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Diversität Schwarzer PositionenVon fragwürdigen Empfehlungslisten

Als unsere Autorin auf Social Media auf Empfehlungslisten von PoC-Accounts stieß, fand sie das hilfreich. Bis sie sich selbst auf so einer Liste fand.

Unser Autorin versteht sich als Teil Schwarzer Vielstimmigkeit – und wünscht sich Differenzierung Foto: Jamie Jones/Ikon Images/imago

I ch habe mir mein Leben so eingerichtet, dass ich nur selten die einzige Schwarze Person im Raum bin. Viele meiner ersten Bezüge zur Schwarzen Community in Deutschland fand ich über Social Media. Darum ist es mir besonders wichtig, auch dort weiter Schwarze Positionen, Themen und Debatten mitzubekommen.

Neu auf Mastodon, schaue ich dort gerade, wem ich so folgen kann. Als Listen mit Accounts Schwarzer Personen geteilt wurden, fand ich das erst mal hilfreich. Bis ich selbst auf so einer Empehlungsliste stand und ein bisschen beleidigt war, Teil der Aufzählung zu sein.

Die Menschen, die aufgezählt wurden, waren alle PoC – doch ich fand mich dort in einer Reihe mit Leuten, deren politische oder inhaltliche Positionen in vielen Punkten konträr zu meinen sind. Damit hat mir die Liste keinen Spaß mehr gemacht. Bei aller Sehnsucht nach Community: Es ist auch extrem nervig, ständig mit anderen Schwarzen in einen Topf geworfen zu werden. Ich finde es nicht zielführend und auch ein bisschen langweilig, wenn „die Person ist Schwarz und sie sagt Sachen“ das einzige Kriterium ist, um auf einer gemeinsamen Account-Liste, einem Podium oder in einem Sammelband zu landen.

Oft genug saß ich bei Podiumsdiskussionen im Theater und dachte mir: Wenn es keinen Rassismus gäbe, dann würde mich nichts mit den Kol­le­g*in­nen verbinden. Wir haben andere Inhalte, eine andere Ästhetik, kommen aus unterschiedlichen Theaterschulen und wären uns in einer gerechten, rassismusfreien Theaterlandschaft nie über den Weg gelaufen. Diese Gesprächsrunde kann nur immer wieder um Rassismuserfahrungen kreisen. Wir haben uns sonst nichts zu sagen.

Schwarze Menschen sind so divers wie weiße

Ich möchte Schwarze Menschen nicht zusammenpacken, nur weil sie Schwarz sind. Ich bin gern Teil einer lauten Schwarzen Vielstimmigkeit: niemals alleine, sondern immer in solidarischen Zusammenschlüssen. Ich freue mich, wenn Menschen sich freuen, in mir eine Schwarze Verbündete gefunden zu haben. Aber wer mich einlädt oder bei mir reinfolgt, weil ich Schwarz bin, wird vielleicht enttäuscht sein von meinem Interesse an Stadtpolitik, meiner Vorliebe für laute Gitarrenmusik oder meiner Ablehnung von Spoken Word und dem neuen Beyoncé-Album.

Mein Insta besteht aus vielen Antirassismusposts, aber eben gemischt mit nerdy Theater-Content und Rezepten. Muss man mögen. Ich finde es wichtig, viele unterschiedliche Intersektionen zum Schwarzsein öffentlich repräsentiert zu sehen, aber es geht mir nicht darum, weitere Positionierungen in die Listen zu packen. Ich suche Interessen und Haltungen. Ich will nicht auf eine Liste mit Schwarzen cis Frauen mittleren Alters, sondern auf eine mit Schwarzen Punks

Schwarze Menschen sind so divers wie weiße Menschen auch. Sie sind nicht nur unterschiedlich positioniert. Sie vertreten auch unterschiedliche politische Positionen und Ansichten. Lasst uns unsere Folgeempfehlungen mal individueller kuratieren.

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Simone Dede Ayivi
Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.
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2 Kommentare

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  • "Schwarze Menschen sind so divers wie weiße Menschen auch. Sie sind nicht nur unterschiedlich positioniert. Sie vertreten auch unterschiedliche politische Positionen und Ansichten."

    Da bin ich 100% einverstanden. Ansichten und politische Positionen sind interessant. Hautfarbe nicht, weil reine Äußerlichkeit. Und das ist auch gut so. Nicht anders als Blutgruppe oder Augenfarbe.

  • Die Autorin hat es verstanden: Jeder Mensch hat das Recht als Individuum (Person) respektiert und gesehen zu werden. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, ein Individuum zu sein. Und jeder Mensch hat die Pflicht, den Anderen nicht nach äußerlichen Merkmalen zu beurteilen, sondern nach seinem*ihren individuellen Charakter und persönlichem Verhalten. Martin Luther King hat das auch gewusst, aber sein antirassistischer Impuls ist aus der Mode geraten. Modern sind jetzt kollektive Zuschreibungen (PoC, BIPoC, Weiß usw.), bei denen die Person mit ihren Rechten unter die Räder kommt. Schön, dass die Autorin dabei nicht mehr mitmachen will!