Reichsbürger-Razzia: Noch mehr durchsuchte Polizisten

Zu den terrorverdächtigen Reichsbürgern gehören noch mehr Polizisten als bisher bekannt. Waren sie vorab über die Ermittlungen informiert?

Polizisten von hinten

Einsatzkräfte der Polizei laufen zum Jagdschloss Waidmannsheil Foto: dpa

BERLIN taz | Der Polizist soll beim Landeskriminalamt in Niedersachsen just für den Bereich Rechtsextremismus zuständig gewesen sein – und wurde nun am Mittwoch ebenso bei der bundesweiten Reichsbürgerrazzia durchsucht. Gleiches traf eine Polizistin im Landkreis Minden-Lübbecke (NRW). Beide Fälle werfen eine heikle Frage auf: Waren die Beamten vorab über die Ermittlungen und Durchsuchungen informiert – und damit vielleicht auch weitere Mitstreiter?

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) bestätigte den Vorgang. Dem Beamten wurde das Ausführen der Dienstgeschäfte untersagt: Er darf die Dienstwaffe nicht mehr führen und das Landeskriminalamt nicht mehr betreten. Der Polizist sei seit November krank und dienstunfähig gewesen, sagte Pistorius dem NDR. Auch davor habe er sich nur in einer kurzen Wiedereingliederungsmaßnahme befunden. Vollwertige Ermittlungsaufträge habe er nicht bearbeitet. Ob er dennoch von den Reichsbürger-Ermittlungen mitbekam, dazu äußerte sich Pistorius nicht.

In Nordrhein-Westfalen soll wiederum eine Polizistin in Petershagen durchsucht worden sein. Sie soll sich laut Medienberichten zuvor an Coronaprotesten beteiligt haben und ist nun ebenso suspendiert. Sowohl sie als auch der niedersächsische LKA-Beamte gehören nicht zu den Festgenommenen, sollen die Terrorpläne aber unterstützt haben.

Beide Festnahmen sind heikel, denn die Ermittlungen beschäftigten die Polizei an diversen Stellen über Monate. Allein an den Durchsuchungen am Mittwoch waren 3.000 Beamte beteiligt. Schon an dem Tag kamen Fragen auf, ob einige Durchsuchte vorab informiert gewesen sein könnten – und womöglich Beweismittel beiseiteschafften. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner nannte die Razzia „ein offenes Geheimnis“ seit Tagen.

Ein Polizist gehört zu den Hauptbeschuldigten

Die Bundesanwaltschaft wirft den 25 Festgenommenen und 29 Durchsuchten aus der Reichsbürger- und Coronaverharmloserszene die Bildung einer terroristischen Vereinigung und einen Putschversuch vor. Unter den Festgenommenen ist ebenso ein Polizist, Michael Fritsch aus Hannover. Er war bei der Kriminalpolizei unter anderem zuständig für die Sicherheit der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen. 2020 radikalisierte er sich dann auf den Coronaprotesten, trat zur Bundestagswahl für die „Querdenken“-Partei „Die Basis“ an. Die Polizeidirektion klagte ihn zuletzt aus dem Dienst, im April verlor er seinen Beamtenstatus. Laut Bundesanwaltschaft gehörte Fritsch nun zum „militärischen Arm“ und „Führungsstab“ der Terrorgruppe.

Innenminister Pistorius forderte einen „Kulturwandel“ bei der Polizei. Die Beamten müssten gegen Kontakte in die Reichsbürgerszene „immunisiert“ werden. Solche Vorgänge müssten gemeldet und besprochen werden. Alles andere schade sonst der Polizei im Ganzen, so Pistorius.

Faeser will eine Verschärfung des Disziplinarrechts

Festgenommenen wurden am Mittwoch auch mehrere frühere Soldaten – neben einem Adelsnachfahren, Juristen, Koch, Sänger oder einer Ärztin. Fast alle waren zuvor an Coronaprotesten beteiligt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte als Konsequenz erneut eine Verschärfung des Waffen- und Disziplinarrechts an, um extremistische Beamte schneller aus dem Dienst zu entfernen. Statt langwierige Disziplinarklagen zu führen, sollen Behörden die Beschuldigten erst mal rauswerfen dürfen – die Entscheidung würde dann erst im Nachgang von Gerichten geklärt. Beide Projekte sollen „zeitnah“ ins Kabinett gehen.

Auch der Bundestag wird sich mit den Razzien beschäftigen. In Sondersitzungen des Innen- und Rechtsausschusses am Montag soll die Bundesanwaltschaft über die Festnahmen und den Ermittlungsstand informieren.

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