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Pestizide im ObstanbauGift für Äpfel aus Südtirol

Die EU erfasst nicht zentral, wie viele Pestizide wo ausgebracht werden. Nun zeigen Daten, dass 2017 im Vinschgau täglich gespritzt wurden.

Apfelanbaugebiet in Südtirol Foto: Imago

Berlin taz | Jeder zehnte Apfel in deutschen Supermärkten kommt aus Südtirol – viele davon aus dem Vinschgau, einem beliebten Urlaubsziel in Norditalien. Eine Auswertung des Verbands Umweltinstitut München zeigt nun: Vinschgauer Land­wir­t:in­nen brachten 2017 täglich Pestizide im Apfelanbau aus, darunter viele gesundheits- und umweltgefährdende Substanzen. Die Organisation fordert, dass die gefährlichsten Pestizide und alle Unkrautvernichtungsmittel „im Südtiroler Obstanbau sofort verboten werden“.

In den Daten sind 590.000 Spritzeinsätze dokumentiert. Von März bis September 2017 gab es demnach keinen Tag, an dem im Vinschgau nicht gespritzt wurde. Auf einer Apfelplantage wurden durchschnittlich 38 Einsätze in der Saison verzeichnet.

„Mehrere der am häufigsten eingesetzten Pestizide sind vermutlich fortpflanzungsschädigend oder vermutlich krebserregend“, sagte Christine Vogt, eine der Au­to­r:in­nen der Untersuchung. Am fünfthäufigsten sei Glyphosat gespritzt worden, das die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. „Zum Einsatz kam auch das inzwischen verbotene Chlorpyrifos-methyl, das die Gehirnentwicklung von ungeborenen Kindern schädigen kann.“ Bei fast einem Viertel aller Pestizidbehandlungen seien Wirkstoffe verwendet worden, die als besonders schädlich für Nützlinge wie beispielsweise Schlupfwespen gelten. Manche der damals verwendeten Wirkstoffe sind inzwischen verboten.

Erst ab 2028 sollen einer EU-Verordnung zufolge die Mitgliedstaaten die Daten zu Pestizideinsätzen sammeln und melden. Die Auswertung des Umweltinstituts wurde daher nur möglich, da die Staatsanwaltschaft Bozen die Daten beschlagnahmt hatte. Denn nachdem der damalige Agrarreferent des Umweltinstituts 2017 die Pestizideinsätze in Südtirol kritisiert hatte, zeigten ihn Hunderte Land­wir­t:in­nen wegen „übler Nachrede“ an.

Am Dienstag präsentierte die EU-Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ im Europarlament die von mehr als einer Million Un­ter­stüt­ze­r:in­nen unterschriebenen Forderungen, keine chemisch-synthetischen Pestizide mehr einzusetzen.

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3 Kommentare

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  • Um mal hier von dem Beispiel - schlimm genug - auf eine allgemeine Ebene rauszuzoomen - der Stand der Zerstörung und Vergiftung sind bereits weit vorangeschritten und viele Tiere sind bereits ausgestorben und es sterben immer schneller mehr Tiere aus. Eine wesentliche Ursache ist die Landwirtschaft und hierunter ist ein Faktor der Pestizideinsatz. Hierzu will ich den Vortrag "Time is up!" von Mark Benecke empfehlen, in dem dieser Zusammenhänge erläutert und auf den wissenschaftlichen Stand eingeht. Der ganze Vortrag ist aus meiner Sicht empfehlenswert, ab Minute 36 geht es um den Sachverhalt Landwirschaft, Artensterben und Pestizide:



    www.youtube.com/watch?v=Z_p9yYXZuCI

  • Ich verstehe nicht, dass man dort auch noch Urlaub macht, genauso wenig wie die Ausflügler, die in deutschen Weinbaugebieten ihre Tagesausflüge im frisch gespritzten Wingert geniesen. Immer noch gelangt vieles der Pestizide in die Luft, insbesondere bei warmen Wetter.

  • Ferndiagnosen sind grundsätzlich fragwürdig, aber dennoch lässt sich auch aus ein paar hundert km Entfernung von Südtirol eindeutig sagen, dass dort garantiert keine phosphonsäurebasierten Inhibitoren auf Apfelbäume gespritzt wurden! Vielleicht wurde nach der Ernte Glyphosat auf die Böden um die Apfelbaumstämme herum appliziert? Das wäre denkbar und ist auch zulässig, aber zu diesem Zeitpunkt sind die Äpfel dann schon weit weg von Südtirol.