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Susan Faludis Klassiker „Backlash“Ins Gegenteil verkehrt

1991 veröffentlichte Susan Faludi das Buch „Backlash“, in dem sie antifeministische Strukturen in den USA analysiert. Es bleibt hochaktuell.

Der Backlash war schon damals Thema: Der March for Women's Lives 1989 in Washington Foto: Mark Reinstein/getty

Antifeminismus ist keine Erfindung von heute. Sobald Frauen mehr Rechte einforderten, gab es Gegenbewegungen. Etwa während der französischen Revolution, der Suffragettenbewegung oder den 80ern des letzten Jahrhunderts.

Auch haben Frauen das System Antifeminismus schon früher analysiert. Eine von ihnen ist die Pulitzerpreisträgerin Susan Faludi. 1991 wurde ihr Buch „Backlash“, also Rückschlag, veröffentlicht. Darin untersucht sie die US-amerikanische Politik, Gesellschaft und Kultur im Hinblick darauf, wie feministische Erfolge ins Gegenteil verkehrt werden. Das Buch stand ein Jahr lang unangefochten auf den US-amerikanischen Bestsellerlisten.

Auf Deutsch trägt es den Titel: „Die Männer schlagen zurück“. Dieser impliziert, dass Frauen zuerst zugeschlagen hätten. Die Befreiung der Frau, so wird insinuiert, sei ein Akt der Aggression gegen Männer. Ein Backlash ist aber mehr als Vergeltung, er wirft die ganze Gesellschaft zurück.

Ein Backlash ist mehr als Vergel­tung. Er wirft die ganze Gesell­schaft zurück

Schon der deutsche Buchtitel ist ein Beispiel für die subtilen Strukturen und Taktiken des Antifeminismus, wie Faludi sie analysiert: Den Gleichheitsanspruch der Frauen ins Gegenteil verkehren, ihn nicht ernst nehmen, falsche Korrelationen herstellen, darin einen Angriff sehen, das sind, so Faludi, antifeministische Vorgehensweisen. Dabei ist die Aggression doch, dass Frauen über Jahrhunderte gleiche Rechte vorenthalten werden.

Keine Magie im Spiel

Sonderausgabe zum 8. März 2023 – Anti-Antifeminismus

Warum beschäftigen wir uns in einem Dossier mit Antifeminismus? Schon in vielen Liedern wird besungen: „Know your enemy“. Oft ist Antifeminismus subtil. Wie wir ihn entlarven können, wird klar, wenn wir uns mit ihm auseinandersetzen: Welche Formen nimmt er an? Wer sind die Akteur*innen? Und wie können wir ihm begegnen? Alle Dossiertexte gibt es im Online-Schwerpunkt zum feministischen Kampftag.

Die Unterzeile des Buches ist nicht besser. Im Original heißt es: „The undeclared war against American women“. Und in der umgedeuteten Übersetzung: „Wie die Siege des Feminismus sich in Niederlagen verwandeln und was Frauen dagegen tun können.“

Sieg, Niederlage – klar, vor 40 Jahren wurde die feministische Bewegung als Geschlechterkampf verstanden. Aber feministische Errungenschaften „verwandeln“ sich nicht in Niederlagen, es ist keine Magie im Spiel. Vielmehr wird feministisches Denken durch die Kultur des Patriarchats, die sich bis heute durch die Gesellschaft zieht, zunichte gemacht – so Faludis Analyse.

Neutralen Anstrich geben

Tricks, mit denen Feminismus diffamiert wird, bestehen, meint Faludi, auch darin, patriarchal gefärbten Erhebungen einen neu­tralen wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Oder darin, Feminismus umzukehren, indem gesagt werde, Frauen seien doch emanzipiert und hätten alle Möglichkeiten, da bedürfe es keiner weiteren politischen Intervention für Gleichheit.

Rollenbilder seien eigentlich fluide; konservative und neurechte Politik, und nicht nur sie, orientierten sich jedoch an alten Zuschreibungen, die sie als State of the Art begreifen würden. Und die Medien und die Kultur machten sich dabei zu Steigbügelhaltern. Der Backlash sei keine konspirative Verschwörung, die von oben gesteuert werde, schreibt Faludi. Auch seien sich jene, die antifeministische Theorien verbreiten, dessen nicht immer bewusst. Meistens gehe das diffus und chamäleonhaft vonstatten, die antifeministischen Codes seien im Denken internalisiert.

Weiterhin Gültigkeit

Heute ist Faludis Buch schwer zu lesen, da es sich in Detailfülle auf den US-amerikanischen Mainstream vor allem der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts bezieht, der mittlerweile eher wenig zugänglich ist. Ihre Analyse der subtilen Umkehr feministischer Errungenschaften aber hat weiter Gültigkeit. Nur deshalb werden Meinungen wie die, dass die Emanzipationsbewegung Mädchen heute aggressiver mache, oder dass die vielen Lehrerinnen schuld am schlechteren Abschneiden von Jungs in der Schule seien, wie Tatsachen gehandelt. Ein Artikel, der am 7. Februar 2023 in der Neuen Züricher Zeitung stand, zeigt die von Faludi untersuchten subtilen Umkehrungsmechanismen en detail: „Je freier Frauen bei der Partnerwahl werden, desto mehr Männer bleiben allein. Ist daran unsere Biologie schuld?“ lautet die Überschrift.

Im Klartext: Frauenbefreiung macht mehr Männer zu Singles. Das Wort „Schuld“ wird benutzt. Im Text geht die negative Wertung der Frauenemanzipation noch weiter, denn in biologistischer Camouflage, die evolutionäre Zusammenhänge aus dem Tierreich auf die Gegenwart überträgt, werden vermeintlich wissenschaftliche Begründungen für das Dilemma der Männer geliefert. Die blieben bei der Partnerwahl vermehrt auf der Strecke, wenn Frauen selbstbewusster und ökonomisch unabhängiger werden. Sexuell unerfüllte Männer aber seien potenzielle Gefährder. Fazit: Frauenemanzipation ist schlecht für Männer und Gesellschaft.

Der Artikel, der 32 Jahre nach dem Erscheinen von „Backlash“ veröffentlicht wurde, bedient, was Faludi anprangert. Sie hat das Handwerkszeug gezeigt, mit dem solche Texte decodiert werden können. Wir sollten es nutzen.

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5 Kommentare

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  • 6G
    663534 (Profil gelöscht)

    Der feministische Philosoph Otfried Eberz, der der Frauenbewegung seiner Zeit sehr positiv gegenüberstand führte in seinem Werk von 1931 "Vom Aufgang und Niedergang des männlichen Zeitalters" Bouvier Verlag, 1990, Seite 106, Folgendes aus:



    "Doch jetzt, wo der ökonomisch-politische Befreiungskampf der Frau gewonnen ist, droht der Sieg zur Niederlage zu werden: nicht die Frau hat die ökonomische Männermaschine erobert, sondern diese die Frau. Der homme-machine ist dabei durch Einbeziehung des weiblichen Geschlechts in den durchrationalisierten männlichen Maschinenstaat die femme-machine zu schaffen und der männlichen die weibliche Substanzverminderung folgen zu lassen. Gelänge dem männlichen Zweckinteresse diese Umbiegung der Frauenbewegung, diese Umbiegung ihres Sinnes in ihren Gegensinn, so wäre die Menschheit von einer unausdenkbaren Katastrophe bedroht: der unipolaren Perversion."

    Feminismus bedeutet für mich vor allem, die Strukturen des "durchrationalisierten Männerstaates" aufzuweichen und die Gesellschaft weiblicher und barmherziger zu machen. Ein Feminismus, der die femme-machine, den paritätischen Sprechroboter im Dienste der männlichen Sprechroboter schaffen will, dessen Weiblichkeit nicht mehr ist als eine prozentuale Unterstellung, die an die Gesamtgesellschaft gerichtet ist, die aber nicht mehr in einer einzelnen Frau verortet werden darf und die vor allem nichts eigenes mehr haben darf- nur ein in der Parität sich auflösendes Nichts sein darf- ist m.E. ein Antifeminismus.

    Das bedeutet aber überhaupt nicht, dass Frauen nicht die gleichen Rechte haben sollten wie Männer (im Gegenteil) und nicht zB 50 oder 85 % der Mitglieder des Bundestags stellen sollten. Aber die Frage ist, wie eben diese Frauen sich verstehen: als eine sich für sich selbst schämende paritätische Schattenexistenz oder als ein eigenes, lebendiges weibliches Wesen das sich nicht "durchrationalisieren" lässt. Das letztere wäre für den Männerstaat sicherlich gefährlicher.

    • @663534 (Profil gelöscht):

      "die Strukturen des "durchrationalisierten Männerstaates" aufzuweichen und die Gesellschaft weiblicher und barmherziger zu machen."

      Wir erleben das gerade am ausufernden Sozialstaat und den unkritisch offenen Grenzen. Erste, auch grüne, Kommunalvorsteher warnen, dass das bald nicht mehr zu stemmen ist.

      Wie passt eigentlich die Abschaffung der Rationalität zur unbedingten Bekenntnis zur Wissenschaft? Follow the science, aber sei nicht rational?

      Am Ende sinkt das aus Barmherzigkeit überfüllte Boot, weil niemand die notwendige Stringenz aufbringen wollte, die Gangway rechtzeitig hochzuziehen.

    • @663534 (Profil gelöscht):

      Mmn ist das von Ihnen beschriebene nicht der Feminismus den ich meine. Frauen sind nicht die besseren Menschen, sie sind auch nicht die schlechteren Menschen, es geht um Gleichberechtigung. Ich bin immer skeptisch, wenn behauptet wird durch Feminismus werde gleichzeitig auch unsere ganze Gesellschaft geheilt. Kapitalismus funktioniert auch hervorragend gleichberechtigt. Das heißt aber schließlich nicht dass man gegen Feminismus sein sollte.

      • @wirklich?:

        100 sternchen!

      • @wirklich?:

        "Frauen sind nicht die besseren Menschen"

        Doch.



        Nicht jede einzelne aber im Durchschnitt.

        Frauen pflegen häufiger die Angehörigen, sind % stärker vertreten bei den Klimaprotesten, arbeiten häufiger in Care Berufen.

        An die Spitze von Politik und Wirtschaft schaffen es nur die Frauen, die genauso rücksichtslos sind, wie deren männlichen Kollegen.



        Das verzerrt an Ende das Bild.