Iranische Fußballer gegen die Regierung: Auf der Seite der Unterdrückten
Am Protest der iranischen Fußballer zeigt sich die subversive Macht des Sports. Das Schweigen der Fifa dagegen ist gewohnt staatstragend.
W ie subversiv die Macht des Sports sein kann, sah man diese Woche am Beispiel der iranischen Fußballnationalspieler. Als vermeintliches Instrument der Machthaber war für sie eigentlich die Rolle vorgesehen, bei der Weltmeisterschaft in Katar am 29. November im Gruppenspiel gegen die verhassten USA als strahlender Sieger den Platz zu verlassen – als Zeichen für die Überlegenheit des islamischen Staates.
Doch seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die in Teheran vor knapp zwei Wochen mit der Begründung festgenommen wurde, sie trage ihr Kopftuch falsch, und dann in Polizeigewahrsam gestorben war, gehen zahlreiche Menschen im Land gegen das Regime auf die Barrikaden. Die Fußballnationalspieler stellten sich in Solidarität mit der Protestbewegung im Iran beim WM-Vorbereitungsspiel gegen den Senegal in Trainingsjacken zur Nationalhymne auf, sodass das Landeswappen nicht zu sehen war. Einige schwärzten ihre Instagram-Profile.
Und der Stürmer Sardar Azmoun, der bei Bayer Leverkusen unter Vertrag steht, solidarisierte sich via Instagram mit den demonstrierenden iranischen Frauen. Eigentlich dürfe er sich nicht äußern, aber ein Rausschmiss aus dem Team wäre ein kleines Opfer im Vergleich „zu jeder einzelnen Haarsträhne einer iranischen Frau.“
Fünf Millionen Menschen folgen Azmoun auf Instagram. Ali Karimi, dem ehemaligen Kapitän des iranischen Nationalteams, der einst für Bayern München spielte, verbreitet seit einigen Tagen Protestvideos auf seinem Instagramkanal, den knapp 13 Millionen Menschen abonniert haben. Auch andere Sportler opponieren offen gegen die Machthaber, die Fußballer verfügen aber über eine besondere Reichweite und Strahlkraft.
Und die Fifa schweigt
Dass einige Posts bei Azmoun in den letzten Tagen gelöscht wurden, illustriert, welchem Druck er derzeit ausgesetzt sein muss. Seine Grundhaltung hat er aber dennoch wiederholt bestätigt. Das erfordert jede Menge Mut, zumal er den Weltverband nicht auf seiner Seite weiß. Längst hätte die Fifa den iranischen Fußballern den Rücken stärken können mit der Botschaft an den dortigen Verband: eine politische Auslese des WM-Kaders ist gleichbedeutend mit der Disqualifikation für die WM. Schließlich setzten sich die Spieler für universale Menschenrechte ein, zu denen sich die Fifa auf allen Hochglanzbroschüren bekennt.
Doch die Fifa schweigt. Das letzte Mal hat sie sich im März dieses Jahres „besorgt“ in Richtung Iran gezeigt, weil Frauen der Zutritt zum WM-Qualifikationsspiel gegen den Libanon verweigert wurde. Seit einigen Jahren schon fordert die Fifa den freien Zugang von Frauen in die Stadien ein – unter der Drohung härtester Sanktionen wie den WM-Ausschluss. Bislang obsiegte aber immer die Nachgiebigkeit. Ähnlich milde gingen die Fifa und andere Sportverbände mit dem Verbot des iranischen Regimes an seine Sportler:innen um, gegen Israelis im Wettkampf anzutreten.
Organisationen wie die Fifa schätzen an der Macht des Sports weniger das Subversive als das Staatstragende. Russischen Fußballer:innen wurden ausgeschlossen, russische Funktionär:innen dagegen zeigten beim Fifa-Kongress im März in Doha selbstbewusst ihre Präsenz.
Das Fifa-Museum erinnert auf seiner Website mit Stolz an das erstmalige Aufeinandertreffen zwischen den USA und dem Iran bei einer Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich. Das Spiel, „das so viel Sprengkraft bot“, sei als eines der sportlich fairsten Partien in die Geschichte eingegangen. Ein gemeinsames Teamfoto vor Anpfiff und ein überreichter Blumenstrauß zählen zu den stärksten Belegen. Die Fifa-Historiker berichten, die Stimmung sei gelöst gewesen, „sicherlich auch, weil der 21. Juni von der Fifa zum Fairplay-Tag ernannt worden war“. Das ist ein Bild von der Macht des Sports, wie es der Fifa gefällt. Ganz so glatt dürfte sich Ende November das erneute Treffen zwischen den USA und dem Iran nicht nachzeichnen lassen.
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