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Klimaschutz im KabinettZuuuuuuuuuuuu­rücktreten, bitte!

Arbeitsverweigerung? Kommt auch vor im Bundeskabinett. Da muss es gar nicht um den Schutz von wilden Großkatzen gehen.

Ein Bundeskanzler, der den Klimaschutz so zur Chefsache macht, dass er viel davon redet und kaum was tut Foto: Michael Kappeler/dpa

D iese Woche ist nun also die ranghöchste deutsche Artenschutzbeauftragte von ihrem Amt zurückgetreten. Nie wurde so intensiv über Habitate, Verhalten und Bedürfnisse der großen deutschen Beutegreifer diskutiert wie unter Christine Lambrecht: Warum ist der Puma so schlapp? Warum bleibt der Luchs immer unsichtbar? Haben wir noch genug Marder in Wald und Flur? Was braucht der Gepard? Und wie viele Leoparden halten wir hier bei uns?

Die Frau mit dem englischen Beutetier im Namen musste also gehen. Zu wenig Begeisterung für den Job, Stöckelschuhe im Feld, ein in jeder Hinsicht verwackeltes Silvestervideo. Das reicht heute schon für den Rücktritt einer Bundesministerin. Als gäbe es nicht bessere Gründe, seinen Job zu kündigen in der Vorstandsetage der Deutschland AG, die sich der Rettung der Welt verpflichtet hat.

Da ist ein Verkehrsminister, der sich schlicht weigert, bei der Gemeinschaftsaufgabe Klimaschutz mitzumachen. Der das im Koalitionsvertrag versprochene Sofortprogramm Klimaschutz blockiert, mit dem das Land das Klimaschutzgesetz und ein grundlegendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen muss. Das könnte man als Arbeitsverweigerung werten.

Da ist eine Bauministerin, die es nicht schafft, die zugigen Gebäude im Land klimafest zu machen. Die zusieht, wie ihr Bereich das Klimaschutzgesetz verletzt und erst spät anfängt, dagegen etwas zu tun. Reicht die Schulnote fürs Betragen: „sie bemühte sich stets nach Kräften“, um im Amt zu bleiben?

Da ist ein Finanzminister, der die versprochenen Mehrausgaben für internationalen Klimaschutz nicht umsetzt. Und der in jedem Bundeshaushalt 65 Milliarden Euro Steuergeld verteilt, die Umwelt und das Klima ruinieren. Aber gleichzeitig nicht weiß, wie er mehr Geld für den klimaneutralen Umbau auftreiben soll. Kann so ein Geizkragen an der falschen Stelle seinen Job behalten?

Da ist ein Klimaschutzminister, der alles gleichzeitig macht, nur keinen Klimaschutz. Der steigende Emissionen verantwortet, alte Kohlekraftwerke länger laufen und weiter Kohle abbaggern lässt und neue fossile Infrastruktur baut. Reicht die Entschuldigung „tut mit echt leid, Leute, es war Krieg“, um weiter diesen Ehrentitel zu führen?

Und da ist ein Bundeskanzler, der den Klimaschutz so zur Chefsache macht, dass er viel davon redet und kaum was tut. Der einfach mal so und ohne jemanden zu fragen bei neuen Gasprojekten in Senegal das Versprechen bricht, Deutschland werde keine fossilen Projekte mehr finanzieren. Kann man wirklich mit Basta und Bazooka Klimakanzler sein?

Vielleicht hätte Christine Lambrecht als Grund für ihren Rücktritt sagen sollen: „Ich bin mit dem klimagerechten Umbau der Bundeswehr gescheitert.“ Das wäre natürlich komplett irre gewesen. Aber auch nicht viel anders als die Klimabilanz ihrer jetzt ehemaligen ArbeitskollegInnen am Kabinettstisch.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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3 Kommentare

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  • Auch von mir: Kompliment, Herr Pötter, und auch Herrn Hamm gebe ich Recht.



    Mir fehlen aber noch ein paar "Schuldige": Die vielen Zeitgenossen aus der Spezies Otto Normalverbraucher, die in ihrem ganz persönlichen Umfeld einiges tun könnten, um der Umweltzerstörung und dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen, und die es wider besseres Wissen nicht tun.

  • Die Grünen als Verräter - ich kann's nicht mehr hören. Bei der Bundestagswahl kamen die Grünen auf 14,8% der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von nicht ganz 77%. Leute, dann wählt doch endlich mehr Grün, dann gibt's auch eine Mehrheit, mit der sich was bewegen lässt! Aber nein, die Grünen sollen ja die Welt retten, ohne jemandem auf die Füße zu treten und ohne eine Mehrheit hinter sich zu haben. Sobald sie wirklich mal wirksame Maßnahmen einfordern, geht ein Aufschrei durch dieses Land: Ökodiktatur! Es ist immer einfach, von anderen etwas einzufordern, was man selbst nicht leisten will. Es reicht nicht, in Umfragen zu sagen, man finde Klimaschutz ganz, ganz wichtig, und dann doch wieder zu fliegen und zu konsumieren, was das Zeug hält.



    Ja, es braucht dringend Vorgaben und Gesetze für den Klimaschutz, aber es braucht dafür eben auch die entsprechenden Mehrheiten in den Parlamenten. Das nennt man Demokratie. Und es braucht genauso sehr viel mehr Menschen, die nicht nur Veränderungen "von oben" verlangen, sondern Veränderung LEBEN.

  • Dieser Rundumschlag hat gesessen, Kompliment.



    Traurig nur ist das Wissen, dass keine andere Partei es besser machen würde und mit den Grünen uns die letzte Umweltpartei verraten hat.