Instrumentalisierung von Geflüchteten: Keine Aufweichung des EU-Asylrechts
Die EU-Kommission wollte das Asylrecht verschärfen, damit Flüchtende nicht als Druckmittel eingesetzt werden. Doch der Vorstoß ist gescheitert.
Der Kerngedanke des Vorschlags, der vor allem eine Reaktion auf die Lage an der polnisch-belarussichen Grenze Ende 2021 war, lautete: Wenn Flüchtende benutzt werden, um einem EU-Staat zu schaden, muss der sich nicht mehr an das Asylrecht halten.
Unter anderem sollten EU-Staaten mehrere Wochen warten dürfen, bis sie Asylanträge annehmen. Grenzpunkte hätten geschlossen, Migrant:innen fünf Monate inhaftiert werden dürfen, ohne dass ein Asylverfahren eröffnet wird. Dies ist in der EU nicht legal.
Menschenrechtsorganisationen hatten den Vorstoß heftig kritisiert und eine Ausweitung illegaler Pushbacks befürchtet. Doch die Reform war auch auf Widerstand in Reihen der EU-Mitgliedsstaaten gestoßen: Einigen ging er zu weit, anderen, unter anderem Polen und Ungarn, nicht weit genug.
Schon 2021 hatte Polen eine frühere Version der vorgeschlagenen Verordnung, die zunächst nur für Polen, Lettland und Litauen gelten sollte, als „kontraproduktiv“ zurückgewiesen, weil darin weiter eine Prüfung von Asylanträgen vorgesehen war. Asylverfahren müssten stattdessen gänzlich eingestellt werden, sagte Polens EU-Botschafter damals.
Die aktuelle tschechische Ratspräsidentschaft hatte sich des Themas zuletzt angenommen und versucht, einen Kompromiss zu formulieren. Der kam vor allem den osteuropäischen Ländern entgegen: Er sah vor, dass betroffene Staaten wie Polen sehr viel leichter einen „Instrumentalisierungsfall“ ausrufen können und Rat und Kommission weniger Spielräume bei einer Prüfung hätten.
Auch Ungarn lehnte den Kompromiss ab
Noch vor Beginn des EU-Innenministertreffens hatte sich die Ratspräsidentschaft ihren Kompromiss am Mittwoch vom Rat der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten absegnen lassen wollen. Polen ließ sich dem Vernehmen nach erweichen, für den Kompromiss zu stimmen. Doch Ungarn blieb hart und lehnte den Kompromiss ab.
Auch versperrten sich Deutschland, Spanien, Portugal, Belgien und Luxemburg dem Vorschlag, allerdings anders als Ungarn wegen menschenrechtlicher Bedenken. Eine öffentliche Stellungnahme gab es dazu zunächst nicht – aus Rücksicht auf die tschechische Ratspräsidentschaft, wie es aus Brüsseler Kreisen hieß.
Der europäische Flüchtlingsrat ECRE begrüßte die Ablehnung. Die Verordnung sei „der schlechteste in einer Reihe von schlechten Gesetzesvorschlägen der Europäischen Kommission zum Thema Asyl“ gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Fans angegriffen
Gewalt in Amsterdam
+++ Nach dem Ende der Ampel +++
Habeck hat Bock
Auflösung der Ampel-Regierung
Drängel-Merz
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Angriffe auf israelische Fans
Sie dachten, sie führen zum Fußball
Schönheitsideale in der Modewelt
Zurück zu Size Zero