Rechtsruck in Schweden: Historischer Schock
Die Schwedendemokraten hatten viele Helfer, darunter die planlosen Sozialdemokraten und die Konservativen, die sie erst salonfähig gemacht haben.
M it dem amtlichen Endergebnis steht es nun fest: Schwedens Parlamentswahl ist ein historischer Schock und ein folgenreicher Umbruch, der die schwedische Politik in den kommenden Jahren prägen wird.
Zentral dafür ist natürlich die Entscheidung von Konservativen und Christdemokraten, das bisherige Übereinkommen aller Reichstagsparteien zu brechen, auf nationaler Ebene niemals mit einer rechtsextremen Partei zusammenzuarbeiten. Das nunmehrige Bündnis mit den Schwedendemokraten kostete diesen Parteien ganz entgegen ihren eigenen Erwartungen nun erst einmal selbst Stimmen und katapultierte die rechtsextreme Partei auf über 20 Prozent.
Dass die Schwedendemokraten jetzt vor Selbstvertrauen kaum laufen können und glauben, ihre Forderungen immer höher schrauben zu können, zeigen Stellungnahmen führender Parteivertreteren anlässlich der ersten Regierungssondierungen. Ob Schwedens rechte Parteien denn auf dem Weg der US-Republikaner sind, fragen besorgte Kommentatoren bereits. Erst die Hoffnung radikale Kräfte kontrollieren zu können, um dann von diesen geschluckt zu werden?
Man darf aber nicht übersehen, dass auch die Sozialdemokraten ein erhebliches Maß an Mitschuld an der Stärkung der Schwedendemokraten tragen. In der Auseinandersetzung mit diesen beließ man es vorwiegend bei moralischen Appellen: Eine Partei mit solcher Vergangenheit und mit rassistischer Agenda sei einfach nicht wählbar. Warum nicht stattdessen ganz konkret deren wirtschafts- und sozialpolitische Vorstellungen zerpflücken? Damit ließe sich nämlich sehr gut zeigen, wie sehr die praktische Politik dieser Partei im Widerspruch zu den Interessen der Wähler steht.
Die Folgen einer nahezu ausschließlich auf die Person Magdalena Andersson zentrierten Wahlkampagne und der Verzicht auf eine eigene Reformagenda sind bei den Sozialdemokraten klar zutage getreten. Unter Arbeitslosen wurden die Schwedendemokraten stärkste Partei. Je weiter weg von den größeren Städten man kommt, wo die Menschen sich mit ihren Alltagsproblemen alleingelassen fühlen und die soziale Infrastruktur immer weiter abgebaut wird, desto besser sind deren Resultate. Im einst roten Nordschweden kehrten die Wähler in Scharen den Sozialdemokraten, aber auch der Linkspartei den Rücken.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen