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Zweite Staffel „Die Discounter“Über Banalitäten des Menschseins

Auch die zweite Staffel ist lustiger, als man es vom deutschen Fernsehen erwartet. Und ein bisschen Gesellschaftskritik steckt vielleicht auch drin.

Rapperin Nura als draufgängerische Verkäuferin Flora Foto: 2022 Amazon.com

In der Pandemie wurden Supermärkte mehr denn je zu Schauplätzen archaischer menschlicher Verhaltensweisen. Banalitäten des Menschseins sind auch das Material der Serie „Die Discounter“, deren zweite Staffel seit Mitte November auf Amazon Prime zu sehen ist.

Drehbuch und Regie verantworten wieder einmal die Brüder Oskar und Emil Belton sowie Bruno Alexander, die in der Serie selbst mitspielen – als befeindete Mitarbeiter konkurrierender Kolinski-Filialen in den Hamburger Bezirken Altona und Eimsbüttel. Auch sonst entspricht die Besetzung weitestgehend jener der ersten Staffel, darunter Marc Hosemann als notorisch überforderter Filialleiter Thorsten Kruse, die Rapperin Nura als draufgängerische Verkäuferin Flora und Merlin Sandmeyer als selbstzweifelnder Ladendetektiv Jonas.

Ihr Supermarktalltag hat was von Freizeitpark oder Schullandheim: Im Warenlager fiebern die Mit­ar­bei­te­r:in­nen mit dem Chef beim Stadtderby HSV gegen St. Pauli, sie spielen „Wahrheit oder Pflicht“ und Playstation, hinter dem Markt bauen sie eine kleine Hühnerfarm. Weil es bei Kolinski so geil ist, unternimmt Abiturient Titus (Bruno Alexander) erst gar keinen Versuch, die Vorzüge seines Abschlusses zu nutzen.

Dass die Arbeit im Supermarkt eine systemrelevante, aber gesellschaftlich wenig anerkannte ist, blitzt nur einmal kurz auf: Die Mit­ar­bei­te­r:in­nen protestieren gegen schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen. Dieser Serie geht es nun mal nicht vordergründig um Sozialkritik, sondern um Menschen, die selbstsüchtig, aber sehnsüchtig, peinlich, aber liebenswürdig, egoistisch, aber loyal, gemein, aber verletzlich sind. Der Supermarkt ist als Ort des gesellschaftlichen Zusammentreffens austauschbar.

Obwohl die Ma­che­r:in­nen keine Gelegenheit ausgelassen haben, um maßlos zu übertreiben, gibt es reichlich Anknüpfungspunkte für Gefühle des Alltags. Verlässlich bedient der Mockumentary-Mechanismus die universelle Lust am Fremdschämen. „Die Discounter“ behandelt ihre Figuren dabei stets würdevoll und verzichtet auf billige Lacher mit Darstellungen von oben herab.

Und vielleicht steckt am Ende doch auch ein bisschen Gesellschaftskritik drin – wenn man bedenkt, dass sich die Lohnabhängigen mit dem Quatsch, den sie während der Arbeitszeit veranstalten, ja auch dem Zwang der Lohnarbeit widersetzen.

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1 Kommentar

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  • Ich hab diesen Artikel auf meiner FB Timeline gefunden - dort gab es bereits 42 Kommentare. Ich habe dort diesen Kommentar hinterlassen: "Ich begreife die positiven Kritiken der zweiten Staffel hier nicht. Ich bin auf die Serie erst aufmerksam geworden, als die zweite Staffel angekündigt wurde ... verbunden mit lauter positiven Kritiken der ersten. Die erste Staffel gefiel mir "ganz gut" (mehr aber auch nicht). Bei der zweiten bin ich nach einigen Folgen ausgestiegen, weil ich den Eindruck hatte, dass hier der Mechanismus griff "Wir müssen immer noch einen draufsetzen". Ich fand Szenen/ Gags zunehmend geschmacklos, ja sogar widerlich. Eine Kundin kriegt im Supermarkt ihr Kind, die Nachgeburt bleibt im Gang liegen und ein naiver männlicher Mitarbeiter muss sie entsorgen, ohne zu erkennen, was er da anfasst. Der - schüchtern schwule - Ladendetektiv "verhaftet" einen Dieb und wird kurz darauf vom Rest der Belegschaft dabei beobachtet, wie er sich mit verdrehten Augen von hinten penetrieren lässt. Der Filialleiter ist zu faul aufs Klo zu gehen, pinkelt in ein Glas, lässt es auf dem Tisch stehen und nötigt dann - bei einem Überraschungsbesuch der Geschäftsbesitzerin - den Detektiv seine Pisse zu trinken. An dieser Stelle hab ich abgebrochen. Die taz schreibt - ohne solche Szenen auch nur im Ansatz zu erwähnen - "Und vielleicht steckt am Ende doch auch ein bisschen Gesellschaftskritik drin...", was ich überhaupt nicht erkennen kann ... vielmehr werden Stereotype ohne Ende reproduziert. Und: Hier gibt es endlich eine Serie, die im Lebensalltag von "gewöhnlichen" Arbeitnehmern spielt - wo hat man das schon? Und was tut man mit dieser Serie den vielen Beschäftigten an, die - schlecht bezahlt - in Supermärkten arbeiten?????"