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Wahlausgang in Bosnien-HerzegowinaEin Sozialdemokrat liegt vorne

Bosnien und Herzegowina hat gewählt. Die Ergebnisse sind so vielfältig wie das aus Teilstaaten bestehende Land selbst. Trends gibt es dennoch.

Stimmauszählung in Sarajevo: Das Wahlsystem in Bosnien und Herzegowina ist kompliziert

Sarajevo taz | Meho, der Anhänger der Partisanen des Zweiten Weltkriegs und Bosanac (Bosnier), jetzt 88 Jahre alt, hatte vor den Wahlen nur einen Wunsch: Die Partei der demokratischen Aktion (SDA), die muslimische Nationalpartei, solle in der Stadt und dem Kanton geschlagen werden. Deren Spitzenkandidat ist Bakir Izetbegović, Sohn von Alija Izetbegović, der während des Krieges die muslimische Bevölkerungsgruppe in die Sackgasse geführt hatte.

Als Sarajevo über dreieinhalb Jahre von serbischen Truppen eingekesselt war, als es ohne Wasser, Strom und bei einer Million Granaten widerstanden hatte, hatten auch viele Serben, Kroaten und die Minderheiten für die Stadt gekämpft. Es war Izetbegović, der nach dem Krieg trotzdem kompromissbereit mit den Feinden der multinationalen und multireligiösen Tradition des Landes gewesen sei. Das trägt der Partisan dem Vater und dem Sohn heute noch nach. Denn auch die SDA habe damals eine Entmischung der Bevölkerung mit ethnonationalistischen Vorzeichen angestrebt. Auch einen Bürgerstaat Bosnien und Herzegowina.

Mehos Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Nach Auszählung von 85 Prozent der Stimmen führt im Rennen um den Sitz der Bosniaken im Staatspräsidium der Sozialdemokrat Denis Bećirović mit 57 Prozent der Stimmen, wie die Kommission am Montagvormittag in Sarajevo mitteilte. Er schlug damit den Vorsitzenden der SDA, Bakir Izetbegović. Dieser konnte nur 38 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Mehr noch, in der Stadt und im Kanton hat das nichtnationalistische Parteienbündnis aus Sozialdemokraten, der explizit multinationalen Partei Naša Stranka (Unsere Partei) und der SDA-Abspaltung Volk und Wahrheit Mehrheiten gewonnen.

Sie wollen gegen die Nationalisten aller Seiten einen „Bürgerstaat“ durchsetzen, in dem alle Einwohner aller Religionen gleiche Rechte erhalten. Die Mehrheit für Bećirović deutet zudem darauf hin, dass die sogenannte Troika auch in den Parlamenten des Teilstaats Föderation Bosnien und Herzegowina und im Gesamtstaat an Stimmen und Sitzen gewinnen konnte. Doch die SDA bleibt in ländlichen bosniakischen Regionen stärkste Partei. Genaue Ergebnisse dazu sind noch nicht veröffentlicht.

In einem Rechtsstaat stünde Čović vor Gericht

Die nationalistischen Parteien der Kroaten und Serben dagegen wollen an dem Prinzip der „konstitutiven Nationen“ und damit der Dominanz der Volksrechte festhalten. Vor allem Dragan Čović, der Vorsitzende der kroatischen Partei HDZ, sieht in einem Bürgerstaat einen Machtverlust für seine Bevölkerungsgruppe, die nur 15 Prozent der Einwohner stellt. Und auch für sich selbst, denn die Korruptionsvorwürfe an ihn sind nicht verstummt.

Ein kompliziertes Wahlsystem

Ein Land aus Teilstaaten

Bosnien und Herzegowina besteht aus einem serbischen und einem kroatisch-muslimischen Teilstaat. Die Präsidentschaft besteht aus einem Kroaten, einem bosniakischen Muslim und einem Serben, die sich alle acht Monate im Vorsitz abwechseln. Diese Zentralregierung ist für das Militär, das Justizsystem, die Steuerpolitik, den Außenhandel und die Diplomatie zuständig. Die Teilstaaten haben aber ihre eigenen Polizei-, Bildungs- und Gesundheitssysteme.

Was wurde gewählt?

1. Die Präsidentschaft auf gesamtstaatlicher Ebene

2. Im serbischen Teil Republika Srpska wurden die regionalen Abgeordneten gewählt, ein Präsident und zwei ­Stellvertreter.

3. Im muslimisch-kroatischen Teil des Landes wurde das Zweikammerparlament gewählt, das einen Präsidenten und zwei Vizepräsidenten bestimmt. Außerdem Mitglieder von Kantonen.

Warum so kompliziert?

Das komplexe System geht aus dem Dayton-Abkommen von 1995 hervor. Damit wurde der Bürgerkrieg der 90er Jahre (100.000 Tote) beendet.

Seit 1995 ernennt der UN-Sicherheitsrat einen Hohen Repräsentanten, der die Umsetzung des Friedensabkommens überwacht. Derzeit hat der Deutsche Christian Schmidt das Amt inne.

In einem Rechtsstaat würde er angeklagt werden. Jahrelang schon kämpfte er für ein neues Wahlrecht, die kroatische Lobby aus Zagreb versuchte, in der EU und international Druck zu machen, weil nach dem jetzigen Wahlrecht auch Muslime und Nichtnationalisten den kroatischen Vertreter in der Präsidentschaft mitbestimmen können. Der Hohe Repräsentant, Christian Schmidt, sollte nach Wünschen Čovićs noch vor den Wahlen mit seiner Machtbefugnis das Wahlrecht ändern. Doch das schlug fehl.

Im Rennen um den kroatischen Sitz setzte sich der bisherige Amtsinhaber Zeljko Komšić von der linksliberalen Partei Demokratische Front mit 54 Prozent durch. Das ist eine große Niederlage für Čović und die Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ). Die langen Gesichter auf der Wahlparty sprachen Bände.

Der serbische Sitz im Staatspräsidium dürfte fest in den Händen von Nationalisten bleiben. Die Kandidatin der im serbischen Landesteil regierenden SNSD, Željka Cvijanović, kam auf 53 Prozent der Stimmen. Sie ist eine Vertraute des serbischen Nationalistenführers Milorad Dodik, der bislang den serbischen Sitz im Staatspräsidium innehatte.

Doch Milorad Dodik verging am Wahlabend das Lächeln. Er wollte jetzt nämlich unbedingt Präsident des serbischen Teilstaats werden. Für diese Wahl lagen am Montagvormittag noch keine endgültigen Ergebnisse vor. Dodik reklamierte den Sieg für sich, obwohl in den ersten Auszählungen die Gegenkandidatin Jelena Trivić vorne gelegen hatte. „Doch über Nacht haben sich die Stimmenverhältnisse seltsam verändert“, klagte sie. Schon werden Betrugsvorwürfe laut. Dodik wird diesen Protest in gewohnter Manier ersticken.

Meho, der alte Tito-Anhänger, kann aber halb zufrieden sein. Sarajevo jedenfalls hat seine Wünsche erfüllt.

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2 Kommentare

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  • Herr Rathfelder, es gebührt Ihnen grosser Dank,



    die nicht immer ganz einfachen und überschaubaren Verhältnisse der Republik Bosnien-Herzegowina, dem geneigten taz-Leser etwas näher zu bringen.



    Man kann Sie nur bewundern, in diesem ethnisch-chaotischen Umfeld nicht den Überblick zu verlieren, besonders jetzt auch zu den Wahlen und deren, na ja, Besonderheiten.



    Dank dafür.

  • Gewinner der Wahl ist Republika Srbska.



    Die Föderation ist in der Krise und bleibt in der Krise wegen Herr Komšić.



    Ob Herr Komšić das interessiert ist eine andere Sache.

    Die Wahl von Herr Komšić ( durch moslemischen Stimmen) ist möglich geworden nach diversen Veränderungen der Friedensverträge. (Deyton, Woshington, Paris,Bonn….)



    Herr Ćović ist kein Heiliger, er überlebt politisch nur wegen Herr Komšić.

    Endlich bekommen die alten Partisanen auch mit das Veränderung wichtig ist.



    Herr Izetbegović hat die Gruppe verlassen. Er ist der glücklichste.