Bereitschaft zum Spenden: Heldentum endet beim Finanzamt
Arme spenden, prozentual gesehen, mehr als Reiche. Aber Superreiche, die Milliarden spenden, werden zu Helden. Sie sollten auch höhere Steuern zahlen.
Es sind nur bescheidene Summen, aber immerhin: Arme Haushalte sind relativ zum verfügbaren Einkommen spendabler als Reiche. „Anteilig am verfügbaren Einkommen geben die einkommensschwächsten Spenderhaushalte mit knapp 2 Prozent des verfügbaren Einkommens doppelt so viel wie die einkommensstärksten“, so eine Mitteilung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vom Mittwoch. In den ärmsten 10 Prozent aller Haushalte spendete immerhin fast jeder dritte Haushalt, und von diesen Spender.innen kamen im Schnitt 150 Euro im Jahr.
Diese Freigebigkeit der Ärmsten sei „bemerkenswert, da gerade in den beiden unteren Einkommensdezilen nur wenig Rücklagen vorhanden sind“, erklärte DIW-Studienautor Jürgen Schupp. Viele arme Haushalte haben zudem Schulden. Im reichsten Zehntel der Bevölkerung spendete die Mehrzahl der Befragten und von den Spender:innen kamen im Schnitt 1.265 Euro im Jahr.
Die DIW-Studie kommt zu einem Zeitpunkt, wo erneut ein Superreicher angekündigt hat, den Großteil seines Vermögens zu spenden. Jeff Bezos, 58 Jahre alt, Gründer von Amazon, geschätztes Vermögen 120 Milliarden Dollar, erklärte dieser Tage, er baue gerade „die Kapazität auf“, um das Geld noch zu seinen Lebzeiten spenden zu können. Bezos stellt sich damit in eine Reihe mit anderen Superreichen wie Bill Gates und Warren Buffet, die sich in global agierenden Stiftungen engagieren. „The Giving Pledge“ heißt der Zusammenschluss der milliardenschweren Sponsoren, die sich selbst als „Philantropen“ bezeichnen.
Man sollte diese Wohltätigkeit nicht verdammen, aber klar ist auch: Diese Spenden sind kein persönliches Opfer für die Gebenden, im Gegenteil. Für Superreiche wird Geld abstrakt, und kaum einer schafft es, eine Millliarde Euro zu Lebzeiten nur für den Konsum auszugeben. Es wäre lächerlich. Als Großspender:in hingegen winkt der Heldenstatus.
Ein Stück Unsterblichkeit
Es ist ein unglaublicher Ausdruck von Macht, mit, sagen wir, 10 Milliarden Euro darüber mitentscheiden zu können, ob in einem armen Land eine Gesundheitsversorgung aufgebaut wird oder nicht. Und es winkt ein Stückchen Unsterblichkeit. Nicht nur, weil in der christlichen Ethik und im Islam Spenden zu den „guten Taten“ gehören, die die Chance erhöhen, ins Paradies zu kommen, sofern man daran glaubt. Deswegen ist es auch kein Zufall, dass sich sehr reiche Ältere gerne dazu entschließen, eine Stiftung zu gründen. Eine Stiftung, die den eigenen Namen trägt, verlängert die eigene Bedeutung noch ein Stück in die Zukunft hinein, auch nach dem eigenen Tode. Man hat das Gefühl, das noch etwas von einem bleibt. Viel Geld spenden zu können ist ein großes Privileg.
Gegen Spenden ist also nichts zu sagen, nur eben gegen die Ursache, warum das Großspendentum überhaupt möglich ist. Es ist nur möglich in einem System, das die Anhäufung von Reichtum in individueller Hand erst ermöglicht. Wie ambivalent diese Anhäufung ist, zeigt sich jetzt bei dem Twitter-Aufkäufer Elon Musk, der aufgrund seines Reichtums das Zeug sowohl zum Groß-Wohltäter als auch zum Groß-Bösewicht hat, der in die Geschichte eingeht.
Auffällig dabei ist, dass manche Spender:innen zwar dem Sponsorentum huldigen, aber Steuererhöhungen eine Absage erteilen. Der Schweizer Unternehmer Beat Curti zum Beispiel, an Stiftungen beteiligt und Förderer der Schweizer „Tafel“, wendet sich gleichzeitig gegen höhere Steuern. Die Steuerfeindschaft vieler Reicher, gekoppelt mit dem eigenen Sponsorentum, beleuchtet den narzisstischen Aspekt des Spendens: Man möchte doch, bitteschön, selbst entscheiden, wo das eigene Geld hingeht, und es nicht dem Staat in den Rachen werfen, der damit sonst was anfängt.
Hilfreich aber wäre beides, sowohl großzügiges Spendentum als auch die Akzeptanz hoher Steuern für Vermögende als Zeichen dafür, dass man in einem Staat lebt, dessen Verteilungsmacht man höher ansetzt als die eigene Spendenbereitschaft. So viel Bescheidenheit sollte sein, erst recht für Reiche.
In der christlichen Ethik wird Sankt Martin zum Helden, der seinen Mantel mit einem Armen teilt und in der Kälte nur mit einem halben Mantel weiterreitet. Am Ende zählt also die Größe des Opfers, nicht die der Spende.
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