.

    Das Gericht kommt sowieso erst ins Spiel, wenn es ein hohes Konfliktniveau gibt.

    Da kann man natürlich fragen, warum ist das so, warum entsteht das überhaupt. Zum einen kann es sein, dass die Eltern auch materielle Trennungskonflikte austragen, dass Probleme aus der Beziehung übrig blieben und ein Teil damit nicht zurecht kommt. Es kann auch andere Themen oder Linien geben, aber am Ende steht ein Richter da und muss entscheiden.

    Und die Richter im FamG stellen oft keinen Sachstand her, sie übernehmen sehr kurze, verkürzte Statements vom Jugendamt oder Verfahrensbeistand und nehmen die dann als Expertengutachten bzw. als Expertensicht. Ein Familienrichter hat leider kaum Zeit, selber etwas zu hinterfragen.

    Die Verfahren selber sind auch nicht auf Sachlichkeit ausgerichtet, sondern auf das Familiensystem mit dem Kind im Mittelpunkt. Das Kind hat Recht auf Vater und Mutter, sobald das länger kriselt, nicht zu Stande kommt und bei Gericht verhandelt wird, landet der Richter auf der Entscheidungsebene.

    Wenn die Dinge dann immer noch nicht klappen, dann kommen Zwangsgelder und Hard-Core-Lösungen. Und da werden die Mütter und Väter in der Regel eine antagonistische Sicht einnehmen, ihre Verbände auch.



    Alle haben eigentlich gute Gründe, unzufrieden zu sein. Es gibt kaum FamG-Entscheidungen, wo Väter die Betreuung übernehmen. Es gibt dann danach oft böses Blut, weil die Väter zahlen müssen und manchmal die Mütter sogar noch damit unzufrieden sind. Wenn dann Mütter auf die Negativseite rutschen und unterliegen, wehren sie sich und können oftmals auch Unterstützung dafür finden. Hier geht es jetzt um Frauen, es könnte fast der gleiche Text für Männer geschrieben werden.



    Das ist die eigentliche Tragödie.

    Wenn es konfliktreich wird, verlieren die Kinder, aber die können sich dagegen schlecht wehren.

    • @Andreas_2020:

      Umso wichtiger, dass Politik, Jugendämter und Richter sich auf Grundlagen einigen, die nicht auf Polemik oder Vorurteilen beruhen.



      Es kann doch nicht sein, dass dem Kind gesagt wird: Wenn du jetzt nicht zu Papa gehst, kommt Mama in den Knast. Oder umgekehrt.

      • @Herma Huhn:

        Anstandslose Zustimmung!

      • @Herma Huhn:

        Unser Rechtssystem bietet diese Lösungen an, wohlgemerkt, das kommt in extremer Weise am Schluss. Das ist keine Sache, die ständig passiert. Es ist aber tatsächlich auch so, dass so ein Mensch eine richterliche Entscheidung nicht akzeptiert und immer wieder torpediert. Vom Ergebnis - da bin ich mit der Autorin einig - trotzdem eine Katastrophe, weil das niemanden was nützt.