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Schwarz-Grün nach Berlinwahl?Spalter schaffen keine Einheit

Timm Kühn
Kommentar von Timm Kühn

Könnte Schwarz-Grün die Spaltung der Stadt überwinden? Nein. Die CDU hat mit rassistischen Ausfällen Stimmung gemacht und ist dafür unbrauchbar.

Will lieber zu Linken und SPD: Bettina Jarasch Foto: dpa | Fabian Sommer

D ie Ergebnisse der Berlin-Wahl zeigen klar: Berlin ist in vielerlei Hinsicht gespalten, auch zwischen Innenstadt und Stadtrand. In so ziemlich allen Außenbezirken führt inzwischen die CDU, die insgesamt über 10 Prozentpunkte zugelegt hat. Innerhalb des S-Bahn-Rings dagegen dominieren vor allem die Grünen. Wäre es deshalb wünschenswert, dass CDU und Grüne koalieren, um gewissermaßen beide Elemente – Innenstadt und Außenbezirke – in die Regierung zu integrieren?

Auf keinen Fall. Denn eine Regierungsbeteiligung der CDU würde die Spaltung der Stadt sogar noch verschärfen. Wie sich aus den Umfragen von Infratest ableiten lässt, verdankt die CDU ihren Wahlerfolg vor allem ihren rassistischen Ausfällen nach der Berliner Silvesternacht. 96 Prozent aller neuen Wäh­le­r:in­nen gaben demnach der Partei ihre Stimme, „damit sich in Berlin endlich was ändert“ – vor allem hinsichtlich der Themen „Recht und Ordnung“ und „Probleme mit Zuwanderern“.

Was sich in Berlin also ändern soll, dass ist nach Ansicht dieser vermutlich älteren Menschen, dass der Staat mit mehr Repression gegen migrantische und arme Communities vorgehen soll. Schon die Innenpolitik der SPD der vergangenen Jahre war von diesem Law-and-Order-Ansatz geprägt. Die CDU hätte aber wohl kein Problem damit, da noch eine Schippe draufzulegen. Nur: Soziale Probleme wie Kriminalität wird die Partei damit nicht lösen, sondern nur verschärfen. Und das wiederum führt zu mehr – nicht weniger – Spaltung in der Stadt.

Keine Demokratie für Mi­gran­t:in­nen

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Diejenigen, die vom Rassismus der CDU betroffen sind, wurden derweil im demokratischen Prozess oft schlicht übergangen. 23 Prozent der volljährigen Berliner Bevölkerung hat bei Wahlen mangels deutschen Passes keine Stimme – auch wenn sie seit Jahrzehnten hier leben. Nur mutmaßen lässt sich, ob der Wahlerfolg der CDU ebenso groß ausgefallen wäre, wenn wirklich alle Ber­li­ne­r:in­nen wählen dürften. Und wie bitte soll man Spaltung überwinden, wenn man den Teil rassistisch diskriminiert, der gar nicht mitstimmen durfte?

Wer argumentiert, dass Schwarz-Grün die Stadt zusammenführen könnte, wie schon die Koalition aus SPD und PDS im Jahr 2001 Ost und West zusammengeführt habe, irrt. Die beiden Situationen sind schlicht nicht vergleichbar. Darüber hinaus ist völlig offen, ob die Rot-Rot ab 2001 überhaupt zu einer Annäherung zwischen Ost und West beigetragen hat. Heute geht es vor allem um politische Differenzen – die sind in einer Demokratie aber gar kein Problem. Denn bei Wahlen geht es um Interessenskonflikte. Wer gewinnt, darf entscheiden. Ein Anspruch, dass alle mitmachen dürfen, besteht schlicht nicht.

Bisher fehlt auch die Fantasie, wie Grüne und CDU ihre politischen Differenzen beilegen könnten. Erstere müssen insbesondere nach der Räumung von Lützerath – die der Partei bei 105 Stimmen Unterschied zur SPD die Führung in einem möglichen Rot-Grün-Rot-Bündnis gekostet haben könnte – beim Klimaschutz und der Verkehrswende liefern. Die CDU ist aber reine Autopartei. Haben die Grünen irgendeine Wahl, dürften sie sich deshalb für Rot-Grün-Rot entscheiden.

Zumal Schwarz-Grün denkbar unbeliebt ist: Gerade 16 Prozent der Wäh­le­r:in­nen fänden das Bündnis gut. Nur 21 Prozent der Grünen-Wählenden wollen diese Koalition – gegenüber 77 Prozent Zustimmung für Rot-Grün-Rot.

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Timm Kühn
Redakteur
Schreibt seit 2020 für die taz über soziale Bewegungen, Arbeitskämpfe, Kapitalismus und mehr.
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7 Kommentare

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  • Die von der CDU behauptete Spaltung besteht ja offenbar sowieso hauptsächlich darin, dass wir Innenstadtbewohner*innen keine Lust haben, die Folgen des Autowahn mancher Vorstädter ertragen zu müssen. Ich wüsste gerne, wie da die "Einigung" von Außenbezirks-Idol Kai aussieht...

  • Die Spaltung sehe ich eher durch die Grüne Partei der Besserverdienenden gegenüber den älteren und weniger Betuchten. Eine Familie Jarrasch mit einem Familieneinkommen von über 20.000 EUR/Monat kann nun mal wesentlich entspannter für Umweltthemen und Integration einstehen als Karl-Heinz und Gabriele mit der Bedarfsminimumrente...

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Spalter schaffen keine Einheit.“ Richtige Analyse. Spalter wollen spalten und das größte Stück für sich behalten.



    „Sie von der CDU haben mit unserem Programm die Wahl gewonnen.“, sagte (sinngemäß) der AfD-Mann Bernd Baumann am Sonntag im TV. So ist es. Die Angstkampagne der CDU hat gewirkt. Trotzdem behaupten nun viele Journalist:innen, es müsse doch der größten Fraktion zugestanden werden, die nächste Regierung zu führen. Was werden die selben Personen schreiben, wenn demnächst in Sachsen und Thüringen die AfD stärkste Fraktion werden sollte? Oder wird die Union es schaffen, sich dort ebenfalls als bessere AfD zu präsentieren? MP Kretschmer ist in Sachsen auf dem „besten“ Weg. Dass (auch) in Neukölln ältere Menschen aus migrantischen Milieus CDU gewählt haben, ist nur bedingt überraschend. „Recht und Ordnung“ zieht auch dort.



    Die „Brandmauer gegen rechts“ (rechts= Merz-Union und AfD) hat eine Mehrheit in Berlin, und das ist gut so. (Disclaimer: Bin 70++)

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Ich möchte auch noch mal daran erinnern, dass die CDU in Thüringen lieber den Kandidaten der FDP unterstützte, obwohl diese nur knapp auf 5% kam, während man dem beliebten MP Ramelow, der mit seiner Partei auf über 30% kam und somit ganz klarer Sieger war, die Stimmen zur Wiederwahl verweigerte. So sind die Christdemokraten

  • Sagen Sie doch gleich, dass Sie die Spaltung eigentlich begrüßen und mit jenen "vermutliche älteren" Berliner Mitbürgern lieber weiter einen wenig ersprießlichen Lagerkampf führen, Herr Kühn! Bloß ja keine Koalöition ertragen, die zu diesen Leuten womöglich Brücken baut...

    Eine Spaltung überwindet man aber nicht, indem man die Unterschiede nochmal extra herausstellt und Alles, was die ANDERE Seite des Spalts sich wünscht, als inakzeptables Teufelszeug abtut. Insofern sagt dieser Kommentar mehr über seinen Autor und eventuell auch den Spalt an sich aus als über eine potenzielle Heilungschance durch eine schwarz-grüne Koalition.

  • Wenn so viele Bürger wie dargestellt eine stärkere Law-and-Order Politik wünschen (darunter auch viele gut integrierte Menschen mit Migrationshintergrund), dann stellt sich die Frage, weshalb eine Fortsetzung von R2G diese angebliche Spaltung überwinden sollte. Schließlich unternimmt R2G bisher nichts in Richung Law und erst recht nichts in Richtung Order.

  • Es ist schön, dass der Aspekt der CDU Reaktion auf die Sylvester Nacht ,über die Leserbriefe hinaus, in dieser Zeitung erwähnt wird.



    Es endstand der Eindruck, dass der Gedanke:



    " Hauptsache ich hab mein Pöstchen" , über Nacht in den Vordergrund rückte.



    In NRW haben die Grünen so agiert.



    Bei der Räumung des Hambacher Forstes noch auf der Seite der Demonstrierenden und gegen den übergriffigen Polizeieinsatz des CDU Innenministers, Nun auf der Seite der CDU, den Polizeieinsatz vertretend.



    Auf diese Weise macht man/ frau sich beim Kernklientel keine FreundInnen.



    Es bleibt abzuwarten, ob sich die linken Parteien Berlins



    für Inhalte oder persönliche Karriere entscheiden.