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Kandidatin zur Miss GermanyStimme für die Trans*-Community

Laurén Kaczmarczyk steht im Halbfinale von Miss Germany. Der Wettbewerb hält ihrer Meinung nach, was er verspricht: Es geht nicht mehr ums Äußere.

Will Miss Germany sein: Laurén Kaczmarczyk Foto: Ariel Oscar Greith

Bremen taz | Die Entscheidung, sich beim Wettbewerb Miss Germany zu bewerben, hat Laurén Kaczmarczyk spontan, aber bedacht gefällt. „Ich wusste, wenn ich mich der Öffentlichkeit so aussetze, wird mein trans* Sein in den Vordergrund rücken.“ Doch letztlich hat der Wunsch überwogen, ihre Stimme für die Trans*-Community zu erheben. Inzwischen steht sie im Halbfinale.

Für Kaczmarczyk ist Miss Germany genau das, was es zu sein versucht, seit der Wettbewerb vor einigen Jahren umgekrempelt wurde und sich nun eine „Female Empowerment-Plattform für die Stimmen der Gegenwart“ nennt.

„Wir haben Gründerinnen“, erzählt sie, „Frauen, die Rassismus erlebt haben, die sich für Diversität einsetzen. Wir haben alle eine individuelle Mission und ein persönliches Leid erlebt, was uns dazu gebracht hat, teilzunehmen.“ Es gehe nicht mehr ums Äußere, nicht mal am Rande. „Ich hatte bislang keine Sekunde das Gefühl, ich würde bewertet werden.“

Durch ihre Kandidatur ist nicht nur die Presse auf sie aufmerksam geworden, auch bei Instagram „kommen viele sehr respektvolle Fragen und Kommentare, aber auch immer wieder Hass und Hetze“. Doch davon könne sie sich inzwischen recht gut distanzieren.

Respekt plus Hass und Hetze

Das war nicht immer so. In der anfänglichen Transition, als sie sich „physisch immer mehr dem weiblichen Stereotyp angenähert“ habe, seien Menschen verunsichert gewesen. Und für Kaczmarczyk sei es „unglaublich schwer zu begreifen“ gewesen, dass das alles niemanden etwas angehe. Einmal, noch in der Schulzeit, sei sie mit Müll beworfen und angespuckt worden. „Mittlerweile ist das kein Thema mehr, weil mein Frausein gar nicht mehr infrage gestellt wird.“

Dass sie sich vor Menschen rechtfertigen muss, trans* zu sein, habe sich inzwischen erledigt. Das Thema jedoch nicht: „Trans* Sein wird, auch in den Medien, immer noch zu oberflächlich behandelt und reduziert auf die Genitalangleichung. Es entspricht einfach nicht der Wahrheit, dass diese Operation im Mittelpunkt steht oder Pflicht ist, um trans* zu sein.“

Kaczmarczyk kommt aus dem niedersächsischen Salzgitter, ist für ihre Ausbildung zur Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin nach Bad Nenndorf gezogen. Ende Januar geht es nach Hannover.

Dort wird sie in einer logopädischen Praxis arbeiten und vor allem trans* Menschen begleiten, die ihre Stimme ihrem Geschlecht anpassen möchten; hauptsächlich trans Frauen, die ihre Stimme feminisieren wollten. „Durch gezieltes Training kann der Klang verändert werden.“ Kaczmarczyk hat ihr erworbenes Wissen selbst genutzt, um mit ihrer Stimme zu experimentieren. „Heute bin ich total zufrieden.“

Podcast mit der Hebamme

Seitdem 2022 aus 15.000 Bewerberinnen die Top 80 ausgewählt wurden, gab es zwei Events, erzählt Kaczmarczyk, mit Workshops, Videodreh, Vernetzung. Mit einer Mitstreiterin, die Hebamme ist, habe sie danach einen Podcast aufgenommen zum Thema „Transgender in der Geburtshilfe“. Im Halbfinale, das Anfang Februar mit den Top 20 stattfindet, werde es in Coachings noch mehr um die Persönlichkeit der Teilnehmerinnen gehen.

Neben Kaczmarczyk steht noch eine zweite trans* Frau im Halbfinale von Miss Germany: Saskia von Bargen aus Oldenburg. Wer Miss Germany 2023 wird, bekommt 25.000 Euro Fördergeld für ihre Mission. Kaczmarczyk würde das Geld in die schulische und medizinische Bildung investieren, um das Wissen um Transgender zu stärken.

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2 Kommentare

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  • Ich finde es schön, wie Laurén Kaczmarczyk ihre Plattform nutzt und was sie zu sagen hat. Sie spricht da ein paar wichtige Punkte an und über mehr Sichtbarkeit für trans Personen freue ich mich eh, vor allem wenn sie diese Sichtbarkeit nutzen, damit mal Stories abseits der üblichen Leidenswege erzählt werden und Menschen trans sein als das kennenlernen, was es ist - als einen Akt der Befreiung und Selbsterkenntnis, als einen Prozess, der zwar oft schwierig und noch immer mit zu viel Kampf verbunden ist, aus dem wir aber gestärkt und glücklich hervorgehen. Zu zeigen, dass es kein Fluch ist, trans zu sein, sondern ein Geschenk. Selbst in Zeiten wie diesen, in denen es uns so oft ungewollt in die Schusslinie bringt. Der Mut, den wir sammeln mussten, die Hoffnung auf ein besseres Leben , die wir alle im Herzen tragen und die Liebe, die wir von unserer Community und unseren Allies erfahren, machen uns stärker als den Hass, der uns entgegen schlägt.

  • Also keine Badeanzugparade mehr?