Umgang mit Krieg: Frieden ist eine Aufgabe
Es ist fahrlässig, Krieg erzählen zu wollen, als sei er ein populäres Strategiespiel. Frieden ist kein Zustand, er braucht die Mühen der Vielen.
K rieg ist schlimm, das lernt man als Kind, auch wenn man das Glück hat, nicht von ihm umzingelt zu werden. Keine Ahnung, ob mir mal erklärt wurde, was Krieg bedeutet. Ist ja auch schwer. Aber es gab eine Zeit, in der wir als Antwort auf die Frage Was wünschst du dir?, die oft in Poesiealben stand, neben Zopfgummis und bedruckter Bettwäsche aufzählten: Dass es keinen Krieg gibt.
Frieden, das haben sie in der Schule gesagt, ist die Abwesenheit von Krieg. Das ist eine leere Definition. Wo einmal Krieg war, bleiben Einschusslöcher. Ich habe die letzten Monate viel über Frieden nachgedacht – das allein ist ein schuldiger Satz. Ich habe nachgedacht. Es ist grausam, dass Frieden den einen entrissen wird und die anderen deshalb an Küchentischen, in Restaurants oder Kolumnen über sein Wesen sinnieren.
Haben wir etwas über Frieden gelernt? Nichts Hilfreiches aus zig Texten über moderne Panzer, Luftabwehrsysteme und Militäranalysen. Ich weiß nicht, was das soll. Es ist nicht falsch, Krieg verstehen zu wollen, aber es ist fahrlässig, ihn zu erzählen, als sei er ein populäres Strategiespiel. Wenn ich etwas gelernt haben sollte über Krieg und Frieden, dann von den Menschen, die den russischen Angriffskrieg in der Ukraine erleben und von denen, die gegen das iranische Regime kämpfen.
Von denen, die unter fallenden Bomben schreiben, und während Luftalarm. Die vom Alltag in Bunkern berichten, von Angst und Gewöhnung, vom Gärtnern und vom Sterben. Die ihre Haare abschneiden, die sich auf Straßen küssen, die nach Freiheit rufen, die an Kränen hängen. Von denen, die geflohen sind, und von denen, die nicht fliehen konnten. Kann man nichts lernen, wenn man auf die Fotos ihrer Gesichter starrt? Ich bilde mir ein, sogar dann etwas zu lernen, wenn ich wegsehe.
Zerbrechlichkeit des Friedens
Dass es keinen Krieg gibt, ist ein guter Wunsch. Als Kind soll man nur wünschen, aber später muss man sich auch mit dem Machen beschäftigen, und vielleicht tun wir das zu wenig, Frieden machen. Während Krieg von ein paar beschissenen Einzelnen vom Zaun gebrochen werden kann, braucht Frieden die Mühe der Vielen. Der Getroffenen, ja, aber auch der anderen. Ich denke nicht, dass man Frieden automatisch für selbstverständlich hält, wenn man keinen Krieg erlebt hat. Oder dass man erst dann den Wert von etwas erkennt, wenn man es verliert.
Beides passiert nicht, wenn eine Gesellschaft ihren Job gut macht. Wenn sie an die Zerbrechlichkeit des Friedens erinnert, wenn sie seine Zartheit nicht vergisst, dann muss man Krieg nicht am eigenen Körper erfahren, um Frieden als kollektive Aufgabe anzusehen. Die Bemühung darum kann klein sein, sie passt überall hinein. In eine Begegnung, in mein Schreiben, dein Wahlverhalten, unseren Protest. Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von Krieg, kein Zustand im Minus, sondern eine Summe, unsere. Auch die gehört zum Nie Wieder, wenn man es ernst meint.
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