CO2-Zertifikate werden teurer: EU verschärft Emissionshandel
Nach langen Verhandlungen haben sich Europäisches Parlament und Mitgliedsstaaten geeinigt. Der Zertifikatehandel wird teurer und erweitert.
Peter Liese, EU-Parlamentarier (CDU)
Die Europäische Union verschärft damit ihr wichtigstes Klimaschutzinstrument, nämlich den Emissionshandel. Und vor allem wird es einen weiteren Emissionshandel für Wirtschaftsbereiche geben, die bislang nicht für ihren CO2-Ausstoß zahlen müssen. „Ich glaube, wir haben ein gutes Ergebnis erzielt“, sagte Bloss am Sonntagmorgen.
Seit 2005 gibt es den Europäischen Emissionshandel schon. Das Prinzip: Wer verschmutzt, muss zahlen – und wird sich das mit dem Verschmutzen in Zukunft überlegen. Lange Jahre ging diese Rechnung kaum auf. Viel zu viele CO2-Zertifikate waren in Umlauf, die Preise entsprechend niedrig. Zeitweise lagen sie bei 5 Euro pro Zertifikat, das zum Ausstoß einer Tonne CO2 berechtigte.
EU-führt weiteren Emissionshandel ein
Das beeindruckte kaum ein Unternehmen in den betroffenen Wirtschaftsbereichen, nämlich der Stromgewinnung und der Industrie. Reform für Reform wurde die Menge der verfügbaren Zertifikate reduziert, wenn auch teils nur vorübergehend. Mittlerweile kostet die Tonne CO2 eher 80 Euro. Immerhin beim Klimaschutz in der Stromgewinnung zeigt das schon Wirkung. Die Industrie ist träger, was freilich auch damit zusammenhängt, dass sie einen Großteil ihrer Zertifikate geschenkt bekommt – also gar nicht für jede verursachte Tonne CO2 zahlt.
Nun ist klar: Die Europäische Union führt einen weiteren Emissionshandel ein, der für den Verkehrs- und den Gebäudesektor gilt. Wirtschaftssektoren wie die Landwirtschaft kommen damit vorerst ungeschoren davon. Fossiles Heizen und Tanken werden aber in vielen EU-Ländern teurer.
Für Deutschland ändert sich nicht viel. Hierzulande gibt es schon seit 2021 einen CO2-Preis für Verkehr und Gebäude. Die damalige Große Koalition stand unter Druck, weil Sprit, Benzin, Heizöl und Heizgas Deutschlands Klimabilanz desaströs verschlechterten – und schuf im Alleingang ein Emissionshandelssystem für Verkehr und Gebäude auf nationaler Ebene. Schließlich war ungewiss, ob und wann es zu einer europäischen Einigung kommen würde.
Bürger:innen werden mit Fonds unterstützt
Künftig gilt ein solches System EU-weit, und zwar ab 2027. Dabei soll es allerdings vorerst einen Preisdeckel geben, bis 2030 soll er bei 45 Euro pro Tonne CO2 liegen. Das entspricht laut dem ADAC 12,9 Cent pro Liter Benzin. Falls die Preise für Öl und Gas durch andere Markteffekte dann schon besonders hoch liegen, soll das Ganze sogar erst ein Jahr später starten. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Preis aktuell bei 30 Euro, soll aber bis 2026 auf 55 Euro ansteigen. Das entspricht 15,9 Cent pro Liter Benzin.
Was mit dem deutschen Emissionshandel passiert, wenn es eine europäische Lösung gibt, ist unklar. Um Bürger:innen beim Umstieg auf ein klimafreundlicheres Leben zu unterstützen, soll es zudem künftig einen Klimasozialfonds geben. Gespeist werden soll er aus nationalen und europäischen Einnahmen aus dem neuen Emissionshandel. Ab 2026 soll der Fonds starten und dann über fünf Jahre insgesamt 87 Milliarden Euro ausschütten. Mit diesem Punkt ist der Grüne Michael Bloss nicht zufrieden – zusammen mit dem Rest des EU-Parlaments hatte der Abgeordnete einen deutlich größeren Fonds gefordert. „Uns war immer wichtig, dass wir die Verbraucher:innen in Europa schützen mit einem großen Klimasozialfonds“, sagte er. „Da ist eine Schieflage klar erkennbar.“
Für den konservativen Abgeordneten Peter Liese wiegt das nicht ganz so schwer. Er ist froh, dass es überhaupt eine Einigung zum neuen Emissionshandel gibt. „Ich verteidige sie von ganzem Herzen“, sagte er am Sonntag. Liese sprach vom „größten Klimaschutzgesetz aller Zeiten“, das die EU auf den Weg gebracht habe.
Auch beim ursprünglichen Emissionshandel, dem für Stromproduktion und Industrie, ändert sich einiges. Dort soll weiter bei den verfügbaren Zertifikaten gekürzt werden. Das heißt: Es darf insgesamt weniger CO2 emittiert werden und die Preise dafür steigen. Die Industrie bekommt dabei allerdings weiter Zertifikate geschenkt, wenn auch weniger als früher. Für die Industriezweige, deren internationale Konkurrenz die EU künftig mit ihrem Klimazoll CBAM belasten will, ist allerdings absehbar Schluss damit. Dazu zählt etwa die Stahlherstellung. Ohnehin drohen durch den geplanten Klimazoll Klagen vor der Welthandelsorganisation (WTO). Deren Erfolg wäre wohl schon vorab sicher, wenn die EU ihre eigene Industrie derweil weiter kostenlos verschmutzen lassen würde. In dem Tempo, in dem CBAM eingeführt wird, laufen deshalb die kostenlosen Zertifikate für die entsprechenden Branchen aus. Dieser Prozess soll 2034 abgeschlossen sein.
Dass es mit den kostenlosen Zertifikaten weitergeht, kritisieren Klimaschützer:innen. „Die Gesetzgeber:innen finden den Schutz der Industrie offensichtlich wichtiger als den der Menschen und des Planeten“, urteilte Klaus Röhrig vom Climate Action Network Europe. Auch Agnese Ruggiero von Carbon Market Watch kritisierte „massive Geschenke an die Schwerindustrie“, die die Emissionsminderung der klimaschädlichen Wirtschaft im kommenden Jahrzehnt verlangsamen werde.
Die Reform soll die EU auf den richtigen Weg zu ihrem Klimaziel bringen: ihre Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Ihren fairen Beitrag zum Pariser Weltklimaabkommen, das die Erderhitzung möglichst bei 1,5 Grad stoppen soll, liefert sie damit nach allgemeinem Verständnis nicht.
Bis zur Hälfte des Jahrhunderts muss dafür laut Weltklimarat (IPCC) nämlich die Welt insgesamt klimaneutral sein. Das Parisabkommen hält fest, dass die Länder dabei eine „geteilte, aber jeweils unterschiedliche Verantwortung“ tragen. Das heißt: Reiche Länder, die die Atmosphäre schon lange mit vielen Treibhausgasen belasten, müssen eigentlich schneller sein beim Klimaschutz.
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