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Keine Wahl von AfD-StadtratspostenKandidat fällt immer wieder durch

In drei Bezirken fallen die AfD-Stadtratskandidaten in den Wahlen wiederholt durch. Nun will die AfD klagen. Andere Parteien sehen das gelassen.

Die AfD ist nicht überall beliebt. Ein Schnappschuss aus BerlinKreuzberg Foto: dpa/Paul Zinken

Berlin taz | Wohl im Februar wird in Berlin wieder gewählt. Allerdings ist in drei Bezirken seit der Wahl vom September 2021 das Bezirksamt noch nicht einmal komplett besetzt. Das liegt daran, dass in Spandau, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf die Kandidaten der AfD keine Mehrheit fanden. In diesen Bezirken hat das Bezirksamt darum nur fünf statt sechs Mitglieder, einzelne Stadträte verwalten nun größere Ressorts. In allen drei Bezirken haben die Rechtspopulisten zwar keine strammen Nazis nominiert. Doch die Verordneten der anderen Fraktionen haben Zweifel an der fachlichen Eignung der AfD-Bewerber.

In Spandau ist der AfD-Kandidat Andreas Otti nach Angaben der Grünen im Bezirk in elf Wahlgängen klar durchgefallen. Der Berufsoffizier soll jeweils nur etwa so viele Stimmen bekommen haben, wie die AfD Mandate hat. „Herr Otti war ja in der vergangenen Legislaturperiode bereits Stadtrat“, sagt Grünen-Fraktionschefin Dara Kossok-Spieß der taz. „Er hat es nicht einmal geschafft, innerhalb seines eigenen Ressorts den Überblick zu bekommen. Das wollen wir uns nicht ein zweites Mal leisten.“ Da sei es das kleinere Übel, dass ein von der SPD nominierter Stadtrat das freie Ressort zusätzlich mitverwalte, sagt die Grüne.

In Marzahn nominiert die AfD nahezu jeden Monat den Juristen Michael Adam als Stadtrat. Eine zu Beginn aufgestellte andere Kandidatin hatte ihre Kandidatur zurückgezogen, bevor diese zur Abstimmung kam. Wie in Spandau ist Adam jeweils sehr deutlich durchgefallen. Mal bekam er nicht einmal so viele Stimmen, wie sie die AfD auf sich vereint, mal waren es geringfügig mehr. Die Fraktionsvorsitzende der Tierschutzpartei, Inka Seidel, sagt: „Er hatte noch nie ein vergleichbares Amt inne. Mich hat er von seiner Biografie und seinen Reden her nicht davon überzeugt, dass er dafür geeignet ist.“

Das sieht auch Björn Tielebein, Fraktionschef der Linken, so: „Adam hat bei seiner Vorstellung deutlich gemacht, dass er den Bezirk nicht wirklich kennt. Seine Position zu Minderheitenrechten ist völlig inakzeptabel für jemanden, der Ordnungsstadtrat werden will.“ Adam hatte bei seiner Vorstellung auf der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) letzten Dezember den Eindruck erweckt, er wisse nichts von Anfeindung, Diskriminierung und Übergriffen gegen LGBTIQ-Personen. Adam bezweifle auch, dass die globale Erderwärmung menschengemacht ist. Auf Twitter hatte der Rechtsanwalt am Sinn der Corona-Impfung gezweifelt.

Die Bezirksämter

Die Ämter In den zwölf Berliner Bezirken wählen die jeweils 55 Bezirksverordneten das Bezirksamt. Das besteht inclusive BezirksbürgermeisterIn aus sechs StadträtInnen.

Die StadträtInnen Neben den auch für Wirtschaft und Finanzen zuständigen BezirksbürgermeisterInnen sind pro Bezirk je fünf StadträtInnen zuständig für die Ressorts Stadtentwicklung und Umwelt, für Jugend und Gesundheit, für Soziales, für Ordnung und für Schule, Kultur und Sport.

Die Wahl Abhängig vom Stimmenverhältnis in der Bezirksverordnetenversammlung BVV dürfen die Fraktionen einen oder mehrere StadträtInnen nominieren. Gewählt werden die StadträtInnen durch die BVV mit einfacher Mehrheit. Erhält ein Kandidat dort keine Mehrheit, geht das Vorschlagsrecht nicht an eine andere Fraktion über. (mai)

Er fiel immer deutlich durch

In Lichtenberg nominierte die AfD den früheren BND-Mitarbeiter Frank Elischewski mehr als ein Dutzend Mal. Er war in der letzten Wahlperiode schon einmal Stadtrat gewesen und von den anderen Parteien mit dem Miniressort „Regionalisierte Ordnungsangelegenheiten“ abgespeist worden. Elischewski fiel immer deutlich durch, kam oft auf geringfügig mehr Stimmen, als seine Fraktion aufbringen kann.

Dennoch hat die AfD hier wie in den anderen beiden Bezirken niemand anderen nominiert. „Ich kann niemanden aus der Partei wählen, der ein Björn Höcke angehört“, sagt der SPD-Bezirksverordnete und Kreischef von Lichtenberg, Erik Gührs, der taz. „Jeder, der Mitglied dieser Partei ist, macht sich mit diesem gemein.“ Elischewski hätte in der letzten Legislaturperiode als Stadtrat Bezirk und Land zudem Schaden zugefügt. „Er war dafür verantwortlich, dass die Kosten für das Tierheim für die öffentliche Hand gestiegen sind.“

Allerdings wackelt in Lichtenberg das Vorschlagsrecht für die AfD für einen Stadtrat. Der ehemalige linke Bezirksverordnete Roman Grabowski ist seit dem Frühjahr fraktionslos und liebäugelt mit einem Eintritt in die SPD. Sollte er sich dazu noch vor den Neuwahlen im Februar entschließen, geht das Vorschlagsrecht für den freien Stadtratsposten von der AfD an die SPD über.

Lediglich in Treptow-Köpenick wurde der von der AfD nominierte Stadtrat auch gewählt. Bernd Geschanowski, der bereits in der letzten Legislaturperiode Gesundheitsstadtrat war und überregional dadurch auffiel, dass er einem schwulen schwarzen Arzt die Ernennung zum Amtsarzt verweigerte, wurde im Februar im vierten Wahlgang zum Ordnungsstadtrat gewählt.

Aber nicht etwa, weil der gelernte Schiffsbauer die Verordneten der anderen Fraktionen fachlich besonders überzeugt hätte. Vielmehr hatte sich in den anderen Fraktionen denkbar knapp die Position durchgesetzt, dass die Wahl des AfD-Mannes das kleinere Übel wäre. Als größeres Übel sahen es viele Bezirksverordnete an, die Rechtspopulisten durch Nichtwahl ihres Kandidaten in ihrer Opferrolle zu bestärken.

Klage gelassen entgegen sehen

Die AfD sieht in der Nichtwahl der von ihr nominierten Kandidaten in den drei Bezirken eine „ungesetzliche Blockade durch die Vertreter der politischen Mitbewerber“ und hat nach eigenen Angaben eine gerichtliche Klage vorbereitet, die sie wohl am Mittwoch (23. November 2022) vorstellen will.

Sie bezweifeln die fachliche Eignung der AfD-Bewerber

Einer solchen Klage sehen Vertreter anderer Parteien jedoch gelassen entgegen. „Die AfD hat das Recht, einen Kandidaten zu nominieren. Aber für mich als Bezirksverordnete gilt die freie Wahl“, sagt die Grüne Dara Kossok-Spieß aus Spandau. „Hier liegt keine ungesetzliche Blockade der demokratischen Fraktionen vor, sondern ein Führungsmangel des AfD-Kandidaten Otti. Ihm wurde seitens der anderen Fraktionen mehrfach signalisiert, er soll seine eigenen Ambitionen als Stadtrat zurückstellen, damit die AfD jemand anderen aufstellen kann.“

Ähnlich gelassen sehen es der Linke Tielebein aus Marzahn-Hellersdorf und der SPD-Politiker Gührs aus Marzahn-Hellersdorf: „Ich gehe davon aus, dass das Recht eines Bezirksverordneten, seine Entscheidungen frei und geheim zu treffen, durch ein Gericht nicht angetastet wird“, sagt Tielebein. Gührs ergänzt: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Gericht anordnet, jemanden zu wählen.“

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2 Kommentare

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  • Das ganze Berliner System ist doch völlig abwegig und wurde offenkundig zur Sicherung der Pfründe von Parteien entworfen, und zwar zu einer Zeit, als es nur drei oder vier Parteien gab. Wie sonst ist zu erklären, dass es in Berlin auf Bezirksebene zwar so etwas gibt wie eine parlamentarische Opposition, der aber gleichzeitig (eigentlich) das Recht zusteht, an der Regierung beteiligt zu werden? Das kann doch gar nicht wirklich funktionieren. Was Minderheit ist, sollte auch Minderheit bleiben und eben nur über den Weg einer Koalition auch an der Regierung beteiligt werden können.

  • Das kann man jetzt lustig finden, oder richtig und gerecht.



    Man kann sich aber auch fragen, ob gewählte Personen nicht auch ein Anrecht auf eine Position haben, die ihnen auf Grund ihrer Wähler zusteht. Selbst wenn es eine aus meiner Sicht zweifelhafte Partei ist wie die AfD ist, von der ich zwar rein gar nichts halte, aber ihnen ihre via Wahl zustehenden Rechte nicht strittig machen würde.