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EU-Außenminister zu RusslandWie von der Resterampe

Die EU-Außenminister ringen in Brüssel um neue Sanktionen gegen Russland. Auch Pekings mögliche Waffenlieferungen an Moskau sind Thema.

Josep Borrell und die Außenminister der EU mussten ohne ihren unkrainischen Kollegen Kuleba tagen Foto: Johanna Geron/reuters

Brüssel taz | Mehr Munition für die Ukraine und neue Sanktionen gegen Russland: Darüber wollten die EU-Außenminister am Montag in Brüssel mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba sprechen. Doch daraus wurde nichts: „Herr Kuleba hat andere Verpflichtungen“, erklärte der schwedische EU-Vorsitz. Der Überraschungsbesuch von US-Präsident Joe Biden in Kyjiw machte die gemeinsamen Pläne zunichte.

Und so mussten EU-Chefdiplomat Josep Borrell und die 27 Minister allein über den Krieg in der Ukraine diskutieren, der sich am Freitag zum ersten Mal jährt. Nach einem Frühstück mit dem russischen Dissidenten Garry Kasparow und vor einem Mittagessen mit der moldauischen Europaministerin Nicu Popescu ging es wieder einmal um die „russische Aggression“ und Möglichkeiten, ihr zu begegnen.

Viel Neues ist der EU dabei nicht eingefallen. Pünktlich zum Jahrestag der russischen Invasion soll das zehnte Sanktionspaket in Kraft treten. Es sieht unter anderem Handelsbeschränkungen für Elektronik, Spezialfahrzeuge und Maschinenteile vor, aber auch ein Exportverbot für Toiletten und sanitäre Anlagen. Insgesamt gehe es um einen Wert von 11 Milliarden Euro, heißt es in Brüssel.

Doch trotz der ansehnlichen Summe wirkt der Vorschlag, den die EU-Kommission vorgelegt hat, wie eine Sammlung von der Resterampe. Seit dem 6. Sanktionspaket, das das Ölembargo enthielt, ist der EU kein großer Wurf mehr gelungen. Auf dem Tisch liegen zwar noch einige Ideen – ein Embargo gegen russische Diamanten oder ein Verbot russischer Atomexporte. Doch dafür gibt es keine Mehrheit.

Nicht nur Ungarn, sondern auch Belgien, Frankreich oder Finnland stehen auf der Bremse, da sie massive Nachteile für die heimische Wirtschaft fürchten. Schon jetzt schlagen Krieg und Sanktionen schwer zu Buche. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer hat die wirtschaftlichen Wohlstandsverluste seit Kriegsbeginn auf rund 160 Milliarden Euro, oder etwa 2.000 Euro pro Kopf, beziffert.

Impfstoffbeschaffung als Vorbild

Die Kosten dürften weiter steigen – denn nun will die EU auch noch in die gemeinsame Beschaffung von Waffen und Munition für die Ukraine einsteigen. Borrell hatte sich schon am Sonntag bei der Sicherheitskonferenz in München für diese Idee ausgesprochen. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, die europäische Beschaffung von Impfstoffen in der Coronakrise könne als Vorbild dienen.

Allerdings hinkte die EU bei der Impfstoffbeschaffung immer anderen Ländern hinterher. Auch um die Transparenz war es nicht gut bestellt. Weil sie einen Deal mit dem US-Konzern Pfizer nicht offenlegen will, hat gerade erst die New York Times gegen die EU-Kommission geklagt. Undurchsichtige Kaufverträge mit Waffenschmieden wären wohl das Letzte, was die EU gebrauchen könnte.

Bei den Außenministern stieß die Idee dennoch auf Sympathie. Zustimmung erntete Borrell auch bei einem anderen Thema – China. Wenn Peking beginnen sollte, Waffen nach Russland zu liefern, wäre „eine rote Linie“ überschritten. Dies habe er auch dem chinesischen Außenpolitiker Wang Yi klargemacht. In Brüssel traut man den Chinesen nicht. Da US-Außenminister Blinken vor chinesischen Waffenlieferungen gewarnt hatte, müsse es „Anzeichen“ geben, sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Dann müsse man über Sanktionen gegen China reden.

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