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Ernährungsstrategie der BundesregierungDie Richtung stimmt

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Weniger Fleisch in Kantinen und Kitas: Die Ernährungsstrategie des Landwirtschaftsministers ist im Grunde richtig, aber leider noch viel zu unkonkret.

Mehr Gemüse in die Küchen der Kantinen und Kitas! Foto: imago

D ie Kernpunkte der Ernährungsstrategie von Agrarminister Cem Özdemir gehen schon in die richtige Richtung: So klar wie noch nie bekennt sich das von dem Grünen geführte Ministerium dazu, die pflanzliche Ernährung zu stärken. Das bedeutet in der Praxis zum Beispiel: mehr Obst und Gemüse, weniger Fleisch und Eier.

Das ist sinnvoll, denn tierische Lebensmittel sind klimaschädlicher als pflanzliche. Sie verursachen auch Tierleid und tragen maßgeblich dazu bei, dass immer mehr Arten aussterben und das Grundwasser mit Reststoffen von Gülle verschmutzt wird. Dennoch verzehren die Deutschen im Schnitt bei Weitem mehr Fleisch, als ErnährungswissenschaftlerInnen aus gesundheitlicher Sicht empfehlen.

Doch um den Fleischkonsum zu senken, braucht es viel konkretere Schritte als in Özdemirs Kernpunkten beschrieben. Wie soll der Anteil pflanzlicher Lebensmittel gesteigert werden? Eine einigermaßen greifbare Antwort darauf bleibt der Minister schuldig. Denkbar wäre zum Beispiel, die Mehrwertsteuer auf pflanzliche Lebensmittel wie Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte zu streichen. Im Gegenzug könnte der Steuersatz für Fleisch und andere tierische Lebensmittel von 7 auf die regulären 19 Prozent erhöht werden.

Özdemir will die Gemeinschaftsverpflegung etwa in Kindergärten, Schulen oder Unternehmen nutzen, um den Menschen eine gesündere, tierfreundlichere und umweltfreundlichere Ernährung nahezubringen. Dafür sollen die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung dort verbindlich werden. Die sehen zum Beispiel nur 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche vor. Aber Kindergärten und Schulen werden von den Kommunen getragen, nicht vom Bund.

Auf jeden Fall bräuchte es Geld, um eine gesündere Ernährung durchzusetzen. Doch davon ist in Özdemirs Kernpunkten nichts zu lesen. Es ist zu hoffen, dass er da noch nachlegt. Die Bundesregierung soll die Ernährungsstrategie ja erst bis Ende 2023 beschließen.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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10 Kommentare

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  • "Also Kneipen, das waren so Läden in denen man mit anderen was trinken gehen konnte, schwer zu erklären, kennt man heute gar nicht mehr."

    In Berlin schon. Hier ist manches anders, vieles schlechter als anderswo, aber es gibt auch Dinge, die besser sind.

    Die Raucherkneipen. Die haben eine Ausnahmegenehmigung. Die kriegen sie nur, wenn sie nicht über die Möglichkeit eines Raucherraumes verfügen und sie dürfen kein warmes Essen anbieten.

    Empfehlen möchte ich hier "Erika & Hilde" am Weigandufer in Neukölln.

    Die haben wunderbares fränkisches Bier im Ausschank und man bekommt ein Vesper aus diesem Breitenkreis.

    Die Musik ist gut und abwechslungsreich, die Leute sehr freundlich und es ist verqualmt wie 1982.

    • @Jim Hawkins:

      War für Mr. BERNABLE.

      • @Jim Hawkins:

        Auch außerhalb Berlins sind all die Horrorszenarien die die damaligen Gegner des Rauchverbots beschworen nicht mal ansatzweise eingetreten.

  • Neben der Mehrwertsteuerangleichung von Hafermilch und Kuhdrink könnte der Bund zumindest dafür sorgen, dass in den Kantinen des öffentlichen Dienstes täglich ein vegetarisches oder besser veganes Gericht angeboten werden muss.

    In der Kantine meines Arbeitgebers (eine öffentliche Forschungseinrichtung des Bundes und einiger Länder) gibt es oft nur fleischhaltige Hauptgerichte, so dass man gezwungen ist, sein Essen aus Beilagen zusammenzustellen. Oder man muss sich täglich sein Mittagessen mitbringen.

    • @Biks:

      Mir geht es in der Uni genau andersherum. Vegane totgekochte Pampe die an Endzeitdystopien erinnert.



      Oder Schnitzel. Nichts vegetarisches mehr.



      Entweder Vitaminmangel oder Herzverfettung.

  • Das Essen in den meisten Schulmensen ist ungenießbar. Jetzt das Fleisch wegzulassen macht die Pampe vollends konturlos.



    Von daher wird McDonalds noch mehr Zulauf bekommen.

  • "Auf jeden Fall bräuchte es Geld, um eine gesündere Ernährung durchzusetzen."

    Also erstmal, eine gesündere Ernährung "durchzusetzen" klingt nach Zwang und das wird nicht funktionieren. Özdemir hat ine einem Interview gesagt dass er sich als er in der Schule war jahrelang von Pommes und Currywurst ernährt hat. Er soll doch mal sein damaliges Ich fragen was selbiges zum Zwang zur gesunden Ernährung gesagt hätte. Genau dasselbe würden Schüler heute wahrscheinlich auch sagen.

    Hier sind sehr viel subtliere Strategie gefragt. Einmal natürlich Ernährungskunde oder sowas in der Schule einfach um Wissen zu vermitteln. Dann gehören Vorbilder für Jugendliche dazu die sagen wie sie eine reinere Haut, guten Muskelaufbau usw durch Sport und Ernährung bekommen haben, oder so ähnlich. Die Hersteller von pflanzlicher Nahrung sollten mehr Werbung machen. Warum gibt es keine Werbung z.B. für Linsen die ein sehr guter LIefernant von Eiweiss für den Muskelaufbau sind? Stattdessen werden die überteuerten Proteinpulver usw beworben. usw usf.

    Die Grünen hätten hier eine Chance vom Image der Partei für Verbote und Zwangsmassnahmen weguzukommen aber ich fürchte dass weder Wissen noch Vorstellungskraft dafür ausreichen..

    • @Gerald Müller:

      Der konkrete Vorschlag lautet: "Dafür sollen die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung dort verbindlich werden."



      Klingt für mich nun nicht so sehr nach Zwang. Und den Schüler*innen die Vorteile von Linsen zu veranschaulichen, dann aber in der Schulkantine "Pommes und Currywurst" anzubieten ist auch nicht so wirklich konsequent. Ich habe zunehmend den Eindruck, dass mittlerweile wirklich jeder Vorschlag der Politik wasauchimmer zu regeln sofort als Zwang, oder gern auch gleich als Autoritarismus abgekanzelt wird.

      • @Ingo Bernable:

        Sehe ich ähnlich.

        Außerdem finde ich Zwänge nicht per se



        schlecht. Man wird durch Gesetze daran gehindert, etwa mit 100 km/h durch eine 30-er-Zone zu brettern, oder seinem Nachbarn die Fresse zu polieren.

        Vor 40 Jahren wurde überall geraucht. Gesetze, Verordnungen, also Zwänge haben dazu geführt, dass sich das massiv geändert hat:

        "Bei den Jugendlichen ist ein deutlicher Rückgang in der Raucherquote zu beobachten. Hier hat sich seit fünfzehn Jahren der Anteil der rauchenden 12- bis 17-Jährigen erheblich reduziert. Er ist von 27,5 Prozent im Jahr 2001 auf 6,6 Prozent im Jahr 2018 gesunken. Auch bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren geht das Rauchen zurück. 2001 rauchten 44,5 Prozent. Im Jahr 2018 taten dies noch 24,8 Prozent."

        www.bundesgesundhe...a-z/r/rauchen.html

        Weniger Lungenkrebs, weniger Leid, weniger Elend.

        Ich kann da nichts Schlechtes erkennen.

        • @Jim Hawkins:

          Ja, ich erinnere mich, das war damals noch vor dem großen Kneipensterben, dass dann mit dem Verbot kam. Also Kneipen, das waren so Läden in denen man mit anderen was trinken gehen konnte, schwer zu erklären, kennt man heute gar nicht mehr. Da war das Rauchverbot schon ein echter Kulturverlust, sowas wie vollverquarzte Büros und Schankräume mit unter 2m Sichtweite kommt halt nicht wieder. Von der Entmündigung jener die unbedingt in genau so einer Umgebung arbeiten wollen gar nicht erst zu reden. Und heute schaut man zurück und muss feststellen, dass das Rauchverbot wie damals schon absehbar überhaupt keine positiven Gesundheitseffekte hatte weil so eine Einzelmaßnahme, zwischen all dem Fast Food, Zucker und Handystrahlung eben so gar nichts bringt, abgesehen natürlich von den massenhaften Erkältungen die sich die vor die Tür verbannten Raucher*innen nun ständig einfangen.