piwik no script img

Krise beim rbbSchlesinger muss gehen

Der rbb-Rundfunkrat hat Patricia Schlesinger als Intendantin abberufen. Schlesinger trat in der Sitzung überraschend auf – und entschuldigte sich.

Proteste am Montagnachmittag vor dem rbb Foto: Monika Skolimowska/dpa

Berlin taz | Mit Kameras und Mikrofonen kennen sie sich aus beim rbb. Sie gehören zum Wesen des Senders. Dass auf den Mikros, die am Montagnachmittag vor dem Sendegebäude aufgebaut waren, allerdings nicht die roten rbb-Aufkleber klebten, sondern die von ZDF, Bild und Servus TV, das war ziemlich ungewöhnlich.

Die Jour­na­lis­t*in­nen der Konkurrenz interessierten sich für die entscheidende Sitzung des Rundfunkrats. Er sollte an diesem Nachmittag über die Abberufung von Patricia Schlesinger als Intendantin des rbb beraten. Um das ob, schien es dabei nicht mehr zu gehen, sondern nur noch um das wie.

Und so war nach zweieinhalb Stunden Sitzung klar: Das Gremium beruft Patricia Schlesinger ab. 22 Mitglieder stimmten dafür, es gab eine Enthaltung. Gekündigt ist sie damit noch nicht. Auch ist damit noch nicht geklärt, ob Schlesinger abgefunden werden muss und was die Abberufung für ihre Pensionsansprüche bedeutet. Mit den Details der Vertragsauflösung wird sich der Verwaltungsrat in den kommenden Tagen beschäftigen.

Zu Beginn der Sitzung war Schlesinger überraschend persönlich aufgetreten. Gefasst und nüchtern habe sie gewirkt, berichten Mitglieder des Rundfunkrats. Sie habe sich bei den Mitgliedern des Gremiums und bei allen Mitarbeitenden entschuldigt. Die Süddeutsche Zeitung zitierte vorab aus ihrem Redemanuskript, wonach sie sagte: Sie habe manches übersehen, das tue ihr unendlich leid – professionell wie menschlich.

Die Vorwürfe

In den vergangenen Wochen hatten Recherchen des Wirtschaftsmagazins Business Insider aufgedeckt, wie Schlesinger sich womöglich über Jahre finanzielle Vorteile verschaffte: Es geht um private Abendessen auf Kosten des rbb, um Boni, die sie sich ausgehandelt haben soll, und um den teuren Umbau ihrer Chefetage. Außerdem soll der rbb-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf, der gleichzeitig Aufsichtsrat der Berliner Messe ist, Schlesingers Ehemann fragwürdige Beraterjobs vermittelt haben.

In der Sitzung des Rundfunkrats nahm Schlesinger Stellung zu den Vorwürfen: Die hohen Kosten für den Umbau der Chefetage, wohl rund 1,4 Millionen Euro, seien unter anderem durch überfällige Brandschutzsanierung zustande gekommen. Der Rabatt für Ihren Dienstwagen sei nicht ihr, sondern dem Sender zugute gekommen. Die Abendessen, zu denen sie wichtige Persönlichkeiten aus Berlin eingeladen hatte, habe sie als „Austauschformat“ wahrgenommen. Das würde sie so nicht mehr machen, sagte sie laut Süddeutscher Zeitung. Nach ihrem Statement verließ Schlesinger den Saal.

Der Rundfunkrat habe daraufhin eine konstruktive Debatte geführt, berichteten mehrere Mitglieder im Anschluss der taz. Über den genauen Wortlaut des Abberufungsbeschlusses habe man heftig diskutiert. Das hat auch juristische Gründe, denn die genaue Formulierung soll es dem Verwaltungsrat ermöglichen, Schlesinger ohne Anspruch auf eine Abfindung zu kündigen.

Zur Diskussion stand auch die Frage, welche Fehler die Aufsichtsgremien – also der Rundfunkrat selbst, aber auch der Verwaltungsrat – gemacht hätten. Das will der Rundfunkrat in den kommenden Wochen aufarbeiten. Dann soll auch darüber beraten werden, wer Patricia Schlesinger als In­ten­dan­t*in nachfolgen soll.

Die Wut der Mitarbeitenden

Während der Rundfunkrat am Montagnachmittag seine Sitzung begann, protestieren vor der Tür etwa einhundert Mitarbeiter*innen. Sie wollten dem Rundfunkrat zeigen, was sie jetzt von ihm erwarten: „Stopp dem Filz“ und „restart rbb“ stand auf ihren Schildern.

Unter der Belegschaft herrscht noch immer Wut, nicht nur auf Schlesinger, sondern auf große Teile der Geschäftsleitung. Viele Angestellte hoffen allerdings, dass mit diesem großen Knall jetzt auch die Chance auf einen Umbau des Senders einhergeht. Sie hoffen auf flachere Hierarchien, mehr Mitsprache und mehr Transparenz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Das Problem ist nicht die Person Schlesinger, sondern das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Frau Schlesinger konnte sich nur deswegen so leicht bereichern weil ihr ein feudales Ausbeutersystem zu Verfügung stand, in dem auch die, die jetzt Empörung heucheln, solche Handlungen gerne toleriert haben.

    Die breite Bevölkerung ist gezwungen ihren Tribut abzuliefern in Form des Rundfunkbetrags, hat aber keinerlei Mitspracherecht.

    Der ÖRR gehört dringend demokratisiert. Die Betragszahler müssen das Recht bekommen in regelmäßigen Abständen die Intendanten direkt zu wählen.

    Es wäre dann sehr schnell schluss mit einem ausbeuterischen Feudalsystem, bei dem sich wenige Priviligierte bereichern können auf Kosten der breiten Bevölkerung.

    Was vermutlich jedoch wieder passieren wird ist, dass die politischen Nutznießer des jetzigen Systems mit ein paar Einzelmaßnahmen eine Reform lediglich vortäuschen, um das System als Ganzes nicht antasten zu müssen. Macht und Privilegien wurden noch nie freiwillig abgegeben.

    Das ÖRR-System ist aus diesem Grunde wohl nicht reformierbar. Selbst eine Abschaffung der Rundfunkgebühren und deren Ersetzung durch eine Steuergeld-Finanzierung, so wie in Frankreich, ist nur eine Scheinlösung, denn auch damit zahlt die Bevölkerung letztendlich einfach weiter.

    Das ÖRR-Ausbeutersystem gehört wirklich auf den Kopf gestellt und reduziert auf seine Kernaufgaben. Es gibt definitiv keine Legitimation für Zwangabgaben oder Steuern um minderwertige Unterhaltungssendungen zu finanzieren, die letztlich nur dem ÖRR-Adel als Vorwand dienen um sich selbst üppig versorgen zu können.

    Beitragszahler auf die Barrikaden!

  • 4G
    44733 (Profil gelöscht)

    Unsere Sporthalle braucht auch einen teuren Umbau wegen der Brandschutzsanierung. Ist halt so wenn neue Gesetze greifen.

  • Hoffen allein reicht nie aus für Veränderungen

  • Schlesinger wird möglichst zügig und publikumswirksam geopfert, damit bloß keiner auf die Idee kommt, die Privilegien und Gehälter der anderen Intendanten und schon gar nicht den ÖR generell zu hinterfragen.



    Ich empfehle außerdem mal einen Blick auf das Personal des Rundfunkrates zu werfen, allesamt Upper-Class-Funktionäre.

  • Der Fisch stinkt zuerst am Kopf

    Doch der Fisch Namens "Öffentlich rechtliche" stinkt schon lange durch und durch. Vetternwirtschaft und zu viel Eingriff von der Politik und für die Politik, statt neutral, objektiver Berichterstattung.

  • 'Austauschformat'- hab ich auch 2-3 mal die Woche. Muss mal die entsprechenden



    Rechnungen einreichen.

    Als Journalistin und Moderatorin bei Panorama hab ich sie geschätzt. Aber als Intendantin waren die Futternäpfe zu nahe, um deren Verlockungen nicht zu erliegen. Traurig.

  • Menschen wie Schlesinger können nur gedeihen auf einem Boden wie ihn der RBB bot.



    Augen zu und weiter so.



    Fehlt nur noch, das sich die Führung gegenseitig zum Bundesverdienstkreuz vorschlägt.



    Das Maß ist voll. Es muß eine vollständige Aufarbeitung geben.



    Frau Schlesinger ist zu finanzieller Entschädigung zu verpflichten. Vor Gericht.



    Es muss sich herumsprechen, ein solches Verhalten kann teuer werden, für den Verursacher.



    Das haben die Beitragszahler verdient, die Belegschaft des Senders noch mehr.

  • "Gefasst und nüchtern habe sie gewirkt, .."



    Wieso wird das explizit erwähnt? Als ob es etwas Besonderes sei? Wirkte sie ansonsten verwirrt und angetrunken?



    Gier und Verlust der Bodenhaftung waren mit Sicherheit zwei ihrer Probleme. Deswegen ist es auch richtig, dass sie zurückgetreten ist, da nicht geeignet für ein solches Amt.



    Dennoch, bevor ich mit moralisch gerunzelter Stirne wohlig den Kopf schüttele, überlege ich, wie hätte ich mich in so einer Situation verhalten? Hätte ich den ganzen Versuchungen widerstehen können und mich nur moralisch einwandfrei verhalten? Keine Ahnung, schlauer ist man of erst nach der Katastrophe. Doch ich tendiere eher zu einem 'nein'. Denn ich kenne mich und weiß auch von meinen Schwächen und da ich kein Bock darauf habe an diesen permanent rumzufeilen um mich immer mehr zu verbessern, sind diese Schwächen halt immer noch da und begleiten mich so durchs Leben.



    Es ist einfach einer Person in solch exponierter Stellung mit Schadenfreude zu begegnen, nur weil man sie in einer fremden Speisekammer an einer Salami kauend erwischt hat. Doch fair ist das nicht.

    • @chinamen:

      Das kann man auch anders sehen.

      Das Wort "Compliance" ist schon lange kein Neuland mehr,



      Wer solche Mauscheleien macht oder fördert, ist für so einen Job nicht geeignet.



      Die Frage ist ja, ob man dort grundsätzlich anständig sein sollte, oder nur ausreichend gerissen bzw. nicht nachweislich kriminell.

      Bei - waren das nicht 300k / Jahr? - muss man eigentlich nicht mehr mauscheln und wenn man so einen Job annimmt, weiß man, dass man im öffentlichen Fokus steht und eine Verantwortung für das Ganze hat.

      Daher fnde ich es sogar absolut notwendig, diese Person auch zu entlassen. Nicht nachweislich kriminell zu sein, reicht als Anforderung nicht.