piwik no script img

Soldaten der russischen ArmeeAus dem Knast an die Front

Die russische Armee braucht Soldaten. Bei der Rekrutierung greift sie auf immer verzweifeltere Mittel zurück.

Der russische Verteidigungsminister Schoigu braucht Soldaten, hier bei einen Frontbesuch am 22. Dezember Foto: Russian Defense Ministry Press Service/ap

Die russische Armee werde alles bekommen, was sie brauche, hatte Präsident Wladimir Putin noch am Mittwoch großspurig vor hochrangigen Militärvertretern in Moskau angekündigt. Offensichtlich gehören dazu auch Migranten aus Tadschikistan ohne jegliche Kampferfahrung

Zwei von ihnen liegen jetzt in ihrer Heimat auf dem Friedhof. Das berichtet das russischsprachige Webportal Nastojaschee vremja unter Verweis auf den tadschikischen Dienst von Radio Freies Europa. Demnach hätten Boboaziz Tujdijew und Manutscher Schodow in Russland mehrjährige Haftstrafen abgesessen und seien direkt in den Ukrai­ne­krieg geschickt worden.

Laut Tujdijews Vater habe sein Sohn, wegen eines Drogendelikts zu sechs Jahren Freiheitsentzug verurteilt, am 23. September am Telefon von diesem Himmelfahrtskommando berichtet, jedoch gesagt, er habe keine andere Wahl gehabt.

Die Leiche des 22-Jährigen wurde in der vergangenen Woche bestattet. „Er war am Hinterkopf verwundet, fast die Hälfte seines Kopfes fehlte“, so ein Onkel, der sich um die Überführung des Toten gekümmert hatte. Die russischen Behörden hätten zwar finanzielle Unterstützung versprochen, jedoch keine Kopeke herausgerückt. Für die Lieferung der „Fracht 200“ habe die Familie selber aufkommen und dafür Geld bei Migranten sammeln müssen. Im Fall des zweiten Tadschiken sei dessen Familie nicht über den Einsatz in der Ukraine informiert worden.

Migranten aus Zentralasien werden angeworben

Die Behörden Tadschikistans hätten die Information, dass tadschikische Bürger in Russland aus Gefängnissen in den Krieg geschickt werden, weder bestätigt noch dementiert, berichtet Nastojaschee vremja. Aus dem tadschikischen Konsulat in Jekaterinburg hieß es, man stehe in ständigem Kontakt mit inhaftierten Tadschiken, habe jedoch bezüglich von Personen, die zur Armee geschickt würden, weder „Beschwerden“ noch „genaue Informationen“ erhalten.

Laut Medienberichten werden in Russland vor allem auch Migranten aus Zentralasien gezielt für einen Einsatz in der Ukraine angeworben. Neben dem Versprechen einer für russische Verhältnisse überdurchschnittlichen Entlohnung wird als Köder auch ein schnellerer Erhalt der russischen Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • The White House so:

    "In der Ukraine sind nach Angaben der amerikanischen Regierung Zehntausende Söldner der russischen „Wagner“-Kampfgruppe stationiert. Man schätze, dass derzeit 50.000 Söldner in der Ukraine im Einsatz seien, darunter 40.000 Strafgefangene, sagte der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, John Kirby, am Donnerstag in Washington.

    Allein in den vergangenen Wochen seien etwa 1000 „Wagner“-Kämpfer bei Kämpfen getötet worden. Rund 90 Prozent von ihnen seien Sträflinge gewesen, sagte Kirby."

    www.faz.net/aktuel...rika-18554779.html

    Das klingt ziemlich schrecklich.

  • @Benjamin Schett , @Machiavelli

    danke für die Tipps. Alles was den Horizont erweitert ist ein Geschenk.

    • @Waldo:

      Korrigiere der Titel ist When Titans Clashed gibt leider von David Glantz keine deutschen Übersetzungen, aber seine Bücher sind exzellent, mit umfangreicher Bibiliographie.

  • Vielleicht sollte man der Vollständigkeit halber erwähnen, dass auch die Ukraine aus Gefängnissen rekrutiert. Die ersten Meldungen dazu gab es Ende Februar/Anfang März:

    www.stern.de/polit...ehen-31665408.html

    Umgesetzt wird es seit Anfang April,



    wenn ich mich richtig erinnere.

    Wenn man ehrlich ist muss man festhalten, dass auf BEIDEN Seiten Menschenleben nicht viel zählen, auch wenn das momentan nicht ins gängige Narrativ passt.

    Ich finde die Zahl von Verlusten von ca 100.000 auf beiden Seiten sehr schockierend (wobei es ja leider sogar Hinweise gibt, dass sie auf beiden Seitemsogar noch deutlich höher sein könnten).

    Ich hoffe, dass sich früher oder später die Erkenntnis durchsetzt, dass dieser Krieg nicht militärisch gewonnen werden kann.

    • @Alexander Schulz:

      Die Ukraine rekrutier(e) aus Gefängnissen im Rahmen der - mittlerweile ausgesetzten - allgemeinen Wehrpflicht.

      Russland rekrutiert aus Gefängnissen, um Putins Krieg nicht "Krieg" nennen zu müssen.

      Das ist schon ein gewisser Unterschied.

    • @Alexander Schulz:

      "Ich hoffe, dass sich früher oder später die Erkenntnis durchsetzt, dass dieser Krieg nicht militärisch gewonnen werden kann."



      Kaum anzunehmen, wenn "ausbluten" oder "aushungern" ebenfalls unter militärisch fällt.



      Selbst Verhandlungen wären je nach Ausgang militärisch interpretierbar, da die militärischen Aktionen die Grundlage für die verhandlungstechnische Ausgangslage wären.



      Insofern ist die Aussage, dieser Krieg könne nicht militärisch gewonnen werden, sowieso falsch.

  • Da die meisten sterben, ist das ein guter Deal für den russischen Staat. Von wegen überdurchschnittliche Bezahlung und russ. Staatsbürgerschaft. Der Armee bringt das garnichts. Die qualifizierten Soldaten haben dann ihre Laufburschen, aber für die nennenswerten Zerstörungen braucht Putin deshalb die Raketen …

  • Das erinnert irgendwie an die Geschichten aus dem 2 Weltkrieg wo Soldaten der roten Armee von ihren Offizieren mit gezogener Waffe in den sicheren Tod geschickt wurden.



    Auch die "freiwillige" Anwerbung von nicht politischen Gefangenen war da meines Wissens auch üblich.

    • @Waldo:

      Falls sie des Englischen mächtig genug sind empfehle ich ihnen David Glantz Clash of Giants, das ist der beste westliche Experte zur Soviet-Armee im zweiten Weltkrieg. Der legt recht gut da wie die Soviets wirklich kämpften.