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Wasserstoffbetriebene Züge in HessenModerne Müllschlucker

Die weltgrößte Flotte wasserstoffbetriebener Züge fährt bald im Taunus. Der Sprit kommt aus einem Industriepark und ist ein Abfallprodukt.

Das H und O: Einer der neuen Züge tankt Wasserstoff in Frankfurt am Main Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Frankfurt am Main taz | Zum Fahrplanwechsel der Deutschen Bahn geht ab Sonntag im Rhein-Main-Gebiet die weltweit größte Flotte von Wasserstoff-Zügen in den Regelbetrieb. 27 moderne Triebwagen vom Typ Coradia iLint des französischen Herstellers Alstom werden auf vier Strecken der Taunusbahn die etwa 20 verbliebenen alten Dieselloks ersetzen.

Tarek Al-Wazir, Hessens grüner Verkehrsminister, lobte den Zugwechsel als Meilenstein der fälligen Ressourcen- und Energiewende. Er präsentierte das erste Fahrzeug der Flotte am Dienstag im Frankfurter Hauptbahnhof gemeinsam mit dem Geschäftsführer des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV), Knut Ringat.

Das Modell unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von den dieselbetriebenen Zügen moderner Baureihen: blaues Dach, weiße Wände. Innen gibt es Internet und Steckdosen zum Laden von Handy und Laptop. Bereiche mit Klappsitzen bieten Platz für Rollstuhlfahrer*innen, Kinderwagen und Fahrräder. Nur die Lackierung deutet auf einen Unterschied hin: Blaue Kringel, die an Luftblasen erinnern, sind auf die Außenwand gemalt. In den Bubbles verraten die Buchstaben O für Sauerstoff und H für Wasserstoff den neuen Antrieb.

Die Tanks des Zuges sind mit komprimiertem Wasserstoff gefüllt. Die Motoren werden mit Strom angetrieben, den Brennstoffzellen in einem chemoelektrischen Prozess bei der Synthese von Wasserstoff und Sauerstoff gewinnen. Bei der Stromerzeugung entsteht nur Wasser, das als Dampf aus Öffnungen im Dach entweicht. Ein wenig sieht das aus wie eine der Dampfloks, die bis in die 1980er Jahre bei der Deutschen Bahn im Einsatz waren. Die bliesen allerdings neben dem Dampf auch giftige Abgase und den Ruß des Koksfeuers in die Luft, das für die Antriebskraft sorgte.

Die neuen Züge beruhen auf bewährten Fahrgestellen

Der Zughersteller Alstom, zweitgrößter Schienenfahrzeughersteller weltweit, habe vor zehn Jahren entschieden, die erste Generation der Wasserstoff-Züge nicht auf eine völlige Neukonstruktion, sondern auf Fahrgestelle und Karosserien bewährter Züge aufzusetzen, erklärt Alstom-Manager Müslüm Yakisan. Deshalb seien die emissionsfreien Züge bereits zehn Jahre nach dem Projektstart für den Regelbetrieb einsatzbereit.

Von der Reichweite und Effektivität der Brennstoffzellen-Triebzüge seien die Entwickler sogar positiv überrascht worden. Yakisan erzählt der taz von einer „Rekordfahrt“ eines Fahrzeugs aus der Wasserstoffflotte im Verkehrsverbund Elbe Weser. Die habe mit einer Tankfüllung nach 1.250 Kilometern und 39 Stunden Fahrt „wegen Erschöpfung des Personals“ abgebrochen werden müssen. Im Vergleich mit den Dieselloks gleicher Bauart spare ein Wasserstoff-Triebwagen 11.000 Tonnen CO2 jährlich ein, so der Manager, und arbeite außerdem wahrnehmbar leiser.

Das Unternehmen bietet auch batteriebetriebene Züge an, die sich aber vor allem auf kurzen Distanzen bis zu 100 Kilometern lohnen. Insgesamt sieht Alstom ein großes Potenzial zur CO2-Einsparung – und ein gutes Geschäft – in der Umrüstung der gesamten dieselbetriebenen Flotte, die noch Jahrzehnte unterwegs sei. Bis zu 3.000 Fahrzeuge ließen sich umbauen, schätzt Yakisan. Neben dem Betrieb durch Brennstoffzellen sei auch möglich, Diesel-Verbrenner auf flüssigen Wasserstoff umzustellen. Dabei müsse weniger stark in die Konstruktion eingegriffen werden.

Ulrich Krebs (CDU), Landrat des Hochtaunuskreises und RMV-Aufsichtsratsvorsitzender, sprach von einer „Erfolgsgeschichte“, die die Taunusbahn mit dem Einsatz der Wasserstoffzüge fortschreibe. Die Deutsche Bahn habe die Strecken Ende der 1980er Jahre aufgeben wollen, deshalb hätten die Kommunen den Betrieb übernommen.

Täglich 11.000 Fahrgäste, „Tendenz steigend“, zeigten, dass es Bedarf für Zugverbindungen gebe. Da die Elektrifizierung des gesamten Streckennetzes im Hochtaunus nicht in Frage komme, wegen der vielen Tunnel und der Topografie, habe man sich vor fast 40 Jahren für die damals modernen Diesellokomotiven entschieden, die jetzt ersetzt würden, so Krebs.

Land und Bund beteiligen sich mit Millionensummen

Der Wasserstoff für den Antrieb kommt aus dem Industriepark Höchst am westlichen Stadtrand von Frankfurt. Dort fällt er bei chemischen Produktionsverfahren an. Es handelt sich also um so genannten grauen Wasserstoff, der nicht klimaneutral ist. Aber: Käme er nicht in die Tanks der Züge, würde er „thermisch entsorgt, also abgefackelt“, erklärte RMV-­Geschäftsführer Knut Ringat am Dienstag. Das Land Hessen hat rund 60 Prozent der Kosten für den Bau der Wasserstofftankstelle im Industriepark übernommen und insgesamt mehr als 3 Millionen Euro in deren Planung und Umsetzung gesteckt.

Auch der Bund fördert den Einsatz der Wasserstoffzüge. Denn bislang sind diese noch deutlich teurer als moderne Dieselloks. 40 Prozent der Preisdifferenz übernimmt der Bund, begrenzt auf maximal 14,7 Millionen Euro. Auch an der Tankstelle hat sich der Staat beteiligt und kommt so auf eine Fördersumme von insgesamt etwa 24 Millionen Euro für das Projekt, dessen Gesamtvolumen der RMV auf rund 500 Millionen Euro über 25 Jahre für Fahrzeugbeschaffung, Instandhaltung und Betrieb beziffert.

Vor der Jungfernfahrt des Zugs von Frankfurt nach Bad Homburg hatte es sich Minister Al-Wazir nicht nehmen lassen, persönlich bei einem der „Fossilien“ vorbeizuschauen, die nun ausrangiert werden. Auf Gleis 22 des Frankfurter Hauptbahnhofs startete auch an diesem Tag ein in die Jahre gekommener Triebwagen vom Typ VT/VS 2E in Richtung Grävenwiesbach im Hochtaunus.

Als junger Landtagsabgeordneter sei Al-Wazir selbst häufig mit dem Regionalexpress zwischen Frankfurt und Wiesbaden unterwegs gewesen. Da wurde auch er Zeuge des Spektakels, das sich bislang auf den Gleisen 21 und 22 abspielt: Mit Getöse fahren die Diesel-Triebwagen in die Bahnhofshalle ein, bei der Abfahrt dröhnen die Motoren, aus den Auspuffrohren der Aggregate wälzt sich schmutziger Qualm. Abgasreinigung? Fehlanzeige. Am Wochenende landen die alten Kisten auf dem Abstellgleis.

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8 Kommentare

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  • Die Taunusbahn kann laut Artikel wegen der Tunnel und der Steigungsstrecken nicht sinnvoll elektrifiziert werden. Wenn man sich nicht auf die Propaganda des Herstellers der Wasserstoff-Triebwagen verläßt und sich kundig macht (Wikipedia-Artikel "Taunusbahn" und allgemeine Kenntnisse über Elektro-Antriebe), kommt man zur genau entgegengesetzten Aussage. Gerade auf Steigungsstrecken sind elektrifizierte Züge viel sinnvoller, weil sie bei Talfahrt und dem dann nötigen Bremsen Energie fast verlustfrei zurückgewinnen und ins Stromnetz zurückgeben können (seit 100 Jahren bekannt und heute allgemein üblich: "Nutzbremsung"). Das ist bei Wasserstoffbetrieb kaum möglich. Wasserstoff-Züge vernichten die Energie so wie Diesel-Züge über die Bremsscheiben, was man als Fahrgast auch hören wird. Und seit wann sind Tunnel ein Hindernis der Elektrifizieung? Und woher kommt der "grüne Wasserstoff" der Zukunft? Er wird durch Elektrolyse erzeugt, deren energetischer Wirkungsgrad bei 80 % liegt. Für den Pipelinetransport muß er außerdem komprimiert werden, was zusätzliche Energie erfordert (wie jeder Fahrradfahrer weiss). Der Tank im Fahrzeug ist auch nicht frei von Gewicht, weder leer noch voll. Es sollte jedem, der nicht gutgläubig ist, sondern wirklich wissen will, was Sache ist, klar sein, dass nur Stromtransport und direkte Verwendung des Stroms eine Zukunft hat. Wenn man das über Wasserstoff als Energieträger liest, was den Menschen erzählt wird und was sie begeistert glauben, kann man entweder zum Zyniker werden oder gleich an der Menschheit verzweifeln. Eine schöne Zwischenlösung wäre die Satire.

  • Na bitte, geht doch!



    Nun noch schnellstmöglich die LKW und die Schiffe nach- bzw. umrüsten.



    Wenn die Logistik an den Tankstellen steht - und das ist viel einfacher als Millionen elektrische Ladesäulen zu installieren - können auch PKW Wasserstoff tanken.



    Toyota und Honda haben es vorgemacht.

    • @Herry Kane:

      "Na bitte, geht doch!"



      ja. Nur eine klitzekleine Kleinigkeit fehlt noch: Der grüne Wasserstoff...

      • @sollndas:

        Jein. Die Drecksschleudern Kreuzfahrtschiffe und Frachter könnten zunächst auch ohne grünen Wasserstoff.

    • @Herry Kane:

      Bisher wird Brennstoffzelle mit großen Mengen Edelmetall gebaut. Die verfügbaren Mengen reichen nicht für PKW.

      • @WeisNich:

        OK, muss ja nicht alles auf einmal passieren.

  • Loks oder Triebwagen, was war denn nu bislang unterwegs auf der Taunusbahn ?



    Legendär Seydrieds Triebwagen mit raushängender Zunge: Hechel !

  • Ein Wasserstoffzug ist von Natur aus ein Hybrid, da der Motor ein Elektromotor ist. Wenn es Stromtrassen an den Gleisen gibt, könnte er theoretisch seine Antennen ausfahren und zu Verbundstrom wechseln, spart 70 %der Energie. Allerdings ist H2 immer noch besser als alles was fossil.