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Haltung der EU im Kosovo-KonfliktVertrauen verspielt

Jana Lapper
Kommentar von Jana Lapper

Anstatt Serbien unter Druck zu setzen, fordert die EU vom Kosovo mehr Kompromissbereitschaft. In Prishtina führt das zu Recht zu Frustration.

Eine Straßenblockade in der zwischen Serben und Albanern geteilten Stadt Mitrovica im Kosovo Foto: Fatos Bytyci/reuters

I m Kosovo-Konflikt hat sich die EU ins Aus manövriert. Seit 2011 vermittelt Brüssel, damit Serbien und Kosovo ihr Verhältnis normalisieren. Prishtinas Ziel dabei ist die Anerkennung durch Belgrad, beide Staaten streben zudem in die Union. Zwar gab es kleine Fortschritte im von der EU moderierten Prozess – so erkannte Belgrad erst im Sommer kosovarische Einreisedokumente an –, doch das Hauptziel rückt mit der jüngsten Eskalation an der nordkosovarischen Grenze in immer weitere Ferne.

Zu lange hat Brüssel auf Aleksandar Vučić gesetzt, seit 2017 Präsident Ser­biens und zuvor Ministerpräsident. Seitdem baut er den Staat zu einem autokratischen System um, das sich nur um ihn dreht. Zwar hat es Brüssel geschafft, Vučić und seinen kosovarischen Amtskollegen Albin Kurti im November an den Verhandlungstisch zu bringen. Doch das Abkommen, das weitere Gewalt verhindern sollte, kündigte Vučić gleich wieder auf.

Die EU hat ihm gegenüber schlicht kein Druckmittel. Drohungen, den Beitrittsprozess zu stoppen – die Anerkennung des Kosovo gilt als Voraussetzung für Serbiens EU-Beitritt –, würden schlicht nicht zünden. Denn Belgrad arbeitet derzeit gar nicht auf einen Beitritt hin, sondern wendet sich vielmehr Russland zu. Trotz Mahnungen der EU unterstützt es die Sanktionen gegen Moskau nicht.

Statt Härte gegen Vučić zu zeigen, setzt die EU Kosovo unter Druck. Prish­tina sollte seine Autokennzeichen-Politik aussetzen – was schließlich auch passierte. Die kosovarische Regierung fühlt sich von der EU zu Recht verraten. Und die Menschen im Kosovo sind ohnehin frustriert, weil Versprechen wie die Visaliberalisierung lange nicht erfüllt wurden. Obwohl das Land die Voraussetzungen dafür schon 2018 schuf, kommt die Liberalisierung nun erst 2024.

Und so dankte Kurti nach den Verhandlungen im November auch nur dem US-Gesandten Gabriel Escobar. Während die EU in dem Konflikt Vertrauen verspielt, geht heute ohne die USA nichts mehr auf dem Balkan.

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Jana Lapper
Redakteurin
Jahrgang 1991. Seit 2018 bei der taz, seit 2019 als Redakteurin im Auslandsressort mit Schwerpunkt online und Südosteuropa.
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14 Kommentare

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  • 2013 wurde bei den Vermittlungen in Brüssel zwischen Belgrad und Pristina vereinbart, dass die 10 serbischen Gemeinden im Kosovo die "Gemeinschaft der serbischen Gemeinden" gründen dürfen. Bis heute, 10 Jahre lang, hat der Kosovo dies nicht umgesetzt. Und Kurti weigert sich gänzlich die Vereinbarung die sein Vorgänger Thaci getroffen hat, umzusetzen. Die EU schaut weg. soviel zum Thema Minderheitenrechte im Kosovo.

  • Ich finde die Kritik an der Reaktion der EU nicht nachvollziehbar.



    Es ist ja nun wirklich nicht so, dass die westliche Politik besonders proserbisch in den letzten Jahrzehnten war.



    Aber jedem der schon Mal im Kosovo war ist sicherlich aufgefallen, dass der Staat nicht nach EU Standarts mit der serbischen Minderheit umgeht. Ich würde mir da mehr Druck auf den Kosovo wünschen.



    Auch finde ich Kritik an Sebien bzgl. Sanktionspolitik nicht nachvollziehbar.



    Laut Umfragen möchte eine deutliche Mehrheit der Serben nicht, dass das Land sich an der Sanktionspolitik des Westen beteiligt. Wir in Deutschland mögen dazu eine andere Meinung haben, aber ich finde, dass man aktzeptieren sollte, dass die serbische Bevölkerung da eine andere Politik für sich wünscht.

    • @Alexander Schulz:

      Ich finde die EU sollte Autokratenfreunden klare Kante zeigen! So wie bei Orban.

  • Ich finde die Kritik an der Reaktion der EU nicht nachvollziehbar.



    Es ist ja nun wirklich nicht so, dass die westliche Politik besonders proserbisch in den letzten Jahrzehnten war.



    Aber jedem der schon Mal im Kosovo war ist sicherlich aufgefallen, dass der Staat nicht nach EU Standarts mit der serbischen Minderheit umgeht. Ich würde mir da mehr Druck auf den Kosovo wünschen.



    Auch finde ich Kritik an Sebien bzgl. Sanktionspolitik nicht nachvollziehbar.



    Laut Umfragen möchte eine deutliche Mehrheit der Serben nicht, dass das Land sich an der Sanktionspolitik des Westen beteiligt. Wir in Deutschland mögen dazu eine andere Meinung haben, aber ich finde, dass man aktzeptieren sollte, dass die serbische Bevölkerung da eine andere Politik für sich wünscht.

  • Die EU wird nicht besser indem sie immer größer wird. Schon jetzt sieht man doch, wie einfach Ungarn oder Polen die EU fast handlungsunfähig machen können. Und mit jedem neuen EU-Mitglied mehr wird die EU noch handlungsunfähiger.



    Serbien, der Kosovo und die Ukraine sollten nicht auch noch in die EU, es funktioniert ja jetzt schon nicht mehr.

    • @Rudi Hamm:

      Dem stimme ich zu, vor allen Dingen, da Länder wie Kosovo, Serbien und Ukraine noch nicht Mal ansatzweise mit Ländern wie Polen oder Ungarn vergleichbar sind.



      Trotzdem lege letztere genannte ja schon häufig die EU "lahm".

  • Mit den Putin-Freunden will die EU es sich einfach nicht verscherzen. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, die EU Oberen zieht es gen Russland.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Die EU ist nun in den letzten Jahren wirklich nicht besonders dadurch aufgefallen sich positiv gegenüber Putin Freunden zu verhalten. Im Gegenteil; erinnern sie sich noch an 2014 wo Eu- Politiker sogar auf dem Maidan reden gegen den damaligen prorusischen Präsidenten vor Demonstranten gehalten.



      Ich persönlich fand es nicht in Ordnung, dass man sich damals in einer innerukrainische Angelegenheit eingemischt hatten, aber der EU vorzuwerfen, dass sie es sich nicht mit Putin-Freunden verscherzen möchte ist vollkommen absurd.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Die EU ist nun in den letzten Jahren wirklich nicht besonders dadurch aufgefallen sich positiv gegenüber Putin Freunden zu verhalten. Im Gegenteil; erinnern sie sich noch an 2014 wo Eu- Politiker sogar auf dem Maidan reden gegen den damaligen prorusischen Präsidenten vor Demonstranten gehalten.



      Ich persönlich fand es nicht in Ordnung, dass man sich damals in einer innerukrainische Angelegenheit eingemischt hatten, aber der EU vorzuwerfen, dass sie es sich nicht mit Putin-Freunden verscherzen möchte ist vollkommen absurd.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Das würde ich so nicht sagen. Aber wir haben an den Schaltstellen in der EU und auch im Bund Politiker:innen, die gelernt haben, dass Konflikte der eigenen Karriere schaden. Und diese butterweichen Harmoniker:innen sind nunmal nicht in der Lage, Konflikte auch mal auszutragen, wenn es notwendig ist. Daher drängen sie lieber die schwächere Seite zu Zugeständnissen gegenüber aggressiven Staaten - koste es, was es wolle.

  • Serbien wird nie den Kosovo als eigenen Staat anerkennen. Und von Serbien was verlangen, was noch nicht einmal in der EU möglich sein wird, also dieses Gebilde als Staat anzuerkennen, das ist der große Fehler. Autonomie wäre das Maximum was vielleicht möglich wäre.

  • Die EU hat in diesem Bereich keine Kompetenzen und kann die Mitglieder nicht vertreten. Daher kann die EU weder die eine noch die andere Seite unterstützen und auch keinen echten Druck aufbauen.

    Entsprechende Erwartungen wären falsch und müssten zwangsläufig enttäuscht werden

    • @DiMa:

      Wenn Sie nur auf formale Regelungskompetenz schauen, mag das einigermaßen stimmen. Bei Sanktionen gegen Russland geht es aber auch, indem die Mitglieder zusammengebracht werden. Sie unterschätzen die politischen Möglichkeiten der EU.

      • @PPaul:

        Bei Sanktionen gegen Russland schließen sich alle Mitglieder unter dem Dach der EU zusammen. Hierdurch wird es nicht zu einer Akrion der EU.