Pilztheaterstück „The Fun in Fungus“: Biologie und Kapitalismus
Anton Pleva bringt allerbesten Sachbuchstoff auf die Bühne des Hamburger Sprechwerks – das klappt sogar sehr gut.
Das Stück von Anton Pleva, der selbst auch auftritt, beschäftigt sich zunächst einmal ganz konkret mit Pilzen, diesen mal sehr willkommenen, mal als lebensbedrohlich wahrgenommenen Mischwesen: konstitutiv in der Pilzpfanne, Besorgnis erregend an der Badezimmerwand. Sie sind auf, an und in allem, das uns umgibt (inklusive unserer Körper selbst). Oder, wie es Pleva gegenüber der taz formuliert: „Ohne Pilze gäbe es kein Leben auf dem Planeten – nichts – die Erde wäre ‚wüst und leer‘.“ In der Tat: Pilzen – und, na gut, Algen auch – verdanken wir ja einen für uns bewohnbaren Planeten.
Vernetzte Welt
Neben Sheldrake war auch Anna Lowenhaupt Tsings „Der Pilz am Ende der Welt“ wichtige Inspiration, und darin geht es dann nicht mehr nur um Biologie, sondern mindestens so sehr um den heutigen Kapitalismus. Über allerlei irrige Selbstbilder sprechen nun – neben Pleva – Henrik Demcker, Marc Laade, Kathrin Ost und Birgit Welink: über die Idee des Menschen etwa, er sei aller Natur enthoben, nicht vielmehr notwendigerweise verbunden mit, ja: abhängig von allem, das ihn umgibt; oder, auf anderer Ebene: über die trügerischen Glaubenssätze alter und nicht ganz so alter Liberalismus-Spielarten. Manchmal singen sie über all das auch ganz beglückend, die Musik kommt von Demcker. Währenddessen zubereitete und im Anschluss gereichte Champignoncremesuppe, vegan, gab es aber nur am Premierenabend.
Weitere Vorstellungen: Fr + Sa, 9. + 10. 12., 20 Uhr, Hamburger Sprechwerk, Klaus-Groth-Str. 23
Ist guter Sachbuch-Stoff nun auch guter für die Bühne? Es ist ja ein Theater der Wissensvermittlung; eines, das, so ahnt man, beträchtliches, vorab erworbenes Wissen bühnentauglich aufbereiten möchte. Was durchaus gelingt: Wer das kleine Hinterhoftheater verlässt, weiß wohl mehr über Pilze (aber längst nicht nur). Die naheliegende Gefahr dabei wäre vielleicht ein Verfallen ins allzu sehr Vorlesungshafte. Mit solchen Sorgen habe er sich durchaus auch getragen, erzählt Pleva denn auch der taz.
Anti-Illusions-Theater
Für manche Zuschauende mag dieser Tatbestand erfüllt sein. Es gibt hier keinen Plot, keine Figuren, dafür ein vielleicht Brecht remixendes Anti-Illusionstheater: Weite Teile des Materials werden da tatsächlich vorgelesen, aus schwarzen Ordnern. Das ist einerseits einfach nur den Zwängen freien Schaffens und der entsprechenden Budgets geschuldet: „Das Teuerste am Theater ist es“, sagt Pleva, „einen Text auswendig zu lernen.“
Aber es hilft auch, den erwähnten Didaktik-Overkill zu vermeiden: Die immer wieder selbst sich unterbrechende Form lässt es, dem realen Wissensvorsprung zum Trotz, gerade nicht so erscheinen, als redeten da Expert*innen ein auf zu belehrend Dasitzende, sondern eher so, als befragten alle gemeinsam den Text, „sodass die Performer*Innen genau so überrascht, verwundert und begeistert sein können wie das Publikum“, sagt Pleva. Man könnte es auch Mitmachtheater nennen, aber eines der ganz und gar unpeinlichen Art.
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