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Kampagne für Berlins Klima-EntscheidKaffee, Kuchen, Euphorie

Mit einem besonderen Event macht sich die Kampagne für den Klima-Volksentscheid Mut für den Endpurt. Dabei stehen ihre Chancen sehr gut.

Bei der Demo auf dem Nollendorfplatz gab's auch Kuchen to go fürs Klima Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Bei der Frage, was gutes Wetter ist, kommt es immer auf den Kontext an. Knackige Kälte Anfang März und ein bisschen Schneefall: Aus Sicht derer, die die Erwärmung der Erdatmosphäre umtreibt, wäre das eigentlich zu begrüßen – aber ist es das perfekte Setting, um die heiße Phase der Klimavolksentscheid-Kampagne einzuläuten?

Wie auch immer, Wetter ist nicht Klima, und spätestens als am Samstagnachmittag die Sonne über dem Nollendorfplatz durch die Wolken bricht, wechselt die Stimmung der rund 300 AktivistInnen, die sich dort versammelt haben, von „gut“ zu „euphorisch“. Die Brass Band spielt eine Ska-Version von „Sweet Dreams“, auf Biertischen stehen massenhaft selbstgebackener Kuchen, Zimtschnecken und Cookies bereit, und dann wird noch per Drohne ein Luftbild von der jubelnden Menge in roten Warnwesten gemacht.

„Kaffee, Kuchen, Volksentscheid“ hat die Initiative Klimaneustart Berlin das Straßenevent genannt, und mehr als eine Demo ist es ein Familientreffen der Szene, mit dem sie sich noch einmal versichert, dass es klappen wird am 26. März. Da öffnen die Wahllokale erneut, diesmal wird über den Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“ abgestimmt. Es geht um ein Gesetz, welches das Aus für den größten Teil der Berliner CO2-Emissionen um 15 Jahre vorzieht und dabei verpflichtend macht.

„Wenn ich euch hier sehe, ist das absolute Gänsehaut!“, ruft Klimaneustart-Sprecher Stefan Zimmer von der kleinen Bühne. Noch vor zwei Jahren habe er es eigentlich nicht für möglich gehalten, dass es wirklich etwas werden könne mit dem Volksentscheid, aber dann hätten die AktivistInnen Unmengen an „Energie und Herzblut“ in die Kampagne gesteckt. „Wenn wir jetzt noch mal zwei Wochen richtig in die Pedale treten, dann kriegen wir das hin!“

taz-Talk zum Klimaentscheid

Am 26. März stimmen die Ber­li­ne­r:in­nen darüber ab, ob die Stadt bis 2030 klimaneutral werden muss. Ist das überhaupt machbar? Und was heißt das für die künftige Politik und einen möglichen schwarz-roten Senat? Darüber diskutieren am Dienstag, 14. März, in der Kantine der taz Jessamine Davis, Sprecherin der Initiative Klimaneustart Berlin, Danny Freymark, Sprecher der CDU-Fraktion für Klima- und Umweltschutz, und Werner Graf, Fraktionschef der Berliner Grünen. Moderiert wird die Veranstaltung von taz Berlin-Leiter Bert Schulz. Beginn 19 Uhr, Eintritt frei, zusätzlicher Livestream auf dem Youtube-Kanal der taz. Alle Details hier.

Die Chancen stehen gut

Tatsächlich stehen die Chancen gut, dass das Gesetz bald beschlossene Sache sein wird. Zwar hat die Initiative selbst gerade die Ergebnisse einer Civey-Umfrage veröffentlicht, nach denen 46 Prozent der BerlinerInnen die Ziele des Volksentscheids unterstützen – 42 Prozent waren dagegen, der Rest unentschlossen. Für „Klimaneustart Berlin“ ist das jedoch nur eine Momentaufnahme, denn: „Zum Zeitpunkt derBefragung war die Kampagne für den Volksentscheid noch nicht gestartet.“

Außerdem, so Sprecherin Jessamine Davis, hätten rund 350.000 Menschen Briefwahl beantragt. Da die Motivation dafür vor allem bei den BefürworterInnen groß sein dürfte, spricht vieles für einen Erfolg: Das Quorum von 25 Prozent aller Wahlberechtigten, die „Ja“ ankreuzen müssen, wäre zur Hälfte erreicht. Auch an die Wahlurnen zieht es wohl deutlich mehr Menschen, denen der Klimaschutz-Boost wichtig ist, als solche, die ablehnen.

Hätte die Abstimmung parallel zur Wahl am 12. Februar stattgefunden, bei der schon CDU, FDP und AfD zusammen deutlich mehr als 40 Prozent der Stimmen ergatterten, wäre es reichlich knapp geworden. Nun aber bekommt dem Volksentscheid sogar noch einen Protest-Bonus, denn nicht nur im grün-linken Milieu, sondern auch bei Teilen der SPD-Wählerschaft sorgen die schwarz-roten Koalitionsverhandlungen für Unmut und Wut.

Schmeckt gut – aber nicht den schwarz-roten KoalitionärInnen Foto: Florian Boillot

Dass ausgerechnet ein Wegner-Giffey-Senat die ambitionierten Ziele umsetzen wird, glauben auch nicht alle Anwesenden. Nils und Julia, beide mit roten Kampagnenwesten ausgestattet, sind skeptisch. „Wahrscheinlich wird jetzt wieder drei Jahre über Klimaschutz nur geredet“, sagt Julia. Ihrem Engagement schadet das nicht: „Das Gesetz macht auf jeden Fall Druck.“

Das Argument mit den Kosten

Fraglich ist, ob das Vertrauen in Rot-Grün-Rot 2.0 viel größer ausgefallen wäre. Patrick verteilt auf dem Nollendorfplatz Plakate mit Testimonials von Menschen, die sich unter dem Motto „Ich mache das Gesetz“ für Berlin 2030 klimaneutral aussprechen – eine solidarische Spende des befreundeten Volksentscheids Berlin autofrei. Von den Grünen ist er eher enttäuscht, auch wenn die sich im Wahlkampf noch zur Unterstützung aufrafften. „Immer dieses Argument, wir könnten die Kosten nicht stemmen“, sagt Patrick, „dabei wissen alle, dass Nichthandeln viel teurer wird.“

Kämpferische Töne kommen von der Bühne, wo sich Wolfgang Oels, Manager der Öko-Suchmaschine Ecosia, in Rage redet: Im Grunde müsse man schon über den nächsten Volksentscheid reden, der ein „Strafrecht für Abgeordnete und Minister“ schaffe. Wer wie Bundesverkehrsminister Wissing (FDP), die Klimaschutz-Gesetze ignoriere, begehe „Hochverrat“, es sei nicht vermittelbar, dass er „frei herumlaufe“.

Derweil sät ein Bericht im öffentlichen Rundfunk Zweifel am Altruismus der SpenderInnen, die die Kampagne mit insgesamt rund 1,2 Millionen Euro ausgestattet haben. Fast eine halbe Million kommt von dem New Yorker „Investoren- und Philanthropen-Ehepaar“ (RBB) Albert Wenger und Susan Danziger. Die hätten Einlagen in einem Berliner Förderfonds, der sich „neben dem Klimaschutz hohe Renditen auf die Fahnen geschrieben“ habe. Ein erfolgreicher Volksentscheid „könnte verstärkte Aufträge für solche Firmen bedeuten“, so RBB24.

Wie dem auch sei: Der Endspurt hat begonnen. Am 25. März kulminiert die Kampagne mit einer Demo am Brandenburger Tor, mit Luisa Neubauer, Element of Crime und Igor Levit. Die schwarz-roten KoalitionärInnen werden es mit Stirnrunzeln beobachten.

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