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Wohnungsbaubilanz von GiffeyNeubauziele in weiter Ferne

16.500 Wohnungen: Die Regierende und ihr Bausenator verfehlen ihr Ziel. Auch beim Wohnungsbündnis fehlen konkrete Ergebnisse.

Will gern Geschenke bringen, Franziska Giffey Foto: Fabian Sommer

Berlin taz | Wie erfolgreich ist die Wohnungs- und Mietenpolitik des Senats? Regierungschefin Franziska Giffey und Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (beide SPD) präsentierten am Mittwoch ihre Jahresbilanz des Wohnungsneubaus und des von Giffey initiierten Bündnisses mit der privaten Wohnungswirtschaft. „Berlin schafft 16.500 Wohnungen trotz Krise“, so Giffeys Botschaft bei einem Pressetermin auf der Aussichtsplattform des Fernsehturms, von der aus am späten Nachmittag weniger konkrete Bauten als bloße Leuchten und Lichter zu erkennen waren.

Die Zahl der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung prognostizierten neugebauten Wohnungen im Jahr 2022 unterschreitet das Ziel des Senats um 3.500. Eigentlich sollten in dieser Wahlperiode durchschnittlich 20.000 Wohnungen im Jahr fertig werden. 40 Prozent der 16.500, nämlich 6.400, seien von den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gebaut. Deren Anteil am Neubau ist damit erheblich gestiegen.

„Vor dem Hintergrund der Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, die sich auch im Bereich des Wohnungsbaus zeigen, sind 16.500 neue Wohnungen in Berlin in diesem Jahr ein Erfolg“, sagte Giffey. Am Ziel ändere diese Zahl nichts: „Wir halten daran fest, durchschnittlich 20.000 neue Wohnungen pro Jahr – also 100.000 bis 2026 – zu bauen.“

Das im Juni geschmiedete „Bündnis für Wohnungsbau und bezahlbares Wohnen“ tagte am Mittwoch zum fünften Mal seit Unterzeichnung der gemeinsamen Vereinbarung. Der Berliner Mieterverein und eine große Eigentümervertretung hatten es abgelehnt, dem Bündnis beizutreten.

Inzwischen habe aber der Zentrale Immobilien Ausschuss als 19. Bündnispartner die Vereinbarung unterschrieben, so Geisel. Der schwedische Konzern Heimstaden, der am Bündnisprozess beteiligt war, hat die Vereinbarung dagegen nicht unterschrieben. „Die Tür zum Bündnis steht weiterhin allen offen, die sich für Mieterschutz und Wohnungsneubau konstruktiv einsetzen wollen“, sagte Geisel.

Wohnungsbündnis ohne Ergebnisse

Eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger nach den Ergebnissen des Wohnungsbündnisses für die Mie­te­r:in­nen zeigt indes: Messbare Ergebnisse gibt es kaum. Schmidberger fragte nach der Umsetzung der zentralen Vereinbarungen, etwa des Versprechens der privaten Wohnungsunternehmen, 30 Prozent ihrer frei werdenden Wohnungen an WBS-Berechtigte zu vermieten, für diese die Miete bis Ende nächsten Jahres um höchstens 2 Prozent jährlich anzuheben und auf Mieterhöhungen, die zu einer Haushaltsbelastung von mehr als 30 Prozent des Einkommens führen, zu verzichten.

Doch Rückmeldungen der Unternehmen zur Umsetzung hat die Senatsverwaltung nicht. Stattdessen antwortet sie pauschal: „Die Bündnispartnerinnen und -partner halten sich eigenverantwortlich an die im Bündnis vereinbarten Verpflichtungen.“ Verwiesen wird zudem auf ein Berichtswesen, das im kommenden Jahr Kennzahlen erfassen soll. Fragen nach einer Kontrolle der Vereinbarung und möglichen Sanktionen beantworte der Senat nicht.

Schmidberger kritisierte die fehlenden Kontrollen und Sanktionen und die unterbliebene Information der Mie­te­r:in­nen über die Versprechungen des Bündnisses. Ebenso habe es kein Entgegenkommen der Privaten bei den Betriebs- und Nebenkosten gegeben. Ihre Bilanz: „Das Bündnis ist eine politische Luftnummer, weil es keinerlei transparente Verbindlichkeiten gibt, auf die sich Mie­te­r:in­nen berufen können, und sorgt nicht für eine spürbare Entlastung der Mieter:innen.“

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4 Kommentare

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  • Auf Wort sollten Taten folgen.

    Große Worte hat Franziska Giffey genügend geliefert, an den Taten aber fehlt es völlig.



    Ja, mit dem Mundwerk alleine kann man keine Wohnungen bauen, da gehört schon mehr dazu.

  • Die von Geywitz, Giffey und anderen SPD-Politikern angeschobenen Bauprogramme, freiwilligen Bau-Bündnisse etc. bringen nicht genug konkrete Verbesserung in großen Städten, weil die Nachfrage nach günstigen Wohnungen viel zu groß und die Anzahl der sozialen Neubauten viel zu gering ist. Das ist die schlichte Wahrheit.

    Dass Nichterreichen der Neubauziele ist seit Monaten absehbar, aber SPD-Politik in Bund und Land verkaufte Bürger für dumm, weil sie behauptete, das würde schon hinhauen.

    Die zu hohen Mieten der privaten Bauträger bei Neuvermietung sind für den größten Teil der Bevölkerung nicht tragbar.



    Allein in Hamburg muss für 180 Menschen täglich Obdach gefunden werden.



    Nicht nur Ukrainer, sondern auch viel mehr Flüchtlinge aus anderen Ländern suchen Zuflucht in Deutschland.



    Bundesweit werden deshalb Massenunterkünfte verdichtet, Hallen, Sporthallen angemietet, Containerdörfer aufgestellt. Auf die nächste große Flüchtlingswelle aus der Ukraine ist keiner eingestellt.

    All das erzeugt enormen Druck auf dem eh schon angespannten Wohnungsmarkt.

    Es ist eine Illusion zu glauben, dass die vielen ukrainischen Flüchtlinge nach einem Frieden in ihre Heimat zurückkehren können, da die Ukraine ökonomisch und baulich in einem großem Maß zerstört ist und für Jahrzehnte auf finanzielle Transferleistungen aus dem Westen angewiesen sein wird.

    Es braucht daher ein bundesweites soziales Wohnungsbauprogramm, dass finanziell verdoppelt werden muss, um die Lage in den nächsten Jahren auch nur ansatzweise in den Griff zu bekommen.

    Stattdessen wird an zig freiwilligen Stellschrauben gedreht, die sich in der Summe als Potemkinsche Dörfer erweisen.



    Dass ein genaues Berichtswesen Bürgern mit einer Ampel auf der Homepage des Geywitzer Bundesbauministeriums für die einzelnen Bundesländer nicht genau monatlich signalisiert, wie es mit dem Ist und Soll im sozialen Wohnungsbau in den Bundesländern aussieht, zeigt, dass SPD-Politik Abhilfe im sozialen Wohnungsbau nur simuliert.

  • 6G
    658767 (Profil gelöscht)

    Wenn Baukosten und Zinsen massiv steigen, einkömmliche Mieten verhindert werden sollen und die Man/Womenpower auf den Baustellen fehlt, gehen Kalkulationen in Bruch. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften brauchen jährlich 500 Mio. zusätzlich um Über die Runden zu kommen und Private werden bei Vorstellungen a la Schmidberger lieber im Umland Hamburg, Frankfurt oder München investieren. Einzige Möglichkeit um Masse zu schaffen ist die deutliche Verkleinerung von Wohnungen im Neubau etwa auf das Niveau der 70er Jahre.

    • @658767 (Profil gelöscht):

      "Um Masse zu schaffen"



      Die landeseigenen Berliner Wohnungsbaugesellschaften müssen für deren Bauvorhaben meist Darlehen zu höheren Zinsen aufnehmen. Dieser parallele Finanzhaushalt zum Senat ist in diesen landeseigenen AG's und GmbH's mit Gewinnerwartungen verbunden und läßt sich nur schwer oder gar nicht kontrollieren?



      Neuvorhaben auf größeren Flächen mit Platz für Wohnungen, Kitas / Schulen, Versorgungseinrichtungen , medizinischer Betreuung, Verkehrsanbindungen, Grünflächen mit Spielplätzen werden von den künftigen Mietern gebraucht. Diese Projekte werden immer wieder verzögert. Dafür sollen auf engstem grünem Raum in Innenhöfen, massive Neubauten gesetzt werden. Das ist der Fehler, weil für die Infrastruktur kein Platz möglich. Dorthin zieht keiner.