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Beyoncés Konzert in DubaiEin Ständchen für Autokraten

Beyoncé sang bei einer Hoteleröffnung in Dubai. Dabei gab es olle Liebesnummern und viel neoliberalen Girlboss-­Feminismus.

Beyoncé sang in Dubai bei einer Hoteleröffnung. Finanziell hat sich das für sie gelohnt Foto: Chris Pizzello/ap

E s ist immer so eine Sache mit Pop und Moral. Nichts ist langweiliger als tugendhafter, sittlicher Pop. Niemand will aalglatten Charity-Sound, Ambivalenz ist das Kapital eines jeden Popstars. Im Auftrag von autoritären Regimes aufzutreten, hatte trotzdem schon immer ein Geschmäckle, wie nicht nur Shakiras Absage der WM-Eröffnung kürzlich in Katar zeigte. JLo sang einst „Happy Birthday“ für den turkmenischen Diktator Berdimuhamedow und gab an, nichts von dessen Menschenrechtsverletzungen gewusst zu haben.

Nelly Furtado performte für den Gaddafi-Clan und spendete die 1 Million US-Dollar Gage danach angeblich an eine Hilfsorganisation, ohne je anzugeben, an welche. Alle mussten sich entschuldigen, sind letztlich aber damit durchgekommen, weil es ebendiese kleinen und großen Skandale sind, die einen Popstar im Gespräch halten, im Sinne von: Es gibt keine schlechte Presse, wenn es nur noch um das Generieren von Aufmerksamkeit geht, ergo Profit.

Als Beyoncé vergangene Woche bei einer Hoteleröffnung in Dubai sang, staunte man dennoch nicht schlecht. Zum einen, weil Be­yon­cé einer der größten Popstars unserer Zeit ist, seit vier Jahren kein Konzert mehr gegeben hat und das Comeback als Hotelanimateurin ihrer einfach nicht würdig schien. Zum anderen aber, weil der Skandal um die WM in Katar noch nicht lange genug her ist, als dass man Dubai als Veranstaltungsort ganz kommentarlos erwähnen könnte.

Auch wenn Tourist_innen aus aller Welt in Dubai gern gesehen sind, solange sie möglichst viel Geld dalassen, unterliegen die Vereinigten Arabischen Emirate dem Scharia-Gesetz, das gerade für Frauen und Queers Gewalt und Unterdrückung bedeutet. Mit einem seltsam bedeckten Outfit und ohne Tanzeinlagen trällerte Beyoncé dort 19 Songs runter und soll dafür 24 Millionen US-Dollar eingestrichen haben. Fans empörten sich ein paar Tage lang, aber viele werden sich irgendwann fragen müssen: Are we surprised?

Explizit politisch äußern Beyoncés Bildsprache und Songs höchstens ein paar Solidaritätsbekundungen mit Black Lives Matter, ansonsten eher viel neoliberalen Girlboss-­Feminismus. Zwar kokettiert die Sängerin immer wieder mit radikalen Referenzen wie in Wasser ersaufenden Polizeiautos oder einer Show-Hommage an die Black-Panther-Bewegung.

Doch ist auch hinlänglich bekannt, dass ihr Modelabel unter menschenunwürdigen Bedingungen in srilankischen Sweatshops produziert und dass sie trotz eines Streiks der Belegschaft in einem Hotelrestaurant ihre dortige Oscar-Party nicht absagen wollte. Es gibt immer genug Empörungspotenzial für einen kleinen Shitstorm und ein paar Schlagzeilen, aber hat irgendwas davon Beyoncé jemals geschadet? Man könnte sagen: Beyoncé ist einer der reichsten Menschen der Welt, und genauso verhält sie sich. Manche hassen sie dafür, manche bewundern es, andere versuchen darüber hinwegzusehen, weil Beyoncé eines kann, was viele andere Milliardäre nicht können: krass gute Kunst machen.

Beyoncés aktuelle Platte etwa wird seit letztem Sommer so majestätisch gefeiert, dass sogar ihre Hater heimlich „Renaissance“ hören müssen. Als Hommage an die queere Community lebt das Album von vielen Ballroom- und House-Referenzen sowie Produktionen und Ins­pi­ra­tio­nen von queeren Künstler_innen. Es wird kein Zufall gewesen sein, dass Beyoncé keinen dieser neuen Songs in Dubai gespielt hat, wo gar die öffentliche Thematisierung von Homosexualität verboten ist.

Stattdessen gab es olle Liebesnummern, ihr Ehemann klatschte im Publikum mit, das Töchterchen sang ein ­Duett mit Mama – die Ehrung der Kleinfamilie statt des queeren Ballrooms, den Emiren wird es gefallen haben. Und schließlich wird klar, dass Beyoncé wohl mehr mit ihren Auftraggebern gemein hat als mit den Communitys, aus denen ihre Kunst schöpft.

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Fatma Aydemir
Redakteurin
ehem. Redakteurin im Ressort taz2/Medien. Autorin der Romane "Ellbogen" (Hanser, 2017) und "Dschinns" (Hanser, 2022). Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift "Delfi" und des Essaybands "Eure Heimat ist unser Albtraum" (Ullstein, 2019).
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12 Kommentare

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  • Aber im Grunde lässt man den sogenannten Megastars doch alles durch. 1 Mio für ein bisschen trällern, oder im Fall Adele 3 Monate lang jeden Abend 1 Mio von einem Hotel.... Ich sehe da wenig Kritik. Aber wehe ein Unternehmer hier würde 90Mio p.a. verdienen, wie unsozial.

  • Mir ist schleierhaft, warum Beyoncés Platte dermaßen gefeiert wurde; die NYT hatte sich mit ihren täglichen Lobpreisungen fast überschlagen. Aber warum sollte man Beyoncé besonders kritisieren, tut sie doch, was viele andere Stars auch tun: Geld scheffeln. So weit ich mich erinnere, hat sie schon einmal vor ein paar Jahren für den Gaddafi-Clan für zig Millionen ein privates Konzert gegeben.

  • Eigentlich zeigt es nur eines: jeder ist käuflich, wenn der Preis stimmt, und gegenüber Milliardären sind Millionäre wie sie noch immer arme Schlucker. Auch sind Popstars keine Heiligen, im Gegenteil, aber häufig haben sie eben solch ein Image. Gut, es gibt Ausnahmen wie Robbie Williams, aber meistens funktionieren sie doch nur als die netten Leute, die auch nebenan wohnen könnten.

    Rockstars sind da meist ehrlicher, denn die meisten haben solch ein Saubermann-Image erst gar nicht, man denke nur an Ozzy Ozbourne u.v.a.

    Und natürlich auch: sex sells. Es schadet nicht, dass der durch Schönheits-OPs optimierte Körper von Beyonce manchen Unterwäsche-Models Konkurrenz machen kann, und sie den auch gerne oft und bereitwillig äußerst freizügig in Videos zur Schau stellt.

    Natürlich kann man auch ohne sowas Erfolg haben, man schaue sich mal Ed Sheeran an. Aber schaden tut es eben nicht, wenn man über solch einen geölten Körper verfügt.

  • Wozu die Aufregung? Sie hat doch Geld dafür bekommen.

  • Wovon Scheichs so träumen!

  • Die innige Verbindung von Geldgier und Größenwahn..., willkommen in der "feministischen" Pop- Kultur! Ja, der Kapitalismus umarmt auch diese seine Kinder!

  • Danke für den Artikel. Ich fand den kürzlich erschienenen Film triangle of sadness sehr bezeichnend. Er zeigt, dass viele Reiche einen sehr distanzierten Bezug zu dem womit sie ihr Geld machen haben. Das ist ihnen schlichtweg egal was das für moralische Implikationen hat. Das Ehepaar das sich über das Minenverbot echauffiert weil es ihnen Verluste gebracht hat. Man liebt sich einfach selbst zu sehr. Dieses kurze denken, diese gruselige Ignoranz. Das ist überall. Gut, dass wir etwas dagegen tun können.

  • Die deutschen Nationalmannschaft auch sich auch politisch nur indirekt geäußert. War dort, um Fußball zu spielen. Klar, mit Geste und so. Aber explizit? Nö.

    So, wie Beyoncé.

    "... Explizit politisch äußern Beyoncés Bildsprache und Songs höchstens ein paar Solidaritätsbekundungen mit Black Lives Matter, ansonsten eher viel neoliberalen Girlboss-­Feminismus. ..."

    Und Frau Faeser? In Dubai. Wie hat sich Frau Faeser in Dubai geäußert? Bekundungen für Haltung und Solidarität. So wie Beyoncé.

    Immerhin waren beide Gästin in diesem Land. Auch wenn es weh tut. Wer eingeladen ist, wird selten sofort viel erreichen. Als Gast und Gästin.

    • @Zweitkorrektur:

      Nun Frau Faeser hat immerhin eine Armbinde getragen, die Solidarität mit bestimmten in arabischen Ländern unterdrückten Gruppen ausdrücken soll. Nicht viel, aber immerhin etwas.



      Beyonce hat - wie ich das hier lese - ihr aktuelles Repertoire gezielt von allen Hinweisen auf ihre Solidarität mit diesen Gruppen befreit. Was nicht nur nichts, sondern sogar eine Zustimmung zur Unterdrückung darstellt.

      • @Herma Huhn:

        "... Was nicht nur nichts, sondern sogar eine Zustimmung zur Unterdrückung darstellt...."

        Sie überinterpretieren, denke ich.

        Als Herr Habeck mit tiefer Verbeugung Gespräche führen wollte, in deren Verlauf er Erdgas für den kalten Winter kaufen wollte, trug er auch keine Armbinde bzw. hat möglicherweise auch nicht (zuerst) über Menschenrechte gesprochen.

        Ich würde das Fehlen der Armbinde bei den Erdgasgesprächen im arabisch Raum nun auch nicht als Habecks Zustimmung zur Unterdrückung werten.

        Mehr noch: Habecks fehlende Armbinde ist sogar ein ganz expliziter optischer Hinweis auf genau diese Unterdrückung.

        Ich würde mir wünschen, dass Frau Faeser die Armbinde täglich trüge.

  • Wieder so jemand, der in meiner Bubble gar nicht vorkommt.

    • @Cededa Trpimirović:

      Ich merke auch immer, wie klein meine Bubble war, ehe ich die taz für mich entdeckt habe.