piwik no script img

Es knallt beim RBBWer die Suppe auslöffelt

Der RBB kommt aus den Skandalen nicht heraus. Nun folgt auch noch ein massives Sparprogramm. Was denkt die Belegschaft darüber?

27. Januar, Berlin: Warnstreik des Rundfunks Berlin-Brandenburg Foto: Christoph Soeder/dpa

Vergangene Woche kam der Knall: Am Mittwoch verkündete RBB-Intendantin Katrin Vernau, dass der skandalumwitterte Sender 49 Millionen Euro einsparen soll. 100 Stellen werden bis 2025 gestrichen, mehrere Sendungen fallen den Kürzungen zum Opfer, das Programm soll sich auf die Zeit von 18 bis 22 Uhr konzentrieren und das „Mittagsmagazin“ soll nicht mehr vom RBB in Berlin produziert, sondern von ARD und ZDF weitergeführt werden. Auch zwei der vier Direktionen werden gestrichen. Die Sparrunde sei aufgrund der Misswirtschaft der vergangenen Jahre unter der gekündigten Intendantin Patricia Schlesinger nötig geworden.

Wer sich im RBB unter der Belegschaft umhört, trifft auf Verunsicherung und Wut. Die taz hat mit Ver­tre­te­r:in­nen des Personalrats und der Freien gesprochen sowie mit zehn Mit­ar­bei­ter:in­nen, sowohl fest angestellten als auch freien, in den Standorten Berlin, Frankfurt (Oder) und Cottbus. Die meisten ziehen es vor, ihre Namen nicht in der Zeitung zu lesen. Insbesondere die freien und die jüngeren Kol­le­g:in­nen fürchten um ihre Jobs.

Wenn man Anonymität zusichert, dann teilen sie ordentlich aus: „Das alles kotzt mich so an“, sagt ein Freier. Ein anderer findet, „die Stimmung ist am Arsch.“ Immer wieder wird gesagt: „Wir müssen die Suppe auslöffeln, die andere uns eingebrockt haben.“ Eine freie Mitarbeiterin beim Radio sagt: „Wir können für die Misere nichts, aber gespart wird auf unserem Rücken.“

Das sieht auch Sabine Jauer so. Die Vorsitzende des Personalrats ist ruhiger als die anderen Ge­sprächs­part­ner:in­nen, aber auch sie findet: „Wir müssen ausbaden, was in den vergangenen Jahren falsch gemacht worden ist.“ Und nun wehren sich die gekündigten Geschäftsleitungsmitglieder auch noch juristisch gegen ihre Entlassung und Patricia Schlesinger will ihr Ruhegeld von 18.000 Euro monatlich einklagen.

Alle Vermögenswerte liquidieren

„Am schlimmsten sind diese Ruhegelder“, sagt Jauer. Aber sie sieht auch Gutes im nun angestoßenen Prozess: „Besser einen harten Schnitt als Scheibchenweise neue Hiobsbotschaften.“ Jauer hat auch konkrete Vorschläge, wo gespart werden könnte: „Vernau will die Zahl der außertariflich Bezahlten halbieren. Wir finden, die können ganz abgeschafft werden.“ Lutz Oehmichen, der auch im Personalrat sitzt, weist auf die Immobiliengeschäfte hin. Die sollen zwar reduziert werden, aber: „Bevor hier jemand entlassen wird oder Honorare gekürzt werden, müssen wir alle anderen Vermögenswerte liquidieren.“

Was in den Gesprächen auffällt, ist die ausgeprägte Berufsehre. Alle wollen ein gutes Programm machen. „Uns Redakteuren macht die Arbeit Spaß. Solange wir unsere Sendungen machen konnten, hat mich der Rest nicht interessiert“, sagt Sabine Jauer. „Was in den Ebenen über uns passierte, damit hatte man gar nichts zu tun.“

Genau das war wohl das Problem. Über die Jahre haben sich im RBB viele Führungsebenen gebildet, die von der eigentlichen Produktion abgekoppelt waren. Techniker berichten, sie hätten bis zu fünf Stufen über sich, sie wüssten nicht mal, was die alle tun. Dieser administrative Wasserkopf ist es, der so viel Geld frisst. Und der sei noch nicht richtig angegangen worden, bemängeln einige.

Der bisherigen Geschäftsleitung hat Katrin Vernau zwar gekündigt, ein Schritt, der in der Belegschaft auf große Zustimmung trifft. Aber die zweite Reihe, die das System Schlesinger ermöglicht hat, ist noch da. „Eine Reihe von Führungskräften sind dabei gewesen, den Plan Schlesingers willig zu erfüllen“, sagt Lutz Oehmichen. „Die gleichen Akteure sitzen wieder im Boot und rudern in die entgegengesetzte Richtung.“

Viele berichten von Erschöpfung, die die ständigen Skandalmeldungen und Aufarbeitungstreffen auslösen. „Ich war entsetzt“, sagt eine freie Mitarbeiterin. „Und es wurde mit jeder Enthüllung schlimmer.“ Auch Sabine Jauer sagt, sie sei seit vergangenem Sommer „in Dauerschleife“. Man müsse endlich aus dem Krisenmodus kommen, auf Dauer könne man so nicht arbeiten.

„Wir haben gar nicht mehr die Power und das Geld, spannende Geschichten zu machen“, sagt ein freier Mitarbeiter in Cottbus. Und nun gefährdeten die Sparprogramme auch noch die Grundversorgung. Bei manchen macht sich auch ein gewisser Zynismus bemerkbar. Darauf angesprochen, dass Schlesinger nun ihre Ruhegeldzahlung einklagen will, sagt ein Redakteur bloß: „Mehr hab ich von der gar nicht erwartet.“

In ruhigeres Fahrwasser?

Die meisten Ge­sprächs­part­ne­r:in­nen schätzen hingegen Vernau. Ihr wird große Kompetenz in der Verwaltung zugeschrieben. Sie sei ein Zahlenmensch, was in dieser Situation das Richtige sei. Mit Vernau, so die Hoffnung, komme man in ruhigeres Fahrwasser. Lutz Oehmichen findet, Katrin Vernau sei vielleicht nicht die Geschickteste, wenn es um Kommunikation geht, aber: „Sie scheint keine schlechten Absichten zu haben. Zu Schlesinger ist das ein Unterschied wie Tag und Nacht.“

Andere bemängeln, dass Vernau nicht aus dem Programm komme. Ein freier Mitarbeiter sagt: „Mir fehlt eine Vision wo sie publizistisch hin will.“

Christoph Reinhardt von der Freienvertretung ist da kritischer. Es würde die Stimmung verbessern, wenn Vernau bestätigen könnte, dass es keine betriebsbedingte Beendigung von freien Arbeitsverhältnissen geben wird, was sie bisher nicht getan hat. „Da war so ein Satz wie: „Freie sind eben Freie.“ Die Frage der Freien ist zentral. Laut Reinhardt ist nur je­de:r dritte Jour­na­lis­t:in im RBB fest angestellt.

Die meisten Kürzungen werden im Programmetat erwartet – aus dem die Honorare der Freien bezahlt werden. „Wir fühlen uns als Schiebemasse“, sagt eine freie Redakteurin. Ohnehin ist auffällig, wie viele Menschen beim RBB nicht fest angestellt werden. Freie arbeiten manchmal jahrzehntelang Vollzeit für den RBB. Aber feste Stellen gibt es selten. Lutz Oehmichen mahnt: „Da hat sich ein Schattenarbeitsmarkt etabliert.“

Nun könnten die Sparmaßnahmen vor allem die Freien treffen. „Dabei gibt es ohne uns kein Programm“, empört sich die freie Radioredakteurin. Sabine Jauer mahnt, dass sich die Belegschaft nicht in Feste und Freie spalten lassen dürfe. Alle müssen am selben Strang ziehen.

Eine andere Spaltung nimmt der Nachwuchs wahr. Gerade jüngere Zielgruppen sollen mehr erreicht werden, ließ der RBB wissen, als die Sparmaßnahmen angekündigt wurden. Spricht man hingegen mit jüngeren Kolleg:innen, wird klar, dass sich um diejenigen, die dieses Programm produzieren sollen, wenig gekümmert wird. Dass etwa ausgerechnet das „Mittagsmagazin“ nicht mehr in Berlin produziert werden soll, stößt auf Unverständnis.

Offener Brief des „Mittagsmagazins“

In einem offenen Brief protestieren 23 Mit­ar­bei­te­r:in­nen des „Mittagsmagazins“ gegen die geplante Streichung des Formats unter anderem mit der Begründung, dass die Redaktion eine der jüngsten und diversesten im Haus sei. „Wenn sich der RBB das Mima „nicht mehr leisten kann“, heißt es in dem Schreiben, „dann verabschiedet er sich von vielen journalistischen und kreativen Köpfen, die Qualifizierungen mitbringen, die der Sender gerade dringend braucht.“

Auch andere junge Mit­ar­bei­te­r:in­nen fühlen sich stark benachteiligt. „Die Boomer kriegen mehr Ruhegeld, als wir überhaupt Rente bekommen werden“, empört sich eine junge Redakteurin. „Es ist aussichtslos für junge Leute da“, sagt eine Freie, die gar nicht mehr für den RBB arbeiten will. Nun sollen auch noch die Volontariate, die gemeinsam mit der ems Medienschule angeboten werden, zur Hälfte wegfallen. Woher soll denn der Nachwuchs dann noch kommen?

„Dass sie an den Volos sparen, ist doch nur lächerlich“, findet eine Gesprächspartner:in. Das sende ein falsches Signal. „Als junger Mensch fühlt man sich nicht ernst genommen. Da kämpft man für ein kleines Digitalformat und die anderen gehen für Tausende Euro auf Firmenkosten essen“, sagt eine andere.

Doch ganz verzagt sind die Ge­sprächs­part­ne­r:in­nen noch nicht. Lutz Oehmichen sagt: „Ich hoffe, dass die Zeit der falschen Goldgräber und Quatschköpfe vorbei ist.“ Und Sabine Jauer sagt sogar: „Wir sind zwar nicht guter Dinge, aber auch nicht ohne Zuversicht.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Wenn beim RBB Dritten TV-Programm jetzt eigenorudzierte Sendungen zwischen 18-22 Uhr laufen sollen, ist das weniger der innerbetrieblichen Verschwendung geschuldet. Der ARD-Vorsitzende und SWR-Intendant, Kai Gniffke, will ein einheitliches Zentralprogramm für alle ARD-Dritten. Nur noch in der 'Prime Time' soll Sendegebietsbezogene Sendugnen laufen - der Rest wird zentral gefüllt. Ähnliches droht vielen Hörfunkwellen der ARD, so wird die SWR 4 Schlager-Oldie-Welle künftig für Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz entral in Stuttgart zusammengestellt - Regional gibt es dann nur noch als Fenster. Fazit: Raffgierigen Bonzen der Rundfunkanstalten haben der Rundfunkfreiheit - und -vielfalt mit ihrer Gier einen Bärendienst erwiesen.

  • Beim RBB genau wie beim ÖRR insgesamt muss gespart werden, und die Ruhestandsgelder sind ein Skandal, Punkt. Wenn die wenigstens Qualität liefern würden, aber,, ich vergleiche das mit der BBC die mit deutlich weniger Geld um Klassen bessere Sendungen produziert. Im Vergleich scheinen die Mitarbeiter des RBB eine etwas zu positive Einschätzung der eigenen Fähigkeiten zu habe, Das spiegelt sich auch in Aussagen wie dieser:

    "In einem offenen Brief protestieren 23 Mit­ar­bei­te­r:in­nen des „Mittagsmagazins“ gegen die geplante Streichung des Formats unter anderem mit der Begründung, dass die Redaktion eine der jüngsten und diversesten im Haus sei."

    Wie jung oder divers spielt doch absolut keine Rolle, die Einschaltquoten sind das Wichtige, und ob die Programme international verkauft werden können. Wer Alter und Diversität als Argument anführt, hat wohl augenscheinlich nichts anderes zu bieten. Von daher ist mein Mitleid begrenzt. Schliesslich, gerade der RBB hat sich durch seine politische Ausrichtung viele Feinde gemacht, das rächt sich jetzt weil viele Leute schlicht keine Lust haben hier unterstützend zu wirken.

    Was Qualität angeht: was vom ÖRR kommt denn mit "Top Gear", "Sherlock", David Attenboroughäs "The life of plants" usw mit?? Das ist der Maßstab, Leute.

  • "Ohnehin ist auffällig, wie viele Menschen beim RBB nicht fest angestellt werden." "Da hat sich ein Schattenarbeitsmarkt etabliert."

    Ja - ein Schattenarbeitsmarkt, da man mehr Programm machen wollte, als man sich leisten kann während es nicht erlaubt ist, Stellen für die Festanstellung zu schaffen.

    Auch wenn ich die freien Kolleg:innen sehr gut verstehen kann - wie sollen wir denn aus Schlamassel rauskommen?



    Jeder, der sich - aus sehr nachvollziehbaren Gründen - frei hat beschäftigen lassen, hat die Entwicklung, die nun zur Krise geführt hat, mit befördert - wenn auch vermutlich unbewusst.

  • Vollzeit über Jahre/Jahrzehnte als "Freier Mitarbeiter" - das ist doch Scheinselbstständigkeit und wird in anderen Branchen und Bundesländern heftig verfolgt/kontrolliert...

    • @Achim Schäfer:

      Dafür gibt es ja den Wasserkopf. Der kontrolliert genau, welcher Freie wann woanders etwas publiziert, um dem Vorwurf entgegen treten zu können.