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Zunahme von HolzschädenGestörte Wälder

Ein Wald kann sich normalerweise an Naturereignisse wie Wind und Hitze anpassen. Laut einer internationalen Studie klappt das jedoch immer schlechter.

Totholz am Brocken im Nationalpark Harz Foto: Matthias Bein/dpa

Berlin taz | Stürme, Brände, Borkenkäfer: Die europäischen Wälder sind solchen natürlichen Störungen ausgesetzt – und nehmen dabei immer mehr Schaden. Das ergab die Studie eines internationalen Teams von Forst­wis­sen­schaft­le­r:in­nen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), des Europäischen Forstinstituts (EFI) und 19 weiterer Forschungseinrichtungen aus ganz Europa.

„Die zentrale Aussage ist, dass die Menge geschädigten Holzes seit 1950 stark zugenommen hat“, sagt Mats Mahnken, Forscher am PIK und Mitautor der Studie. „Das heißt konkret: Im Durchschnitt entstehen jedes Jahr insgesamt 845.000 Kubikmeter mehr Schadholz als im Jahr davor.“ Immer mehr Wälder verlieren laut Mahnken ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Störungen, sie sind immer schlechter angepasst.

Wind, Feuer oder Schädlinge, wie der Borkenkäfer, den Wäldern Schaden zufügen. Von einer Störung ist dann die Rede, wenn es zu einer abrupten Abnahme von Biomasse kommt – wenn viel Holz auf einmal abstirbt. Ex­per­t:in­nen bezeichnen die tote Biomasse als Schadholz.

„Natürlich geht es immer, wenn Holz Schaden nimmt, auch um ganz viele andere Aspekte“, so Mahnken. Die Wälder mit ihren toten und lebenden Bäumen dienen zahlreichen Arten als Lebensraum, außerdem speichern sie effektiv Kohlendioxid. Die Studie habe jedoch gezeigt, dass sich dadurch Wälder von Kohlenstoffsenkern in Kohlenstoffquellen verwandeln können, wenn aus dem toten Holz mehr Kohlenstoff in die Atmosphäre entweicht, als die lebenden Pflanzen durch Fotosynthese speichern können.

Klimakrise macht Wälder weniger widerstandsfähig

„Dass die Schäden zunehmen, ist auch auf den Klimawandel zurückzuführen“, erklärt Mahnken. So hätten sich einerseits die Störungen verändert. Der Borkenkäfer zum Beispiel konnte sich wegen der Erderhitzung mehrmals im Jahr vermehren. „Wenn es so viele Borkenkäfer gibt, ist auch der widerstandsfähigste Baum irgendwann machtlos.“

Andererseits habe die Klimakrise die Wälder selbst vorgeschädigt: Die Pflanzen seien etwa trockener und könnten Stürmen, Bränden oder Schädlingen deutlich weniger entgegensetzen.

Um die Wälder wieder anpassungsfähiger zu machen, müssen Menschen ihren Umgang mit dem Wald verändern. Welche Maßnahmen genau helfen, ist laut Mahnken standortabhängig.

Hilfreich sei jedoch zum Beispiel, wenn ein Wald aus einer Mischung aus verschiedenen Baumarten und -höhen besteht. Oder wenn die Waldränder die Form eines Keils bilden und so starkem Wind besser standhalten können.

For­sche­r:in­nen fordern einheitliche Datensammlung

Für die Studie haben die For­sche­r:in­nen verschiedene Quellen über 34 europäische Länder ausgewertet, darunter wissenschaftliche Literatur, aber auch Zeitungsartikel, in denen zum Beispiel über die Folgen von Stürmen berichtet wurde.

Denn: „Es gibt bisher kein einheitliches Erhebungssystem für Waldschäden“, sagt Mahnken. „Nicht mal jedes Land hat eine nationale Datenbank.“ Die Forschungsgruppe fordert daher: ein einheitliches Überwachungssystem für natürliche Störungen in Europa, um sie besser beobachten und darauf reagieren zu können.

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5 Kommentare

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  • "Die Wälder mit ihren toten und lebenden Bäumen dienen zahlreichen Arten als Lebensraum, außerdem speichern sie effektiv Kohlendioxid."



    Aber nur die lebenden Bäume. Die toten setzen Kohlendioxid frei: "...wenn aus dem toten Holz mehr Kohlenstoff in die Atmosphäre entweicht, als die lebenden Pflanzen durch Fotosynthese speichern können."



    Woraus man schließen könnte, dass es sinnvoll sein könnte, Totholz aus dem Wald zu entfernen, bevor es seinen Kohlenstoff wieder aushaucht. Und Wälder zu bewirtschaften, damit sie nicht zu Urwäldern werden, in denen die lebenden Bäume voll damit ausgelastet sind, den Kohlenstoff aus Totholz und Humus wieder einzufangen. Ich meine ja nur...

  • "Ex­per­t:in­nen bezeichnen die tote Biomasse als Schadholz" - das sind aber eher die Förster, die hier als "Ex­per­t:in­nen" gemeint sind. Die Ökologen wissen, dass abgestorbene Bäume auch in großer Zahl für viele Lebewesen das Gegenteil von einem "Schaden" sind.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Zitat aus der Studie:



    onlinelibrary.wile.../10.1111/gcb.16531



    "Der Wind war im Untersuchungszeitraum der wichtigste Störfaktor (46 % der Gesamtschäden), gefolgt von Feuer (24 %) und Borkenkäfern (17 %)."



    Das sind hausgemachte Folgen einer gesetzlich legitimierten sogenannten "ordnungsgemäßen Forstwirtschaft".

    Bitte nicht solche Halbwahrheit weiter verbreiten: "Der Borkenkäfer zum Beispiel konnte sich wegen der Erderhitzung mehrmals im Jahr vermehren."



    Denn "Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts häuften sich die Schäden durch Insekten und Sturm an den ersten hiebsreifen Nadelholzreinbeständen."



    www.waldwissen.net...n-schadereignissen



    Mehrere Generationen Borkenkäferbrut in besonders warm-trockenen Sommern sind Voraussetzung für solchen Massenbefall. Inzwischen treten diese Bedingungen häufiger und länger während auf. Ursache i.e.S. ist nicht der Kliamwandel sondern die schon früher nicht klima- bzw. standortgerechte Forstbewirtschaftung. Die Lehren aus den frühen Erfahrungen wurden nicht rechtzeitig konsequent umgesetzt. Im Zuge des zunehmenden Tempos der Klimaänderungen kommt dies nun teuer zu Fall.

    >>Forstwirtschaft auf dem Holzweg



    In ihrem Buch „Der Holzweg“ plädieren Waldexperten und Ökologen für einen naturnahen Umbau von Wäldern. Holznutzung kommt erst später in Betracht.>Das forstliche Paradigma



    Seine Fesseln im Denken und Handeln

    • @31841 (Profil gelöscht):

      Wind als "Störfaktor" war schon immer hier, die Fichte in unserem Breitengraden mit ihrem Wärme- Trockenheitsempfindlichkeit in Monokulturen und "Mosaik"-kahlschlägen hingegen nicht!



      ...was ist das für eine Studie?

  • Das Stichwort ist hier "Wald", nicht zu verwechseln mit "Baumplantage". Ein Wald wird garantiert keine Probleme haben, er kann sich anpassen und wird über ein paar Generationen von Bäumen, also ein paar hundert Jahren auch auf +3 Grad umgestellt sein. Es ist lächerlich zu glauben dass ein Wald nicht zurecht kommen würde, ja er wäre vielleicht mal für hundert Jahre sehr licht und vielleicht auch noch ein paar Mal für mehr oder weniger hundert Jahre sehr niedrig bewachsen, er wird evtl sogar über die Jahrtausende allmählich seinen Standort auch um viele hundert km verschieben, aber "der Wald" wird die Menschheit locker überdauern, richtig entspannt wird es für ihn vermutlich erst nach Ende dieses massiven Parasitenbefalls. Wenn besagte Parasiten ihn dabei nicht sabotieren und alles verschlimmbessern ist das Überleben für Wälder garantiert kein Problem.