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Corona und psychische GesundheitNach der Pandemie

Die Coronapandemie hat bis heute Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche. Die Regierung beschloss deshalb am Mittwoch ein Maßnahmenpaket.

Das tägliche Testen war für die Kinder noch das kleinste Problem Foto: K. Schmitt/imago

Berlin taz | „Wir schulden es den Kindern, dass sie jetzt Priorität haben“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Mittwoch bei der Vorstellung eines Berichts zu den Folgen der Coronapandemie bei Kindern und Jugendlichen. Der Bericht wurde vom Gesundheitsministerium sowie dem Familienministerium erstellt. Demnach sind immer noch 73 Prozent der Kinder und Jugendlichen bis heute psychisch belastet.

Der Bericht enthält Handlungsempfehlungen, die zuvor im Kabinett beschlossen wurden. Es sollen mehr Therapieplätze geschaffen werden für Kinder und Jugendliche. „In Deutschland haben wir in den letzten zehn Jahren die Zahl der Psychotherapeuten erhöht, ohne dass die Wartezeiten kürzer wurden“, sagte Lauterbach am Mittwoch. „Es hat also keinen Sinn, die Zahl zu erhöhen.“ Stattdessen soll eine Sonderbedarfszulassung dazu führen, dass Menschen, die besonders gefährdet sind, schneller an Hilfe kommen.

Lauterbach äußerte sich am Mittwoch erneut zu den Schulschließungen: „Die sehr lange Phase der Schulschließungen war ein Fehler und hat den Kindern geschadet“, sagte er. Diese Schäden würden in dem Regierungsbericht dokumentiert. Deshalb müsse nun viel getan werden, um den Kindern zu helfen.

So sollen an Schulen ab dem kommenden Schuljahr sogenannte Mental Health Coaches eingesetzt werden. Sie sollen eine „Erste psychische Hilfe“ für die Schulkinder sein. Im Bundeshaushalt 2023 stehen dafür laut Bericht 10 Millionen Euro zur Verfügung. Zu den insgesamt fünf Handlungsfeldern gehören auch „Frühe Hilfen“, für die 56 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Insbesondere sollen Familien nach der Geburt entlastet und Fachkräfte gestärkt werden, die digitale Sprechstunden zu den Themen Flucht, psychische Gesundheit und Ernährung anbieten.

Kinder in Armut haben besonderen Unterstützungsbedarf

Der Bericht stützt sich auf sechs Studien zur Kindergesundheit, unter anderem die „Kindergesundheit in Deutschland aktuell“ (KIDA) vom Robert-Koch-Institut sowie der DAK Gesundheit. Die Arbeitsgruppe der Ministerien sah teils sehr unterschiedliche Ergebnisse der Studien und damit einhergehenden Handlungsempfehlungen, hielt aber fest: „Über die Unterschiede hinweg stellen alle Studien eine erhöhte psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie fest und zeigen auf, dass sich auch mehr als zweieinhalb Jahre nach Beginn der Pandemie deutliche Hinweise auf anhaltenden psychosomatischen Stress zeigen.“

So treten demnach bei vielen Betroffenen Essstörungen und Depressionen auf, auch würden sich Kinder und Jugendliche weniger bewegen. Auch sei auffällig, wie sich sprachliche sowie emotionale Entwicklung bei Betroffenen verzögere. Im Bericht der Arbeitsgruppe werden zudem Studien zitiert, die Eigenschaften für einen erhöhte Unterstützungsbedarf identifizieren. Dazu gehören Armut, ein geringerer Bildungsstatus der Eltern, Eltern in keiner festen Partner_innenschaft sowie ein Migrationshintergrund, beengte Wohnverhältnisse sowie psychische Belastungen bei den Eltern selbst.

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte dazu am Mittwoch: „Unter den Coronafolgen haben alle Kinder gelitten, durch alle Schichten, aber es ist schon schichtspezifisch, wie man auf Ressourcen zugreifen kann.“

Anna Philippi, Leiterin Wissenschaft/Wissenschaftskommunikation der Stiftung Kindergesundheit begrüßt der taz gegenüber die Pläne der Bundesregierung, mehr Ressourcen für die Stärkung der mentalen Gesundheit von Jugendlichen zur Verfügung zu stellen. Philippi betont aber auch: „Jetzt braucht es schnell wirksame und pragmatische Maßnahmen zur Verkürzung der Wartefrist auf einen Therapieplatz. Wichtig wären aber insbesondere erweiterte Jugendhilfemaßnahmen in besonders belasteten Wohnquartieren.“ Denn besonders Kinder und Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen seien viel stärker belastet.

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