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Drogenpolitik der BundesregierungLegalize it? Das reicht nicht

Party-Legalisierung wie die FDP sie will, kann nicht die Lösung für den Umgang mit Drogen sein. Menschen müssen auch fürsorglich konsumieren können.

Schön einen rauchen in Porto, Portugal Foto: dpa

E ntspannt im Sommer an einem schattigen Plätzchen eine Tüte rauchen: So und ähnlich sind die Vorstellungen derjenigen, die auf die Legalisierung von Cannabis hoffen. Die FDP hat es in ihrem Bundestagswahlkampf geschafft, Jugendliche mit dem Versprechen der Legalisierung auf sich aufmerksam zu machen. Auch Schmerz­pa­ti­en­t*in­nen hoffen auf Entkriminalisierung. Der Null-Toleranz-Ansatz, durch den bestimmte Drogen derart illegalisiert werden, dass Menschen weltweit unter der Kriminalisierung leiden, ist ja auch gescheitert.

Ein Freund, der bei den UN gegen Drogenhandel gearbeitet hat, wurde auf einer Party mal gefragt, ob er koksen würde. Es war ihm etwas unangenehm, darüber zu sprechen, weil er beim Feiern nicht moralisch werden wollte, und er schüttelte nur den Kopf und sagte: „It costs lives“ – es kostet Leben.

Die Aussage hätte die Stimmung auf einer FDP-Wahlkampfparty möglicherweise getrübt. Auf der WG-Party in Berlin-Kreuzberg, wo eh niemand gekokst hat, weil Cannabis als die sympathischere Droge gilt, war das nicht der Fall.

Dabei hat der Kokainkonsum unter jungen Menschen während der Pandemie zugenommen. 16.000 Kilo Koks, so viel wie noch nie in Europa, wurden 2021 im Hamburger Hafen beschlagnahmt. Sogenannte Koks-Taxis liefern schnell überall hin, warum nicht auch in eine Parteizentrale. Und während sich die einen auf Bundestagstoiletten die Nase wund ziehen, struggeln die anderen mit der Abhängigkeit von Heroin.

Cannabis-Businesses

Um die 95 Prozent des Heroins in Europa stammt aus Afghanistan. Bis das Heroin in Europa angekommen ist, haben Tausende Menschen ihr Leben aufs Spiel gesetzt und verloren. Auch deswegen ist man sich in der Wissenschaft weitestgehend einig, dass auch harte Drogen entkriminalisiert werden sollten. Doch damit wäre es nicht getan.

Während die Cannabis-Businesses schon in den Startlöchern stecken, die uns wahrscheinlich überteuertes Gras verkaufen wollen, ist das Problem mit der fehlenden Arbeitserlaubnis für einige Dealer noch nicht gelöst. Eine Legalisierung, wie die FDP beziehungsweise die Bundesregierung sie will, kann also nicht die Lösung sein. Wenn Menschen aufgrund von Abhängigkeit auf harte Drogen angewiesen sind, dann müssen sie fürsorglich konsumieren können.

In Schottland, wo es europaweit vor Schweden, Norwegen und Irland die meisten Drogentoten gibt, sind sogenannte Fixerstuben, die den hygienischen Konsum ermöglichen, verboten. Portugal hat seine Drogenpolitik so geändert, dass der persönliche Besitz von Drogen nicht mehr zur Gefängnisstrafe oder zu einem Eintrag in die Polizeiakte führt. Seitdem gibt es weniger Drogentote, weniger Menschen in Gefängnissen, weniger Fälle von HIV und der Konsum ist nicht angestiegen. Wäre es nicht nice, wenn Drogenpolitik nicht profitorientiert wäre und nicht an den Grenzen Deutschlands aufhören würde? Die Tüte im Park würde dann auch viel besser schmecken.

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16 Kommentare

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  • 6G
    659975 (Profil gelöscht)

    Natürlich gibt es immer persönliche Gründe, warum jemand zu harten Drogen greift.



    Aber warum gibt es Drogen?



    Weil es sich lohnt sie zu verkaufen! Weil jemand, der erstmal abhängig geworden ist, bereit ist fast jeden Preis für den nächsten Schuss oder die nächste Tüte zu bezahlen.

    Also das Einfachste wäre: Den Markt kaputt machen, den Verkauf von Drogen nicht mehr lohnenswert machen.



    Wenn sich der Verkauf nicht mehr lohnt, kommen auch keine neuen Drogen mehr ins Land.



    Also: Staatliche, kommunalle Abgabestellen für Drogen, gegen kleine Gebühr und Registrierung, mit gleichzeitiger Möglichkeit eines hygienischen Konsums und sozialer Betreuung, Gesprächen und Hilfestellung.



    Aber außerhalb dieser Abgabestellen ist der Besitz und Konsum im Freien verboten (außer Kleinstmengen).

    Preise gehen in den Keller, Drogenimport und Verkauf lohnt nicht mehr, der Import läßt nach. Weniger und irgendwann keine Dealer mehr auf der Strasse, d.h. es wird kein Nachwuchs für den Konsum mehr rekrutiert usw. usw.

    Das muss über mehrere Jahre durchgehalten werden....egal sind die Kosten dafür. Diese werden durch weniger Aufwand bei Polizei, Verwaltung, Gerichten und vorallem durch geringere oder verschwindene Beschaffungskriminalität gesamtwirtschaftlich wieder reingeholt.

  • Ja, schön wäre es wenn bei der Drogenpolitik wissenschaftliche Erkenntnisse irgendwas zählen würde. Weniger Gewalt, Kriminalität und Korruption. Leider gibt es meinem Eindruck nach einen überwältigen Konsens, dass "harte" Drogen verboten gehören. Weil: Darum und Schlimm Schlimm, macht ja abhängig, dass haben wir ja schon immer (bzw. seit frühes 20. Jh.) so gemacht.

    • @syle x:

      Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse sind Ihnen denn konkret bekannt, die gegen ein Verbot sprechen?

      Die Autorin wird ja auch nicht konkret.

      • @rero:

        Das ist natürlich ein viel zu komplexes Thema, um da jetzt eine Studie oder eine Quelle anzugeben. Als einen ersten Anlaufpunk kann ich das Manifest des Schildower Kreises empfehlen.

        Die Frage ist für mich aber auch falsch rum formuliert. Wenn man etwas tut, sollte man doch dafür einen Grund haben.



        Die meisten Leute glauben heute, Drogen wurden verboten, weil sie gefährlich und schädlich sind. Ziel müsste es also sein, dass die Gefahren und der Konsum allgemein reduziert werden.



        Die Idee ist also gut, aber ein Verbot ist das falsche Mittel, um die Ziele zu erreichen. Wie sich gezeigt hat, ist der Konsum durch das Verbot überhaupt nicht zurück gegangen - und wenn legalisiert wird, steigt er auch nicht an (siehe Portugal, Tschechien, USA, Uruguay).



        Also ist das eigentliche Ziel schon verfehlt. Die Begründung FÜR das Verbot ist hinfällig.

        Das Verbot hat aber auch negative Effekte. Der Konsum ist ja wie gesagt nicht gesunken, also muss der Bedarf irgendwie gedeckt werden. Die Hersteller und Händler arbeiten zwangsläufig illegal und damit sind vor allem organisierte Banden und Vereinigungen im Vorteil. Schon bei der Herstellung herrscht viel Gewalt und Unterdrückung. Viele Bauern (z.B. in Äthiopien oder Afghanistan) werden zum Anbau gezwungen, oft mit Morddrohungen.

        Für den Konsumenten ist das Produkt natürlich nicht sicher. Auf dem Schwarzmarkt kontrolliert niemand die Qualität und den Wirkstoffgehalt der Drogen. Giftige Verunreinigungen und lebensgefährliche Wirkstoffgehalte sind nicht selten, auch bei hohen Preisen.



        Was soll man auch machen? Den Dealer verklagen? Beim Versuch wird man sicher erstmal selbst angezeigt.

        Und wenn man Probleme mit dem Konsum hat, ist es schwer Hilfe zu bekommen, weil man ja erstmal zugeben müsste, etwas illegales getan zu haben haben.

        Das sind nur ein paar der Punkte, die gegen das Verbot sprechen. Wenn man also völlig rational und objektiv handelt, würde keiner mehr für ein Verbot stimmen.

  • Werte Frau Aziz,



    in Berlin unterhält Fixpunkt e. V. Drogenkonsummobile. Die Berliner Linie toleriert außerdem den Besitz von Drogen zum Eigenverbrauch. Die relative Zahl der Drogentoten ist in Berlin jedoch enorm - viel höher als in weniger toleranten Bundesländern.

    Kein Wunder, dass Sie lieber die Zahlen von Portugal nehmen.

    Zwischen Korrelationen und Kausalzusammenhängen gibt es einen Unterschied.

    • @rero:

      Bayern hat die rigoroseste Drogenpolitik und mit durchaus etwas Abstand die meisten Drogentoten, über 300,gefolgt von Nordrhein Westfalen mit weit über 200 und dann kommt Berlin mit knapp über 200 á 100.000 Einwohner, also hat Bayern ein Drittel mehr Drogentote als Berlin. München ist die deutsche Stadt mit der größten Heroinszene in Deutschland. Weiß nur keiner, weil die konsumieren und sterben unsichtbar in den Nebenschächten der U Bahn. Darum sterben auch so Viele: Es kommt kein Passant vorbei der vielleicht Hilfe holen würde. Die Süchtigen holen in Bayern auch selten Hilfe, weil dann würden sie festgenommen. Darum gehen sie in München weg wenn einer anfängt Schaum zu spucken, muss man sich ja nicht anschauen und Rettung rufen kommt nicht in Frage aus den genannten Gründen (Knast). An den Schacht kommt ein Kreuz damit die anderen wissen da liegt ne Leiche, das wussten auch wir Punks, wenn wir zum Feiern da runter sind, da nicht reingehen.... Also Verfolgung tötet ziemlich direkt indirekt zumindest in München.

      • @Eva Kern:

        Sorry, Ihre Zahlen sind falsch.

        Welche Statistik ich in Google auch immer öffne und welches der letzten 5 Jahre ich auch immer betrachte.

        www.bundesdrogenbe...prozent-gestiegen/

        Bayern hat Zahlen, von denen Berlin träumt.



        Auch München hat im Verhältnis zur Einwohnerzahl weniger Drogentote.

        Bei 1,5 Millionen Einwohner hatte München 63 Drogentote, Berlin 216 bei aufgerundet 3,7 Millionen Einwohner.

        Nach Logik der Autorin müsste Bayern dann was richtig machen.

    • @rero:

      Die Berliner Bevölkerung ist aber in Bezug auf das Konsumverhalten eher schlecht mit teilweise stark ländlich geprägten Flächenländen wie Bayern oder Baden-Würtemberg vergleichbar und die Gründe dafür liegen auch eher weniger in der Anwendung des BtmG.

      • @Ingo Bernable:

        Gehe ich mit.



        Genau deshalb ist das Beispiel Portugal nicht stichhaltig.

        • @rero:

          Verglichen wurde aber Portugal vor den Gesetzesänderungen mit Portugal nach den Gesetzesänderungen. Das kann man schon machen.

          • @Ingo Bernable:

            Machen kann man es.

            Nur ist es witzlos, wenn man den Kausalzusammenhang nicht begründen kann.

            Ist ähnlich witzlos wie ein monokausaler Erklärungsansatz im Vergleich München - Berlin.

            • @rero:

              Bei den Drogentoten werden natürlich nur solche gelistet. Wer wegen dreckiger Nadeln an HIV stirbt, landet eben auf einer anderen Liste.

              Berlin als Hauptstadt mit anderen Städten zu vergleichen ist schwierig und wenig sinnvoll. Wenn man Drogenkonsumstätten einrichtet, muss man die Lage davor und danach an der gleichen Stelle betrachten. Und da sind alle Einrichtungen ein großer Erfolg.

  • "Bis das Heroin in Europa angekommen ist, haben Tausende Menschen ihr Leben aufs Spiel gesetzt und verloren. Auch deswegen ist man sich in der Wissenschaft weitestgehend einig, dass auch harte Drogen entkriminalisiert werden sollten."



    Diese Argumentation ließe sich für Waffenschmuggel oder Menschenhandel aber ganz ähnlich anbringen.



    "Portugal hat seine Drogenpolitik so geändert, dass der persönliche Besitz von Drogen nicht mehr zur Gefängnisstrafe [...] führt. Seitdem gibt es [...] weniger Menschen in Gefängnissen"



    Wenn man Straftatbestände die mit Gefängnis bedroht sind streicht, werden auch weniger Menschen inhaftiert, welch Wunder.



    Die Bemühungen um Legalisierung und Harm Reductions sind schon richtig, aber ein wenig Mühe könnte man sich mit den Argumenten dafür schon geben.

    • @Ingo Bernable:

      "weniger Drogentoten weniger HIV und kein Anstieg bei Konsum" sind also nicht wichtig?

      Weniger Insassen und dadurch gesparten Geld bei der Strafverfolgung und deren Inhaftierung sind schon ein gewichtiges Argument.

      Wir sollten uns immer fragen ob der gesellschaftliche Schaden durch ein Verbot und Verfolgung nicht größer sind als der Nutzen.

      Das ist dann Auch der entscheidende Unterschied zwischen Drogen und Waffengesetzen.

      • @Obscuritas:

        ""weniger Drogentoten weniger HIV und kein Anstieg bei Konsum" sind also nicht wichtig?"



        Um das zu unterstellen muss man mich schon missverstehen wollen.



        "Weniger Insassen und dadurch gesparten Geld bei der Strafverfolgung und deren Inhaftierung sind schon ein gewichtiges Argument."



        Dann könnte man ja auch mal über ein Ende des Knastsystems nachdenken, das letztlich ohnehin kaum weniger barbarisch ist als Todes- und Körperstrafen.



        "Wir sollten uns immer fragen ob der gesellschaftliche Schaden durch ein Verbot und Verfolgung nicht größer sind als der Nutzen."



        Staat und Gesellschaft als duroptimierte Effizienzmaschinen? Wo bleibt die Vermögenssteuer, wo die Rationierung von Fett und Zucker?



        Wie gesagt es gibt gute Argumente für die Legalisierung, aber eben auch weniger gute.

        • @Ingo Bernable:

          Das Problem ist ja weniger, dass Leute im Gefängnis landen, als was das für soziale und ökonomische Auswirkungen hat.



          Nicht selten hat die Strafverfolgung schlimmere Auswirkungen auf die Menschen, als der Drogenkonsum selbst.