Animationsfilm „Pompo“ auf DVD: Unfug, in hohem Tempo serviert
Der Animationsfilm „Pompo: The Cinephile“ erzählt von einer juvenilen Filmproduzentin. Seine springlebendige, überlebensgroße Titelheldin macht Spaß.
Ihr Name: Joelle Davidovich Pomponette. Kurz: Pompo. Sie ist ein Mädchen von rund dreizehn Jahren, wild schwingende orange Haare, strahlende Kulleraugen, ein Energiebündel, außerdem: Filmproduzentin. Die Firma Peterzen Films hat sie von ihrem Großvater J. D. Peterzen übernommen, einer Legende im Business.
Der ist nun im Ruhestand und bastelt in Avantgarde-Manier neue Filme aus unzusammenhängenden Zelluloidresten. Mit dem, was sein Studio so treibt, hat das wenig zu tun. Enkelin Pompo schenkt der Welt wie zuvor er B-Pictures mit knapp gekleideten Frauen im Kampf gegen den Oktopus und andere Tiere.
Groß prangen die Buchstaben NYALLYWOOD über der Metropole, die eine verfremdete Version von Los Angeles ist. Hier ist Pompo zu Hause, ausgedacht hat sich das alles ein Mangakünstler namens Shogo Sugitani, der die Geschichten um „Pompo: The Cinephile“ seit 2017 erst als Webcomic, dann auf Papier veröffentlicht hat. Und nun hat das erst seit wenigen Jahren existierende Anime-Studio CLAP einen Film draus gemacht, der in den USA sogar einen (kleinen) Kinostart hatte und bei uns jetzt auf DVD erscheint.
Cinephil ist Pompo tatsächlich. Und außerordentlich frühreif, falls man Realismuserwartungen an eine solch schräge Fantasie-Ausgeburt richten will.
„Pompo: The Cinephile“ (Japan 2021, Regie: Takayuki Harao). Die DVD ist ab rund 25 Euro im Handel erhältlich.
In den Mangas erfährt man, dass zu ihren Lieblingsfilmen Damien Chazelles „Whiplash“ und Quentin Tarantinos „Death Proof“ gehören; tarantinoesk ist ihr ziemlich weit gefächerter Movie-Nerd-Geschmack, denn auch dem Arthouse ist sie nicht abgeneigt, solange jedenfalls, wie ein Werk nicht den größten aller Fehler begeht, nämlich länger als neunzig Minuten zu dauern. (Chantal Akermans jüngst zum besten Film aller Zeiten gewählter Dreieinhalbstünder „Jeanne Dielman“ wäre ganz gewiss nicht nach Pompos Geschmack.)
Identifikationsangebot mit eingebauter Wunscherfüllung
Pompos Produzentin-Genie beweist sich am sicheren Blick bei der Auswahl von Regisseuren und Stars. Der schüchterne Nerd Gene Fini ist nur ihr Produktionsassistent, aber sie erkennt in ihm den Mann, der ihr eigenes Drehbuch für ein ambitioniertes Werk mit dem vielsagenden Titel „Meister“ verfilmen kann. Die weibliche Hauptrolle spielt ein bislang völlig unbeschriebenes Blatt namens Natalie, für den Titelpart holt sie Martin Braddock zurück, den besten Schauspieler seiner Zeit, der aber, weil ihn die Drehbücher langweilen, seit zehn Jahren keine Filme mehr dreht.
Der Film zeigt nun Szenen vom Dreh, dafür zieht es ihn nach Genf und in die Schweizer Berge, das sieht akkurat aus, wie es im frühen Anime „Heidi“ aussah. Gene Fini ist als Debüt-Regisseur überfordert und weiß doch, was er tut. Das Kino hat ihm, dem Nerd ohne Freundin und Freunde, schon immer das Leben gerettet. Und so läuft die Cinephilen-Ideologie von „Pompo“ denn auch, wie der Film selbst, auf das Kino als Hineinträum- und Identifikationsangebot mit eingebauter Wunscherfüllung hinaus. Entsprechend scheint „Meister“ in den Film-im-Film-Szenen doch eher eine Schmonzette um ein Dirigenten-Genie in der Krise.
Manchem Klischee dieser Art zum Trotz macht „Pompo: The Cinephile“ dennoch neunzig Minuten lang Spaß. Weil noch der Unfug in so großem Tempo serviert wird, dass man ihn schnell schlucken kann, ohne ihn verdauen zu müssen. Zumal Regisseur Takayuki Harao hier zum Überbordenden neigt. Split-Screens- und Bild-Spielereien, Wechsel der Animationsstile, Flugzeugflüge teilen wie sich öffnende Reißverschlüsse das Bild.
Empfohlener externer Inhalt
Trailer „Pompo: The Cinephile“
Die Zahl der Einfälle pro Minute ist so hoch, da muss nichts zu Ende gedacht sein. Den männlichen Geniekult, der in ihm steckt, hintertreibt der Film zum Glück mit seiner springlebendigen, überlebensgroßen Teenager-Produzentin-Titelfigur.
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