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Berlinale Film „Passages“Ich liebe dich, ich lieb’ nur mich

Ira Sachs' vielschichtiges Drama „Passages“ folgt Franz Rogowski als narzisstischem Regisseur. Der ist zerrissen zwischen Ehemann und einer Frau.

Verführung und Entzauberung: Martin (Ben Whishaw) und Tomas (Franz Rogowski) Foto: SBS Productions

Der Film ist abgedreht, und sein Regisseur hat seine herrische Strenge gegen verspielten Charme ausgetauscht. Tomas (Franz Rogowski), der am Set mit rauem Ton gerade noch einen Schauspieler zurechtwies, steht nun im Netzshirt bekleidet an der Bar eines Nachtclubs und versucht, seinen Ehemann Martin (Ben Whishaw) davon zu überzeugen, mit einer Frau (Adèle Exarchopoulous) zu tanzen. Als dieser ablehnt, übernimmt er achselzuckend selbst.

Es dauert nur wenige Minuten, bis in „Passages“ die drei Menschen zusammenkommen, zwischen denen sich im Folgenden ein intensives Dreiecksverhältnis entspinnt. Noch schneller kristallisiert sich allerdings heraus, dass es Filmemacher Ira Sachs („Little Men“) weniger auf das Erzählen von komplexen Dynamiken als vielmehr auf ein Porträt des Mannes abgesehen hat, der sie ins Rollen bringt.

„Ich hatte letzte Nacht Sex mit einer Frau“, sagt Tomas seinem Ehemann am nächsten Morgen. Von einem Geständnis zu sprechen, würde der Sache nicht gerecht. Reue, gar Scham, empfindet Tomas gegenüber Martin nicht. Im Gegenteil, schon im nächsten Augenblick bittet er seinen Mann darum, ihm davon erzählen zu dürfen.

Empathieloser Narzist

Ohne eine Antwort abzuwarten, berichtet er von den berauschenden Gefühlen, die er schon so lange nicht mehr empfunden habe. Nüchtern betrachtet, offenbart das Drama seinen zentralen Protagonisten jäh als empathielosen Narzissten. Doch Ira Sachs, der ein besonderes Talent für das genaue Beobachten abseits professoraler Wertungen besitzt, neigt auch in dieser intimen Charakterstudie nicht zur Pathologisierung.

Berlinale Termine

21. 2., 12.30 Uhr, Cubix 9

22. 2., 21.30 Uhr, Cineplex Titania

23. 2., 21.45 Uhr, Zoo Palast 3/4/5

26. 2., 12.45 Uhr, Cubix 9

Stattdessen versteht es „Passages“, den besonderen Bann, in den Tomas erst Martin und später auch Agathe – die augenscheinlich alles verändernde Frau – zieht, auf das Publikum auszuweiten. Hier wie dort täuscht er lange über die unheilvollen Gebiete seiner Persönlichkeit hinweg oder bewirkt zumindest, dass man sich dazu verleiten lässt, über sie hinwegzusehen. Mit seiner mitreißenden Getriebenheit und einer nicht zu stillenden Neugier strahlt er eine Haltung zum Leben aus, die sich jenseits des schrecklich Alltäglichen bewegt.

Dass der Film mit einer anderen Besetzung als Franz Rogowski genauso gut funktioniert hätte, ist kaum vorstellbar. Bereits der bestechende Kontrast aus dessen Körperlichkeit und markanten Gesichtszügen zur flamboyanten Garderobe der Rolle, bestehend aus bauchfreien Tops und bunten Lederhosen, verleiht Tomas eine aparte Aura. Gekonnt oszilliert Rogowski zwischen der kindlich anmutenden Unbedarftheit seiner Figur und ihren kontrollsüchtigen Facetten.

Weiter untreu

Besagter Bann ist es auch, der Martin dazu bringt, erstaunlich gelassen auf den Bericht seines Ehemannes zu reagieren. „Das passiert immer, wenn du einen Film fertigstellst. Du vergisst es nur“, entgegnet er, versucht an der Beziehung festzuhalten. Wissend, dass Tomas ihn weiter betrügt. Mit dem Chaos fertigzuwerden, das Tomas bedeutet, wird kurz darauf auch für Agathe zur Herausforderung.

Alles sieht danach aus, als würden Agathe und Tomas ein Paar werden und Martin der Vergangenheit angehören. Doch recht loslassen kann Tomas ihn nicht, auch wenn bereits ein neuer Mann in dessen Leben getreten ist: Amad (Erwan Kepoa Falé). Die ausgiebigen Sexszenen fungieren im Film als feiner Gradmesser dafür, wie sich die Figuren gegenüberstehen.

Aus der hitzigen Sinnlichkeit mit Agathe wird bald nüchterner Entdeckungswille, während die körperliche Liebe mit Martin erneut aufflammt. Ihre Inszenierung tut sich durch keinen auffallenden Stil hervor, auch hier verbleibt Ira Sachs in der Rolle des Beobachters, anstatt sich künstlerisch aufzudrängen.

So ist „Passages“ trotz der aufwühlenden Ereignisse ein erstaunlich ruhiges Drama, das die Disruptionen des Daseins als das zeigt, was sie sind: Gewissheiten zwar, doch jedes Mal auf ihre Art komplex. Diese Komplexität wird auch Tomas zugestanden, was den Film so reizvoll macht. Dass der Film dem Zuschauer effektvoll vor Augen führt, was es heißt, sich von einer narzisstischen Persönlichkeit zunächst verleiten zu lassen und letztlich entzaubert zurückzubleiben, macht ihn überaus gelungen.

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