Lockdownfolgen von Schü­le­r*in­nen: Gravierendes Missverhältnis

Die Maßnahmen gegen die Lockdownfolgen reichen nicht aus. Vor allem passen sie nicht zur wohl hohen Zahl an psychisch belasteten Kindern und Jugendlichen.

Schülerinen mit einem Covidtest

Mittlerweile wissen Kinder vermutlich besser, wie sie mit Covid-Tests umgehen statt mit Buntstiften Foto: K. Schmitt/Fotostand/imago

Als die Ministerien für Familie und Gesundheit am Mittwoch Maßnahmen zur Bewältigung der Coronafolgen bei Kindern und Jugendlichen vorstellten, fiel eine eindrückliche Zahl: 73 Prozent der Kinder und Jugendlichen seien noch immer psychisch belastet von den Einschränkungen während der Pandemie. Die Medien haben diese Zahl weitergetragen. Aber entweder ist sie übertrieben, oder die vorgestellten Maßnahmen stehen in keinem Verhältnis. Oder beides.

Wenn tatsächlich rein statistisch über 6 Millionen Schü­le­r*in­nen an 32.000 allgemeinbildenden Schulen psychisch belastet sind, was soll dann ein Modellprojekt mit „Mental Health Coaches“ an 100 Schulen bringen? Wie soll das die Lücke schließen, die die im Nachhinein als verheerend bewerteten Schließungen von Schulen und anderen Einrichtungen aufgetan haben? Die Bildungsgewerkschaft GEW kritisiert die Maßnahme als „nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein“. Das ausgelutschte Bild wird dem Missverhältnis kaum gerecht.

Ein Blick in den Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe, die die Maßnahmen erarbeitet hat, zeigt: Dort werden mehrere Studien mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen angeführt. Es wird auf verschiedene Erhebungsmethoden und fehlende Daten verwiesen. Die 73 Prozent beziehen sich auf eine Selbsteinschätzung von 11- bis 17-Jährigen. Deren verallgemeinernde Verwendung in der öffentlichen Darstellung sollte wohl das Maßnahmenpaket stützen, das unter anderem auch mehr Geld für Familienhebammen und Kitas sowie mehr Therapieplätze vorsieht.

Hier zeigen sich gleich zwei politische Versäumnisse: Die bereits zu Beginn der Pandemie aufgestellte Forderung nach einem verlässlichen Monitoring hat weiter Bestand. Zum anderen bleibt die Einschätzung, was angemessene Hilfe bedeutet, auch unabhängig von der Zahl 73 absurd. Der Ethikrat betonte im November: „Belastungen müssen gemeinschaftlich kompensiert werden, wenn sie infolge von Maßnahmen eingetreten sind, über die politisch entschieden wurde“. Vor allem an den Schulen muss deutlich mehr passieren.

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Redakteurin in der Inlandsredaktion, schreibt über Gesundheitsthemen und soziale (Un-) Gerechtigkeit.

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