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Berliner ClublandschaftAlimente fürs Nachtleben

Kommentar von Susanne Messmer

Berliner Po­li­ti­ke­r*in­nen haben ein fraktionsübergreifendes Bündnis zum Erhalt der Clubkultur beschlossen. Es ist auch höchste Eisenbahn.

Auch Feiern ist Kultur Foto: dpa

Obwohl wir die Pandemie überstanden haben, läuft es nach wie vor nicht rund“, sagt Pamela Schobeß vom Club Gretchen, die „nebenher“ im Vorstand der LiveKomm sitzt, einem deutschlandweiten Verband der Musikspielstätten. Sie sitzt am Mittwochabend mit Ver­tre­te­r*in­nen der Berliner Parteien auf einem Panel der Clubcommission, das Club­gän­ge­r*in­nen als eine Art Wahlomat dienen soll. Und sie findet plastische Worte für die anhaltende Not der Clubs nach Corona, sich über Wasser zu halten.

Immer noch herrschten Personal- und Lieferprobleme (beispielsweise beim Equipment), durch die vielen verschobenen Konzerte gebe es ein krasses Überangebot für zu wenige Besucher*innen, außerdem seien viele Ver­an­stal­te­r*in­nen und Be­su­che­r*in­nen krank oder hätten massive Geldprobleme.

„Unsere Welt ist aus den Fugen“ sagt sie und spricht sich für eine dauerhafte staatliche Alimentierung aus – so wenig das zu einer Szene passen mag, die sich in den wilden Nachwendejahren in leer stehenden Fabriketagen, Tresoren und Bunkern selbst erfunden hat und immer stolz darauf war, sich selbst zu tragen.

Doch anders, als man vermuten könnte, stößt Schobeß in der Politik trotz knapper Kassen nicht etwa auf Angst und Schrecken, sondern auf große Zustimmung. Die Clubkultur ist unterstützenswert, finden sowohl Kultursenator Klaus Lederer (Linke), der sowieso seit Beginn seiner Amtszeit als Schutzherr der Berliner Clubs gilt, als auch Christian Goiny (CDU), Julian Schwarze, der für die Grünen die Themen Clubkultur, Stadtentwicklung und Stadtkultur beackert, Tamara Lüdke, clubpolitische Sprecherin der SPD, und sogar Stefan Förster von der FDP.

Berlins Clubs sind in Gefahr, sich angesichts der aktuellen Preisentwicklung zu Orten für Rich Kids zu entwickeln.

Sie alle haben erkannt, dass Berlins Clubs für Diversität in dieser Stadt stehen und dass sie in Gefahr sind, sich angesichts der aktuellen Preisentwicklung zu Orten für „Rich Kids“ zu entwickeln. Und nicht zuletzt ist Clubkultur auch wegen ihrer Anziehungskraft auf Tou­ris­ti*n­nen für Berlin, was die „Schwerindustrie für Baden-Württemberg“ ist (O-Ton Stefan Förster). Auf der Website der Clubcommisson kann man über das erwähnte Panel hinaus mit Kernfragen der Club­ma­che­r*in­nen und Antworten aus der Politik nachlesen, dass die Clubs nicht nur auf dem Papier als Kulturstätten voll anerkannt sind.

Da rückt viel heran

Auch, wenn es vielen seltsam vorkommen mag, dass das Berliner Nachtleben kein politikfreier Raum bleiben kann: Es gibt noch mehr Bedrohungsszenarien als die genannten. Da rückt viel heran, sagt Pamela Schobeß. Wie kann man in einer dichter und teurer werdenden Stadt Clubs sichern? Wie kann man sie in Sachen Schallschutz und mehr Nachhaltigkeit unterstützen? Wie Genehmigungsverfahren für Veranstaltungen unter freiem Himmel vereinfachen? Und was tun mit der A100, die viele Clubs gefährden würde?

Im Grunde, da ist man sich einig, ist in den letzten Jahren schon einiges passiert in Berlin. Auch wenn Baurecht und Gewerbemietrecht Bundes- und nicht Ländersache bleiben und sich da recht wenig tue, gebe es durchaus Spielräume. Nur, dass dies noch nicht überall bis zur Berliner Verwaltung durchgesickert sei und die Bezirke diese Spielräume vollkommen unterschiedlich nutzen.

Insofern ist es sehr vernünftig, dass sich trotz Wahlkampf am Ende tatsächlich alle Teil­neh­me­r*in­nen des Panels einigen, endlich ein parteiübergreifendes Bündnis für die Clubkultur zu bilden. Vielleicht dringt es dann noch bis in die untersten Ebenen durch, dass der Stadt ohne ihre Clublandschaft viel fehlen würde.

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Redakteurin taz.Berlin
Jahrgang 1971, schrieb 1995 ihren ersten Kulturtext für die taz und arbeitet seit 2001 immer wieder als Redakteurin für die taz. Sie machte einen Dokumentarfilm („Beijing Bubbles“) und schrieb zwei Bücher über China („Peking" und "Chinageschichten“).
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7 Kommentare

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  • Da gibts, wasimmer das eigentlich bedeuten mag, die 'Soziokulturellen Zentren', die landauf landab schon seit Jahrzehnten kommunale Kohle einsammeln, obwohl sie nichts anderes sind als private Kulturverastalter. Das eigentümergeführte Privattheater zwei Häuser weiter geht leer aus. Eine als selbstverwaltet und selbstbestimmt gestartete Szene schickt in den 80-ies die ihren ins Management der staatlichen Fleischtöpfe und lebt dann gut davon. Jetzt also die nächste Generaion von 'Alternativen'. Clubs steuerfinanzieren: Vielleicht sinnvoller als die Milliarden für derzeit bundesweit anstehende Sanierungen von Opernhäusern - aber werwiewo entscheidet, WER Kohle kriegt und wer nicht ? Vitamin B wirds richten.

  • Berliner Politik auf der einen Seite: Wir sind gegen Overtourism, Rollkoffer und Sauftouren; auch Berliner Politik wir müssen die Clubs mit Geld das wir nicht haben unterstützen, damit Sauftouristen auch in Zukunft kommen.

  • warum ist,in den 80zigern keiner auf den Gedanken gekommen,die DiscoKULTUR zu retten und zu finanzieren. Hatten anderes zu tun , Antiakw,Nachrüstung,Hausbesetzung usw. Die Discos starben so vor sich hin und wurden oft durch den CLUB ersetzt Unnuh? . Wo ist denn die ganze Kohle aus Zeit der fetten Jahren hin ?Fette Autos long lines und mit Gejammer wird influenzt.

  • "Money turns the world go round...", nennt sich - auch - Tourismus heute!



    Bitte gerne zum Betäuben laut unter totalem Schallschutz - aber bitte nicht draußen, jeder zusätzliche Lärm in Städten ist Horror für die, die ihn erleiden müssen, Menschen und sonstiges Getier! Und das nennt sich für jene, die es nicht lieben, dann auch nicht mehr "Kultur", denn wer die Masse nicht unbedingt mag, das Untergehen darin, die Verschmelzung im Nichtsein...., aber o.k., der ist ohnehin aus der Zeit gefallen. Bringt ja auch kein Geld! Denn : Money turns...!

  • "Baurecht und Gewerbemietrecht" So so.

    Es geht um nichts weniger als das die Lärmbelästigung der Anwohner gesetzlich in Stein gegossen werden soll, damit Clubbesitzer weiterhin ihr Geld verdienen können .

    • @Rudolf Fissner:

      Ich will das Cafe Nord wiederhaben!



      www.deutschefototh...df_rme-pos_0000153



      (5.v.L.)



      Gut, damit können sie nichts anfangen!;-)



      Der Lärmstreit wird ewig wären!



      Ich verstehe auch die Anwohner! Da ich aber in luftiger Höhe(PHP) nur ein leises Grummeln vernehme schlage ich mich auf die Seite derer, die den Clubbesitzern die Kohle bringen.

      • @Ringelnatz1:

        Verstehen hin oder her.

        Wenn das Thema so Touristenbezogen debattiert wird, dann sollte man sich bei dem Lärmstreit (Kulturstättengedöns) auch so ehrlich dabei machen, dass man die Gesundheit der Bürger Berlins für nicht so wichtig hält wie die das Geld der Touristen und das auch benennen.